Einspruch: Die EBA will die Meldekosten für kleine und nicht-komplexe Banken um bis zu 24 Prozent senken. Der Antritt ist richtig, greift aber zu kurz, merkt GVB-Präsident Jürgen Gros an.
Bis Mitte dieses Jahres will die Europäische Zentralbank (EZB) über die Einführung eines digitalen Euro entscheiden. Eine scheint sich bereits festgelegt zu haben: EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Sie erklärte unlängst auf einer Konferenz: „Wir werden einen digitalen Euro haben.“ Da die Frage des Ob schon geklärt zu sein scheint, wird die Frage nach dem Wie umso dringender.
Es ist unausweichlich, dass sich die EZB mit dem Projekt einer digitalen Währung befasst. Sie muss aber behutsam vorgehen. Denn einer digitalen Variante der europäischen Währung stehen viele Bürger zurückhaltend gegenüber. Das geht aus einer unveröffentlichten Umfrage der Bundesbank hervor, aus der die „Börsen-Zeitung“ am 17. Juni zitiert hat. Ihr zufolge sehen 56 Prozent der befragten Haushalte die Einführung eines digitalen Euros skeptisch. Der klassische Euro genießt dagegen bei den Bürgern ein großes Vertrauen. Damit dieses Vertrauen künftig auf den digitalen Euro ausstrahlt, muss dieser aus meiner Sicht acht anspruchsvollen Kriterien genügen – Kriterien, denen viele der bislang kursierenden alternativen Digitalwährungen nicht standhalten.
Die acht Kriterien im Überblick
- 1. Ein digitaler Euro muss Tauschmittel, Recheneinheit und Wertspeicher sein
- 2. Ein digitaler Euro muss der Geldwäsche stabile Riegel vorschieben
- 3. Ein digitaler Euro darf das Wirtschaftswachstum nicht hemmen
- 4. Ein digitaler Euro muss barrierefrei und ständig verfügbar sein
- 5. Ein digitaler Euro muss sicher vor Hackern sein
- 6. Ein digitaler Euro darf das Bargeld nicht ersetzen
- 7. Ein digitaler Euro darf die Finanzstabilität nicht gefährden
- 8. Ein digitaler Euro darf nicht dazu dienen, das Mandat der EZB auszuweiten
1. Ein digitaler Euro muss Tauschmittel, Recheneinheit und Wertspeicher sein
Erstens sind die klassischen Funktionen des Geldes zu nennen, die auch der digitale Euro erfüllen muss: Er sollte also Tauschmittel, Recheneinheit und Wertspeicher sein. Zum Tausch von Geld gegen Ware dürften vermutlich alle digitalen Währungen geeignet sein. Als Recheneinheit kann der digitale Euro, anders als stark im Kurs schwankende Kryptowährungen wie Bitcoin, auch fungieren. Die EZB hat bereits klargestellt, dass der Wechselkurs zwischen Euro in Banknoten und seiner digitalen Form konstant bei eins zu eins liegen soll. Aber schon bei der Wertaufbewahrung gilt es aufzupassen. Denn ein digitaler Euro könnte sehr einfach mit positiven wie negativen Zinsen belegt werden. Somit könnten aus 100 Euro in der digitalen Geldbörse theoretisch auch nominal plötzlich weniger werden, wenn Negativzinsen greifen.
2. Ein digitaler Euro muss der Geldwäsche stabile Riegel vorschieben
Zweitens muss der digitale Euro der Geldwäsche stabile Riegel vorschieben. Beim klassischen Bargeld gibt es bei den Banken dafür gut eingespielte Abläufe. Im digitalen Raum wird es schwerer, Geldwäschern Herr zu werden. Es braucht also Konzepte, um zu verhindern, dass die Einführung des digitalen Euro ein Konjunkturprogramm für Geldwäscher wird.
3. Ein digitaler Euro darf das Wirtschaftswachstum nicht hemmen
Drittens darf der digitale Euro das Wirtschaftswachstum nicht hemmen, indem er wesentliche Teile unserer bestehenden Wirtschaftsordnung untergräbt. Dazu gehört insbesondere das zweistufige Bankensystem. Banken sind die Kreditgeber der Wirtschaft und haben sich dabei bewährt. Sie sollten diese Rolle auch künftig wahrnehmen können. Banken vergeben Kredite und schaffen damit Liquidität für den Wirtschaftskreislauf. Aktuell entstehen aus einem Euro Zentralbankgeld rund zehn Euro Buchgeld, das Banken über die Kreditvergabe generieren. Würde man komplett auf eine digitale Zentralbankwährung setzen, könnten Kredite nur noch im Umfang der von der EZB zur Verfügung gestellten Geldmenge vergeben werden – der Wirtschaftskreislauf wäre abgewürgt. Diese Rückkehr zu einem sogenannten Vollgeld-System dürfte niemand wollen.
4. Ein digitaler Euro muss barrierefrei und ständig verfügbar sein
Viertens muss ein digitaler Euro barrierefrei und ständig verfügbar sein. Man sollte weder ein Informatikstudium noch die neueste Handygeneration benötigen, um mit digitalem Zentralbankgeld bezahlen zu können. Zur Verfügbarkeit gehört ebenfalls, auf eine stabile IT-Struktur zu setzen. Bargeld kann nicht ausfallen oder abstürzen, Server schon. Die EZB tut deshalb gut daran, bei der Zahlungsabwicklung und der Logistik weiterhin auf die Banken zu setzen. Die heutige Praxis, Zahlungsabwicklungen auf zahlreiche Banken zu verteilen, garantiert Krisenfestigkeit und Resilienz. Fällt ein Institut aus, können andere einspringen. Eine Zentralisierung der IT, beispielsweise bei der EZB, erhöht hingegen das Klumpenrisiko. Ein Cyberangriff dort hätte dann verheerende Folgen.
5. Ein digitaler Euro muss sicher vor Hackern sein
Damit zusammenhängend ist das fünfte Kriterium: Der digitale Euro muss sicher sein vor Hackern. Maßstäbe, die die Bankenaufsicht beim Stichwort „Cyberresilienz“ an die Banken anlegt, gelten für die EZB genauso. Die digitale Währung darf nicht zur Beute von digitalen Bankräubern werden.
6. Ein digitaler Euro darf das Bargeld nicht ersetzen
Sechstens muss die Wahlfreiheit beim Zahlungsmittel gewahrt bleiben. Ein digitaler Euro kann und darf das Bargeld nicht ersetzen. Bargeld bedeutet individuelle Freiheit. Und es ist ein Garant für Anonymität. Zwar gibt es auch bei einer digitalen Währung Möglichkeiten, Zahlungen zu anonymisieren. Diese stehen jedoch im Spannungsfeld zu anderen Zielen wie der Geldwäschebekämpfung. Auch die bereits bewährten digitalen Zahlungswege – beispielsweise Girokarten oder Kreditkarten – sollte der digitale Euro nur ergänzen, nicht ersetzen.
7. Ein digitaler Euro darf die Finanzstabilität nicht gefährden
Siebtens darf der digitale Euro die Finanzstabilität nicht gefährden. Wenn Kunden Einlagen von ihrer Bank abziehen und bei der EZB digital „parken“, fehlen diese Einlagen den Geldinstituten. Sie müssen mehr Geld bei der EZB aufnehmen, um Kredite vergeben zu können. Das macht die Banken abhängiger von der Zentralbank und bringt eine Unwucht ins Bankensystem. Im schlimmsten Fall könnte es sogar insgesamt ins Wanken geraten, wenn Kunden bei Zweifeln an der Stabilität des Banksystems in großem Stil Gelder abziehen und sie bei der EZB deponieren. Solche „digitalen Bank-Runs“ gilt es bei der Konzeption des digitalen Euro auszuschließen.
8. Ein digitaler Euro darf nicht dazu dienen, das Mandat der EZB auszuweiten
Achtens sollte der digitale Euro nicht dazu dienen, das Mandat der EZB auszuweiten. Theoretisch wäre es möglich, auf digitales Bargeld Zinsen zu erheben, positive wie negative. Geldpolitik durch direkten Zugriff auf den Geldbeutel jedes Einzelnen – dieser Versuchung sollte man die Zentralbanker gar nicht aussetzen. Ansonsten leidet nicht nur die Akzeptanz der EZB, sondern vor allem die unseres offiziellen Zahlungsmittels gleich mit.
Fazit
Der Euro ist eine europäische Erfolgsgeschichte. Diese gilt es zu bewahren und fortzuschreiben. Für die Einführung des digitalen Euros gibt es nur einen Versuch, und der muss sitzen. Wenn das gelingt, wird der digitale Euro seinen Teil zur Digitalisierung der Wirtschaft in Europa beitragen.
Dr. Jürgen Gros ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Er twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn.