Standortbestimmung: Der GVB bietet seinen Mitgliedern einen Positionierungsworkshop zur Nachhaltigkeit an. Die VR-Bank Isar-Vils hat das Angebot genutzt. Wie sind die Erfahrungen?
Hier geht es direkt zu den Fragen (FAQ)
- Worum geht es?
- Wie wirkt sich die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage auf die Beratung aus?
- Wie wird die Nachhaltigkeitspräferenz abgefragt?
- Was müssen die Banken bei der Implementierung der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage beachten?
- Was bezweckt der Gesetzgeber mit den neuen Regeln?
- Wie informiert der GVB über Nachhaltigkeit?
- Welche Schulungen bietet die ABG zum Thema an?
- Auf welche Rechtsakte stützt sich der Gesetzgeber?
- Wie stehen die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken zum Thema Nachhaltigkeit?
- Wie unterstützt der GVB zu aufsichtsrechtlichen Fragen?
Worum geht es?
In der Anlageberatung müssen Banken die Anlageziele ihrer Kunden abfragen und den Vertrieb der Finanzprodukte darauf abstellen. Dazu macht die Finanzmarktrichtlinie MiFID II den Instituten europaweit einheitliche Vorgaben. Mit der Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (Offenlegungs-Verordnung) verpflichtet der europäische Gesetzgeber die Banken darüber hinaus, ihre Kunden darüber zu informieren, wie nachhaltig die angebotenen Finanzprodukte sind und welche Nachhaltigkeitsrisiken drohen. Um den Kunden passende Produkte anbieten zu können, müssen die Banken ab 2. August 2022 deren Nachhaltigkeitspräferenzen europaweit einheitlich abfragen. Die entsprechenden Verordnungen und Richtlinien wurden am 2. August 2021 im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Der europäische Gesetzgeber gewährte den Banken ein Jahr zur Umsetzung.
Wie wirkt sich die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage auf die Beratung aus?
Banken und Sparkassen stehen vor der Herausforderung, ihren Kunden in Verbindung mit der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage ein einheitliches Verständnis von nachhaltigen Finanzprodukten zu vermitteln – unabhängig davon, ob es sich dabei um Investmentfonds, Aktien, Renten oder Zertifikate handelt. Gibt ein Kunde Nachhaltigkeitspräferenzen an, so muss ihm die Bank bei der Beratung die zugrundeliegenden Nachhaltigkeitskriterien erläutern. Diese werden bei nachhaltigen Geldanlagen zusätzlich zu den klassischen ökonomischen Kriterien Rentabilität, Liquidität und Risiko erfasst. Der europäische Gesetzgeber stützt sich dabei auf die sogenannten ESG-Kriterien. Dazu zählen:
- Umwelt (Environment): Bei diesem Kriterium geht es darum, wie ein Unternehmen ökologische Aspekte in seinem Handeln berücksichtigt. Es spielen insbesondere Strategien zum Klimaschutz sowie Ressourcenmanagement eine wichtige Rolle.
- Soziales (Social): Hier steht zum Beispiel die Frage im Vordergrund, ob Unternehmen zentrale Menschenrechte und Arbeitnehmerbelange achten. Dazu zählen etwa die Sicherheit der Arbeitsplätze und die Gesundheit der Arbeitnehmer.
- Unternehmensführung (Governance): Dieses Kriterium nimmt in den Fokus, wie gut ein Unternehmen geführt wird. Korruption und wettbewerbswidriges Verhalten führen zu einer negativen Bewertung.
Wie wird die Nachhaltigkeitspräferenz abgefragt?
Die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage erweitert die Anforderungen nach § 64 Abs. 3 S. 1 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) zur Abfrage der Kundenkenntnisse und -ziele in der Anlageberatung. Ergänzend zu den bisherigen Feldern der sogenannten Beurteilung der Geeignetheit der angebotenen Finanzinstrumente („Geeignetheitsprüfung“) müssen Banken ab 2. August 2022 auch die Nachhaltigkeitspräferenz der Kunden abfragen. Damit soll Klarheit geschaffen werden, inwieweit die Kunden Nachhaltigkeitsziele bei der Geldanlage berücksichtigen wollen. Die Nachhaltigkeitspräferenz der Kunden muss nach § 64 Abs. 1 S. 1 WpHG als Teil der Geeignetheitsprüfung unter der Kategorie „Anlageziele“ berücksichtigt werden. Die Kunden können zwischen verschiedenen Nachhaltigkeitsansätzen wählen, die sie mit ihrer Geldanlage verfolgen wollen:
- „Best in Class“: Die Anleger investieren entweder direkt oder bei sogenannten verpackten Finanzprodukten (etwa Investmentfonds oder ETFs) indirekt über Finanzdienstleister (zum Beispiel Union Investment) in Unternehmen mit der besten Nachhaltigkeitsperformance ihrer Klasse.
- „Engagement“: Die Investoren gehen in einen aktiven und langfristigen Austausch mit den Unternehmen, um diese ökologisch, sozial und/oder ethisch voranzubringen.
- „ESG-Integration“: Die Investoren ziehen explizit die sogenannten ESG-Kriterien und ESG-Risiken in die traditionelle Finanzanalyse der Unternehmen mit ein.
- „Impact“: Die Investoren investieren in Unternehmen, die bestrebt sind, die Welt ökologisch und/oder sozial zu verbessern.
Die bisherigen Felder der Geeignetheitsprüfung müssen ebenfalls weiterhin erfasst werden:
- Kenntnisse: Welche Kenntnisse hat der Kunde zu den angebotenen Anlagen? Diese werden je Risikoklasse abgefragt.
- Erfahrungen: Welche Erfahrungen hat der Kunde mit den angebotenen Anlagen, Fremdwährungsgeschäften und Dienstleistungen? Diese werden je Risikoklasse abgefragt.
- Finanzielle Verhältnisse: Abgefragt werden Vermögen, Einkommen, Belastungen und die Verlusttragfähigkeit des Kunden.
- Anlageziele: Vom Kunden sind hier Anlagezweck, Anlagedauer sowie Risikotoleranz anzugeben.
Was müssen die Banken bei der Implementierung der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage beachten?
Die Banken müssen bis zum 2. August 2022 das sogenannte Starterpaket zur Anlageberatung aktualisieren. Die notwendigen Vorarbeiten übernehmen zum großen Teil die verantwortlichen Verbundpartner. So wird zum Beispiel das Formular „Information zur Anlageberatung“ (Formular-Nr. 260 470) durch DG Nexolution angepasst. Es steht voraussichtlich ab dem 15. Juli 2022 zur Verfügung. Die Atruvia passt die Systemanwendungen in Bezug auf die Anlageberatung zu Finanzinstrumenten und die Beratung zu Versicherungsprodukten bis zum 1. August 2022 entsprechend an.
Was bezweckt der Gesetzgeber mit den neuen Regeln?
Im Dezember 2015 unterzeichneten 195 Nationen das Pariser Klimaabkommen, um den Klimawandel einzudämmen und zu verhindern, dass die globale Durchschnittstemperatur um mehr als 1,5 beziehungsweise zwei Grad Celsius ansteigt. Dadurch sollen katastrophale Umweltfolgen wie Dürre, Hitzewellen, verheerende Waldbrände und Tropenstürme sowie ein Anstieg des Meeresspiegels wirksam begrenzt werden. Der Gesetzgeber weist den Banken bei der Umsetzung dieser Klimaziele auf europäischer und nationaler Ebene eine wichtige Rolle zu. Sie sollen das Geld der Kunden bevorzugt in grüne Anlagen lenken und so dabei helfen, die wirtschaftliche Transformation zu finanzieren. Zu dieser Strategie, ein nachhaltiges Finanzwesen zu schaffen, gehört auch die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz bei Bankkunden.
Wie informiert der GVB über Nachhaltigkeit?
Der GVB bündelt alle Informationen, Unterstützungsleistungen und Kontaktmöglichkeiten zum Thema Nachhaltigkeit auf einer neuen Themenseite im GVB-Mitgliederportal. So können sich die GVB-Mitglieder einen schnellen Überblick verschaffen. Auf der Themenseite sind auch alle fachlichen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner im GVB aufgelistet.
Welche Schulungen bietet die ABG zum Thema an?
Die Akademie Bayerischer Genossenschaften (ABG) bietet den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken eine zielgerichtete Schulung zur Nachhaltigkeitspräferenzabfrage an. Zielgruppe sind Beraterinnen und Berater im Wertpapiergeschäft. Folgende Inhalte werden in dem Webinar angesprochen:
- Zielrichtung der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage (Pariser Klimaabkommen, rechtliche Grundlagen, Strategie im Verbund),
- Erläuterungen zu Begrifflichkeiten (ESG, Taxonomie, Offenlegungs-Verordnung),
- Produktangebote, Hausmeinung, Typologie für nachhaltige Finanzen/ESG-Zielmarkt,
- Informationen zur Anlageberatung nach der Offenlegungs-Verordnung,
- Möglichkeiten des Kunden zur Anpassung der Nachhaltigkeitspräferenz,
- Informations- und Veröffentlichungspflichten,
- Werbung mit dem Begriff Nachhaltigkeit.
