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Den Chef im Urlaub zu erreichen – das war vor 20 Jahren keine einfache Angelegenheit. Bernhard Werner, damals in der mittleren Führungsebene der Raiffeisenbank im Naabtal tätig, erinnert sich: „Falls der Vorstand zu Hause war, durften wir ihn nur in absoluten Notfällen auf dem Festnetz anrufen.“ War er verreist, gab es keine Möglichkeit, ihn zu greifen. Denn eine Liste mit Festnetznummern von Unterkünften oder Hotels gab es nicht. „Früher bedeutete Urlaub, dass die Person nicht ansprechbar war“, sagt Werner.

Mittlerweile ist der 51-Jährige selbst Vorstand – und zwar bei der VR Bank Mittlere Oberpfalz, die jüngst aus einer Fusion der Raiffeisenbank im Naabtal und der VR Bank Burglengenfeld hervorgegangen ist. Fährt Werner in den Urlaub, dann handhabt er es etwas anders als seine Vorgänger. Er packt sowohl sein privates als auch das dienstliche Smartphone ein. Damit der Gebrauch nicht ausartet, hat sich der Vorstand aber einige Regeln aufgestellt und für eine „Nutzung light“ entschieden, wie er selbst sagt. Das bedeutet, dass Werner während der freien Tage keine dienstlichen E-Mails liest oder schreibt. Er nutzt dann das Mobiltelefon vor allem wegen des Kalenders. Der erinnert ihn zum Beispiel an Geburtstage von Kollegen oder Kunden, denen er dann per WhatsApp oder SMS gratuliert. Zudem ist Werner für die Kollegen aus dem Vorstand im Notfall erreichbar: „Wenn es dringend und wichtig ist, etwa, weil wichtige Entscheidungen zu treffen sind oder dringende Abstimmungen anstehen, bin ich natürlich auch im Urlaub telefonisch erreichbar.“

Permanent online, permanent erreichbar

Am Strand eine Mail an die Kollegen schreiben oder sich auf der Almhütte über die aktuellen Kennzahlen des Betriebs informieren – das ist heute für viele Menschen in verantwortlichen Positionen üblich. Auch im Urlaub sind sie erreichbar. „Smartphones geben uns die Freiheit, von überall auf der Welt zu arbeiten. Gleichzeitig schränken sie die Freiheit an anderer Stelle wieder ein, weil erwartet wird, dass wir permanent online und erreichbar sind“, sagt Sarah Diefenbach. Die Professorin forscht an der LMU München unter anderem auf dem Gebiet der psychologischen Auswirkungen von neuen Kommunikationstechnologien.

Diefenbach rät im wahrsten Sinne des Worts dazu, im Urlaub abzuschalten. Am besten sei es, das Diensthandy gar nicht erst mitzunehmen. Die Professorin weiß jedoch, dass viele Führungskräfte auf das Smartphone nicht verzichten wollen oder können. Für solche Fälle empfiehlt sie Selbstdisziplin. Konkret: Das Gerät nur in bestimmten, selbstgesteckten Zeitfenstern nutzen, so wie es Bernhard Werner macht. „Zum Beispiel jeweils morgens und abends für eine halbe Stunde“, sagt sie. Den Rest der Zeit sei das Handy im Hotelsafe gut aufgehoben. Das ist insbesonders dann ausreichend, wenn vor dem Urlaub klare Vertretungsregeln abgesprochen worden sind, die auch in der E-Mail-Abwesenheitsnotiz kommuniziert werden. Dadurch wissen Kollegen und Kunden, wer ihnen weiterhilft.

„Handys decken wichtige menschliche Grundbedürfnisse ab und sorgen dafür, dass wir den Kontakt zu anderen Menschen auch bei räumlicher Distanz aufrechterhalten können“, sagt Peter Vorderer, Professor für Medien- und Kommunikationswirtschaft an der Universität Mannheim. Auch er rät dazu, das Gerät im Urlaub regelmäßig abzuschalten oder in den Flugmodus zu versetzen, um Smartphone-freie Stunden zu schaffen. Das gilt insbesondere nachts: „Das Smartphone hat im Schlafzimmer nichts verloren.“

Doch warum sollten Menschen während des Urlaubs auf das Smartphone verzichten oder zumindest den Gebrauch einschränken? Peter Vorderer kennt mehrere Gründe:

  • Der Urlaub ist zur Erholung da. „Während der freien Tage finden wir Ruhe und tanken Kraft für die kommenden Aufgaben“, sagt er. Wer sich ständig über die Arbeit Gedanken macht, der schafft es nicht, die nötige Distanz aufzubauen.
  • Das Smartphone verursacht Stress. Viele Menschen nutzen das Gerät für ihre E-Mails oder soziale Netzwerke und warten auf neue Inhalte. „Wir alle haben schon einmal wichtige Nachrichten per WhatsApp oder E-Mail bekommen. Deswegen suggeriert uns jede neue Benachrichtigung, dass der Inhalt von hoher Bedeutung sein könnte. Also sind wir konstant im Alarmzustand“, sagt Vorderer.
  • Eine Nachricht zu schreiben provoziert meistens eine Gegenreaktion. „Wir kommunizieren selten auf eine Weise, die keine Antwort zulässt. Häufig stellen wir eine Frage oder lassen die Möglichkeit, ein weiteres Thema aufzugreifen. So suggerieren wir, dass wir Interesse an einer Unterhaltung haben – auch im Urlaub“, sagt der Kommunikationswissenschaftler.

Drei Tipps zum Umgang mit dem Diensthandy

  1. Die Zeit begrenzen und sich täglich feste Termine setzen, um Mails zu lesen und zu beantworten.
  2. Ablenkungen wie Eil-Meldungen oder Hinweise auf neue Tweets oder Facebook-Nachrichten ausschalten.
  3. Das Gerät für die restliche Zeit außer Sichtweite legen oder komplett ausschalten.

Offline im Privatleben

Nicht nur der Gebrauch des Diensttelefons, auch das private Smartphone sollte laut den Experten im Urlaub moderat genutzt werden. Sarah Diefenbach rät, sich aus der Online-Welt zu lösen und die Umgebung ohne das Gerät zu erkunden. Wer sich unsicher ist, wie sehr er von seinem Smartphone bestimmt wird, kann einen Selbst-Check machen und analysieren, wie häufig er für welche Zwecke das Gerät nutzt. „Wer feststellt, dass er jeden Tag mehrere Stunden auf Instagram verbringt und durch Fotos scrollt, sollte sein Verhalten überdenken“, so die Professorin.

Bernhard Werner von der der VR Bank Mittlere Oberpfalz hat mit seinen Kollegen im Vorstand eine praktikable Lösung gefunden. „Bei uns gibt es ein faires und gutes Miteinander. Wenn ein Kollege im Urlaub ist, dann überlegen die anderen schon, ob sie ihn dringend sprechen müssen, oder ob eine Info-Mail ausreicht. Dadurch reduzieren wir untereinander Stress und sorgen für eine entspannte Zeit“, sagt er. Und: „Ich bin von meinen Reisen jedenfalls immer gut erholt zurückgekommen.“

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