Libra: Facebook plant eine eigene Digitalwährung. Was hält die Bundesbank davon? Ein Gastbeitrag von Vorstandsmitglied Joachim Wuermeling.
Der Name klingt verheißungsvoll: „Libra“ hat Facebook seine Digitalwährung getauft. 2020 soll sie an den Start gehen. Im Lateinischen steht das Wort für das Sternzeichen Waage, ein Symbol für Gerechtigkeit. Und die Wortwurzel „lib“ geht auf „liber“, also „frei“, zurück. Klingt gut. Darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass hinter dem Digitalgeld knallharte privatwirtschaftliche Interessen stehen. Und dass es mit erheblichen Risiken für Anleger und die Finanzstabilität verbunden ist.
Im Juni hat Facebook Libra offiziell vorgestellt. Genau genommen war es die Libra Association (LA) aus Genf, zu der neben Facebook Visa, Uber oder Vodafone gehören. Seitdem sind Politiker, Notenbanker, Finanzaufseher und Ökonomen alarmiert. Denn das Papier skizziert ein Währungssystem, das Euro und Dollar das Wasser abgraben könnte. Und das unter Führung eines Tech-Riesen, der in den USA gerade erst zu einer Fünf-Milliarden-Strafe wegen Datenmissbrauchs verdonnert wurde.
Mehr Fragen als Antworten
Die Libra-Pläne werfen mehr Fragen auf, als sie Antworten geben. Klar ist, dass die mehr als zwei Milliarden Kunden künftig über ihren Facebook-Account Geld überweisen sollen. Dazu müssen sie eine virtuelle Brieftasche befüllen, indem sie Libra-Coins kaufen, deren Wert an klassische Währungen gekoppelt wird. Die Einzahlungen der Libra-Käufer bunkert die LA in vollem Umfang als Reserve in liquiden Vermögensklassen wie kurzlaufende Staatsanleihen. Das ist der gravierende Unterschied zum Bitcoin, der ebenfalls auf der Blockchain-Technologie basiert, aber ohne Sicherheiten arbeitet.
Libra wäre wohl wertstabiler als der chronisch volatile Kryptoklassiker, aber längst kein sicherer Hafen. Denn es lassen sich eine Reihe von Risiken auflisten, denen sich die Libra-Halter aussetzen würden. Das fängt schon damit an, dass Libra kein gesetzliches Zahlungsmittel ist. Händler dürfen die Annahme verweigern. Zugleich fehlt eine Garantie der LA, Libra zurückzutauschen.
Keine Zinsen und Wechselkursrisiken
Heikel sind zudem Wechselkursrisiken. Denn angenommen, der Libra-Währungskorb besteht zu einem Drittel aus Euro und zu zwei Dritteln aus Fremdwährungen. Dann gehen Anleger aus dem Euro-Raum ein nicht unerhebliches Risiko ein, da zwischen ihrem Heimat-Geld und den ausländischen Währungen Kursschwankungen auftreten können. Das disqualifiziert Libra als Instrument für den Werterhalt und macht ihn zum Spekulationsobjekt. Und auch als Anlage ist das Facebook-Geld ungeeignet: Zinsen gibt es nicht, weil die LA Erträge aus ihren Anlagen selbst einstreicht.
Die Libra Association
Um die Akzeptanz von Libra zu steigern, soll die Währung von einem neutralen Verwaltungsgremium gesteuert werden – der Libra Association mit Hauptsitz in Genf. Zu den 28 Gründungsmitgliedern gehören zahlreiche global agierende Konzerne wie die Zahlungsdienstleister Mastercard, Visa und Paypal, die Plattformunternehmen Facebook, Ebay, Spotify, Uber, der Telekommunikationsanbieter Vodafone sowie einige Risikokapital-Geber und gemeinnützige Organisationen. Die Libra Association soll den Betrieb der Libra-Blockchain unterstützen, die Stabilität und das Wachstum der Libra-Währung gewährleisten, das Libra-Netzwerk weiterentwickeln und die hinter Libra stehende Währungsreserve verwalten. Nur die Libra Association soll berechtigt sein, neue Libra-Währungseinheiten zu erschaffen oder zu zerstören. Libra soll im ersten Halbjahr 2020 starten. Bis dahin soll Facebook als Initiator eine führende Rolle bei der Entwicklung und Gestaltung der Libra-Blockchain sowie der Libra Association behalten. Letztere soll bis zum Start der Währung etwa 100 Mitglieder zählen.
„Finger weg von Facebooks Währung“. So war kürzlich ein Beitrag von Peter Bofinger überschrieben. Der frühere Wirtschaftsweise warnt vor den Gefahren von Libra, die umso wirkmächtiger sind, je intensiver die Währung genutzt würde. Schätzungen zufolge könnte die Libra-Reserve zu einem Geldmarktfonds mit dreistelligem Milliarden-Volumen anschwellen. Eine Stiftung unter dem Einfluss von Facebook und anderer Digitalkonzerne wäre dann Betreiber einer gigantischen Schattenbank.
Brenzlig würde es, wenn es zum massenhaften Rücktausch von Libra käme. Dann müsste die LA große Staatsanleihen-Bestände abstoßen, um die Anleger auszuzahlen. Infolge solcher „Fire Sales“ würden die Kurse der Papiere abrutschen, was wiederum andere Investoren belastet. Es drohen Dominoeffekte. Im umgekehrten Fall tritt die LA am Anleihemarkt in Konkurrenz zu Notenbanken und institutionellen Investoren. Dann steigen die Kurse der Papiere und der Druck auf die Niedrigzinsen nimmt weiter zu.
Standards sind einzuhalten
Es ist gut, dass die Finanzminister beim letzten G 7-Gipfel beschlossen haben, ein Auge auf Libra zu halten. Gut ist auch, dass die Bankenaufseher sich Libra intensiv anschauen wollen. Entscheidend wird sein, wie die Libra-Stiftung sich mit ihrer Kryptowährung positioniert – als Bank oder eben als gigantische Schattenbank.
Meine Position ist klar: Wer bankähnliche oder bankgleiche Dienstleistungen im Zahlungsverkehr anbietet, der muss sich den Regularien unterwerfen, die für Kreditinstitute gelten. Standards der Bankenregularien sind einzuhalten, zum Beispiel mit Blick auf Geldwäsche und Datenschutz. Das gibt auch dem Kunden Sicherheit. Will die LA das nicht, sollte man im eigenen Interesse die Finger von der Facebook-Währung lassen.
Dr. Jürgen Gros ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern. Er twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn.