Weitsicht: Vor 50 Jahren nahm die Pensionskasse der Genossenschaftsorganisation ihre Arbeit auf. Ihr genossenschaftliches Selbstverständnis hat sie stark gemacht.
Herr Schätz, das Bundesfinanzministerium hat den Höchstzinssatz für Lebensversicherer und Pensionskassen bei Neuverträgen ab 1. Januar 2022 von 0,9 Prozent auf 0,25 Prozent herabgesetzt. Ist die betriebliche Altersversorgung (bAV) für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei einer weiter sinkenden Verzinsung überhaupt noch attraktiv?
Thomas Schätz: Was ist denn die Alternative? Die gesetzliche Rente wird nicht ausreichen. Daran gibt es nichts zu rütteln. Von daher ist es unverzichtbar, dass möglichst alle Beschäftigten entsprechend ihrer Möglichkeiten privat oder über ihren Betrieb ergänzend für das Alter vorsorgen. Diese Erkenntnis ist viel wichtiger als jede Zinsdiskussion und darf im öffentlichen Bewusstsein nicht ins Hintertreffen geraten. Wenn der Arbeitgeber dazu eine Betriebsrente anbietet und sogar noch Geld zuschießt, können finanzielle Lücken in der Altersvorsorge ganz oder zumindest teilweise geschlossen werden. Allein schon deshalb bleibt die bAV unabhängig von der Debatte um den Zins attraktiv.
Höchstzinssatz und Rechnungszins: Wo ist der Unterschied?
Der Höchstzinssatz (auch Höchstrechnungszins) ist der Zinssatz, den unter anderem Lebensversicherer und Pensionskassen bei der Berechnung ihrer Rückstellungen zur Deckung der Leistungen maximal verwenden dürfen. Damit will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Unternehmen ihre Zusagen über die volle Laufzeit der Verträge in jedem Fall einhalten können und nicht durch zu hohe Leistungsversprechen langfristig in Schieflage geraten. Der Höchstzinssatz wird vom Bundesfinanzministerium in der Verordnung über Rechnungsgrundlagen für die Deckungsrückstellungen festgelegt. Seit 2017 liegt der Höchstzinssatz bei 0,9 Prozent, zum 1. Januar 2022 wird er für Neuverträge auf 0,25 Prozent abgesenkt.
In der Praxis geben die meisten Lebensversicherer und Pensionskassen den Höchstzinssatz auch als Rechnungs- oder Garantiezins an, den sie ihren Kunden bei der Beitrags- und Leistungsberechnung mindestens zusichern. Genau genommen handelt es sich aber um zwei unterschiedliche Werte. Der Höchstzinssatz setzt lediglich den Maximalwert zur Berechnung der Deckungsrückstellungen fest, der den Kunden zugesicherte Rechnungszins kann davon nach unten abweichen. Zudem gilt die Deckungsrückstellungsverordnung nur für Verträge, denen keine von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) genehmigten Tarife zugrunde liegen. Von der BaFin regulierte Lebensversicherer und Pensionskassen können also auch einen im Vergleich zum Höchstzinssatz höheren Rechnungszins anbieten, sofern die BaFin den entsprechenden Tarif genehmigt. Diese Praxis will die BaFin aber auslaufen lassen.
Wie geht die Pensionskasse der Genossenschaftsorganisation mit der erneuten Absenkung des Höchstzinssatzes um?
Schätz: Das ist für uns ja nichts Neues. Als regulierte Pensionskasse bieten wir nur Versicherungstarife an, die von der Finanzaufsicht genehmigt wurden. Wir haben bis zur Mitte dieses Jahres bei Neuverträgen einen Rechnungszins von 1,25 Prozent gewährt, obwohl der Höchstzinssatz schon seit 2017 bei 0,9 Prozent liegt. Dies hat die BaFin genehmigt, weil wir nachweisen konnten, dass wir einen höheren Rechnungszins finanzieren können. Jetzt aber wollen und müssen wir auch reagieren. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) möchte aus ihrer Sicht zu hohe Rechnungszinsen vom Markt verschwinden sehen und genehmigt bei Pensionskassen schon seit dem 1. Januar 2021 Tarife nur noch dauerhaft, wenn der Zins höchstens 0,25 Prozent beträgt.
Die Entwicklung des Höchstzinssatzes für Lebensversicherungen und Pensionskassen seit 1903 (Quelle: Deutsche Aktuarvereinigung)
1903–1922 | 3,50 Prozent |
1923–1941 | 4,00 Prozent |
1942–1986 | 3,00 Prozent |
1987–06/1994 | 3,50 Prozent |
07/1994–06/2000 | 4,00 Prozent |
07/2000–2003 | 3,25 Prozent |
2004–2006 | 2,75 Prozent |
2007–2011 | 2,25 Prozent |
2012–2014 | 1,75 Prozent |
2015-2016 | 1,25 Prozent |
2017–2021 | 0,90 Prozent |
ab 2022 | 0,25 Prozent |
Die Pensionskasse bietet bereits ab 1. Juli 2021 einen befristeten Übergangstarif an. Worin unterscheidet sich dieser von den bisherigen Tarifen?
Schätz: Eigentlich gar nicht, die Tarifinhalte sind mehr oder weniger mit dem Alttarif identisch. Lediglich der Rechnungszins wurde von 1,25 Prozent auf 0,5 Prozent abgesenkt. Die Tariffamilie „AVmG“ haben wir im Zuge der Rentenreform 2002 entwickelt. „AVmG“ steht für das Altersvermögensgesetz. Aktuell bieten wir den Tarif in der fünften Auflage an. Nachdem der neue Tarif ab 1. Juli 2021 nur für den Übergang gedacht ist und sich im Wesentlichen nur die Verzinsung ändert, nennen wir ihn AVmG5-B. Wir folgen damit den Anforderungen der Finanzaufsicht, den Rechnungszins für das Neugeschäft deutlich herabzusetzen. Gleichzeitig aber haben wir noch etwas Zeit, um uns Gedanken zu machen über eine möglicherweise völlig neue Generation von Versicherungstarifen, und um dann gegebenenfalls die organisatorische Infrastruktur dafür aufzubauen. Bis dahin freuen wir uns, dass wir zunächst bis zur Mitte des kommenden Jahres noch einen Rechnungszins von 0,5 Prozent anbieten können.
Müssen die Mitglieder der Pensionskasse und die Beitragszahler auch bei bestehenden Verträgen mit Änderungen rechnen?
Schätz: Grundsätzlich nein. Dennoch sehen wir bei der Entwicklung der allgemeinen Zinspolitik keine ernsthaften Anzeichen für eine Entspannung. Deshalb haben wir schon zweimal den Rechnungszins für künftige Beitragszahlungen („Future Service“) jeweils um zehn Basispunkte beziehungsweise 0,1 Prozentpunkte herabgesetzt. Das ist für uns auch ein wesentlicher Aspekt des Managements von Risiken. Durch die Entlastung der Passivseite sinkt eben auch der Anlagedruck auf der Aktivseite. Für bereits verdiente Ansprüche der Versorgungsberechtigen („Past Service“) ändert sich nichts, da dort die gleichlautende Herabsetzung des Rechnungszinses von der Kasse ausgeglichen wird. So entstehen den Versicherten keine Leistungseinbußen. Vorstand und Aufsichtsrat unserer Pensionskasse haben sich grundsätzlich fest positioniert, diesen beiden Schritten noch weitere folgen zu lassen, sobald die Pensionskasse den Ausgleich für den „Past Service“ finanzieren kann.
50 Jahre Pensionskasse der Genossenschaftsorganisation VVaG
Warum lohnt es sich, trotz der historisch niedrigen Zinsen eine betriebliche Altersversorgung bei der Pensionskasse der Genossenschaftsorganisation abzuschließen?
Schätz: Betrachten wir zunächst die Vorteile für die Versorgungsberechtigten. Eine Alters- beziehungsweise Hinterbliebenenrente sollte ohne Wenn und Aber lebenslang bezahlt werden. Dies können wir als Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gewährleisten, so dass man tatsächlich von einer Absicherung im Alter sprechen kann. Die Versorgungsberechtigten müssen erst Steuern auf das angesammelte Kapital bezahlen, wenn die Rente bezogen wird, da ist die Steuerlast meist geringer als zu Zeiten der Erwerbstätigkeit. Während der Anwartschaftszeit hingegen sparen sie Steuern und Sozialabgaben. Es ist auch ein Vorteil, dass die Versorgungsberechtigten das angesammelte Kapital mitnehmen können, wenn sie den Arbeitgeber wechseln. Und sollten sie mal den Job verlieren und Hartz-IV-Leistungen beziehen müssen, sind die betrieblichen Altersvorsorgeguthaben vor dem staatlichen Zugriff gesichert. Speziell bei der Pensionskasse der Genossenschaftsorganisation ist es so, dass jede einzelne Beitragszahlung zu einem festgelegten Rentenbaustein führt. Die Beitragszahlungen der Arbeitgeber und der Beschäftigten können deshalb absolut flexibel gestaltet werden. Es ist möglich, regelmäßig einzuzahlen oder Einmalbeiträge zu leisten. Insbesondere für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Genossenschaften lässt dies viel Gestaltungsspielraum zu. Wenn die persönliche Lebensführung es einmal nicht zulassen sollte, können die Einzahlungen für die spätere Betriebsrente jederzeit unterbrochen oder – auch mehrjährig – ganz ausgesetzt werden.
Und wo liegen die Vorteile für Arbeitgeber, wenn sie ihren Arbeitnehmern eine bAV über die Pensionskasse der Genossenschaftsorganisation anbieten?
Schätz: Richtig, auch die Vorteile für Arbeitgeber sollten wir nicht vergessen. Die Gewährung dieser besonderen Sozialleistungen ist als Instrument der Personalbindung seit jeher überaus attraktiv, das wird sich durch den Fachkräftemangel noch verstärken. Und natürlich vermindern solche Leistungen auch die Abgabenlast der Betriebe.
Wie sorgt die Pensionskasse der Genossenschaftsorganisation dafür, dass sie trotz der anhaltenden Niedrigzinsphase ihre Pensionszusagen dauerhaft einhalten kann?
Schätz: Wir überprüfen laufend unseren Finanzstatus. So haben wir zum Beispiel erst vor ein paar Monaten zusammen mit unserem Chefmathematiker eine Studie zum so genannten „Asset-Liability-Modelling“ abgeschlossen. Im Rahmen einer solchen Untersuchung projizieren wir unsere versicherungstechnischen Verpflichtungen in die Zukunft und schauen auf der anderen Seite, ob unsere Kapitalanlagen in der Lage sind, diese Verpflichtungen zu bedienen. Darüber hinaus muss aus der Studie klar erkennbar sein, dass sich auch das aufsichtsrechtlich erforderliche Eigenkapital entsprechend entwickeln kann.
Der Corona-Lockdown hat bei zahlreichen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu wirtschaftlichen Verwerfungen geführt. Bemerken Sie das in den Zahlen der Pensionskasse, zum Beispiel bei den Beitragsfreistellungen?
Schätz: Nein. Und das hat auch mit unserer Satzung zu tun. Wir dürfen ja nur Arbeitgeber bei uns aufnehmen, die Mitglied der genossenschaftlichen Organisation sind oder dieser nahestehen. Genossenschaften gehören zu den stabilsten Marktteilnehmern. Daher dürfen wir auch feststellen, dass der Zugang an Neuversicherungen in unserer Kasse sich unverändert auf einem hohen Niveau befindet, während es viele Mitbewerber im vergangenen Wirtschaftsjahr teilweise böse getroffen hat.
Das Geschäftsjahr 2020 der Pensionskasse der Genossenschaftsorganisation
Die Pensionskasse der Genossenschaftsorganisation VVaG blickt nach eigenen Angaben auf ein gutes 51. Geschäftsjahr zurück:
- Mit über 900 Neuzugängen kann die Pensionskasse wiederum ein sehr erfreuliches Mitgliederwachstum verzeichnen.
- Die Beitragseinnahmen der Kasse sind leicht gestiegen und lagen bei über 19 Millionen Euro.
- Die Bilanzsumme ist im Jahr 2020 um 4 Prozent auf rund 546 Millionen Euro gewachsen.
- Auch in Zeiten eines historisch niedrigen Zinsniveaus hat die Pensionskasse eine hohe Verzinsung erzielt: Die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen lag im Geschäftsjahr 2020 bei 3,3 Prozent.
- Im Jahr 2020 wurden laufende Leistungen in Höhe von rund 15,2 Millionen Euro an nahezu 6.400 Rentenempfänger ausgezahlt.
Wie bewerten Sie vor dem Hintergrund der anhaltenden Niedrigzinsphase und der Corona-Krise den Geschäftsabschluss 2020 der Pensionskasse?
Schätz: Auch in unseren Büchern haben Zinspolitik und Pandemie Spuren hinterlassen. Ein Beispiel: Unser hoher Bestand an bebauten Grundstücken, sonst Renditetreiber, hat hier natürlich die von uns gewünschte Performance nicht erreichen können. Wir haben aber mit nahezu allen Mietern, die sich an uns gewandt haben, verträgliche Lösungen gefunden. Wir gehen daher davon aus, dass wir entsprechende Nachholeffekte bei den Mieterträgen sehen werden und sich die Situation dadurch auch wieder entspannen wird. Ansonsten zeigt unser Lagebericht, dass wir einen Mitgliederzugang auf stabil hohem Niveau haben. Und das ist sicherlich auch Ausdruck des Vertrauens der genossenschaftlichen Gruppe in uns.
Herr Schätz, vielen Dank für das Gespräch!