Das Webinar findet am 12. und 13. Juli 2022 jeweils von 10 bis 11:30 Uhr statt. Weitere Informationen und Anmeldung auf der Webseite der ABG.
Auf welche Rechtsakte stützt sich der Gesetzgeber?
Die europäischen Vorgaben zur Nachhaltigkeit im Finanzwesen und zur Nachhaltigkeitspräferenzabfrage stützen sich unter anderem auf folgende Rechtsakte:
- Offenlegungs-Verordnung (EU) 2019/2088: Die Offenlegungsverordnung (auch Sustainable Finance Disclosure Regulation; SFDR) verpflichtet Banken und Finanzberater unter anderem dazu, ihre Endkunden über die Nachhaltigkeit der von ihnen beworbenen Finanzprodukte zu informieren sowie Nachhaltigkeitsrisiken offenzulegen.
- Taxonomie-Verordnung (EU) 2020/852: Die Taxonomie-Verordnung schafft ein einheitliches Klassifikationssystem zur Bestimmung, ob Wirtschaftstätigkeiten als nachhaltig einzustufen sind. Dazu müssen Wirtschaftstätigkeiten wesentlich zu einem der sechs in der Taxonomie genannten Umweltziele beitragen. Als Umweltziele nennt die Taxonomie Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen, Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Verschmutzung sowie Schutz von Ökosystemen und Biodiversität.
- Die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz ist in Artikel 54 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 in Verbindung mit der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1253 geregelt. Ziel war es, die vertriebsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen mit der Offenlegungs-Verordnung zu harmonisieren. Dadurch werden Informationen über die Nachhaltigkeit von Wertanlagen und die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken zu einem integralen Bestandteil der Informationspflichten im Wertpapiergeschäft.
- Die Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 regelt den Schutz von Wertanlagen und Kundengeldern. Die Delegierte Richtlinie (EU) 2021/1269 legt darauf aufbauend unter anderem fest, dass Finanzinstitute bei der Produktüberwachung Nachhaltigkeitsfaktoren im Sinne der Offenlegungs-Verordnung berücksichtigen müssen.
Wie stehen die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken zum Thema Nachhaltigkeit?
Nachhaltiges Handeln gehört zum Wesenskern der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Als bedeutender Finanzdienstleister des bayerischen Mittelstands begleiten sie ihre Kunden und Mitglieder auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft, indem sie zum Beispiel den Wandel hin zu klimaverträglichen Geschäftsmodellen unterstützen. Zusammen mit den Verbundpartnern aus der genossenschaftlichen FinanzGruppe bieten sie ihren Kunden die Möglichkeit, in nachhaltige Geldanlagen zu investieren, um die Transformation der Wirtschaft voranzutreiben. Die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage bietet den Kreditinstituten nun die Möglichkeit, das Thema im Kundengespräch weiter zu vertiefen.
Christina Schäfer ist Referentin für Aufsichtsrecht beim Genossenschaftsverband Bayern.
Wie unterstützt der GVB zu aufsichtsrechtlichen Fragen?
Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) unterstützt die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken in allen Fragen rund um das Aufsichtsrecht. Dazu gehören unter anderem die Themenfelder Nachhaltigkeit, Meldewesen, Eigenkapitalanforderungen, Unternehmensführung (Corporate Governance), Wertpapiervertrieb, Geldwäscheprävention, Zahlungsverkehr sowie Datenschutz. Kontakt: bankaufsichtsrecht(at)gv-bayern.de oder 089/2868-3861. Alle Unterstützungsleistungen, Rundschreiben und Webinare zum Aufsichtsrecht hat der Verband im GVB-Mitgliederportal gebündelt.
Weiterführende Links
- Aktuelle Meldungen und Unterstützungsangebote zu den Themen Aufsichtsrecht und Regulierung finden die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken im GVB-Mitgliederportal.
- Aktuelle Informationen und Unterstützungsangebote zum Thema Nachhaltigkeit gibt es auf einer eigenen Themenseite im GVB-Mitgliederportal.