Bindeglied: Kundenservicecenter und Kundendialogcenter werden für die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken immer wichtiger. Warum ist das so und was sind die Erfolgsfaktoren?
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Ein KundenServiceCenter (KSC) oder KundenDialogCenter (KDC) lässt sich nicht über Nacht aufbauen. „Im Vorfeld müssen Banken viele Punkte klären. Beispielsweise, was überhaupt das Ziel ist, welche Aufgaben die Mitarbeiter erledigen sollen und welche Fähigkeiten sie dafür benötigen“, sagt Claudia Lösch. Die Senior Referentin Vertriebsentwicklung beim Genossenschaftsverband Bayern (GVB) hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Volksbanken und Raiffeisenbanken bei entsprechenden Vorhaben begleitet.
Auch die Raiffeisenbank Hochfranken West gehört dazu. Das Kreditinstitut richtet derzeit unter dem Label ProRegionMeinService einen Videoservice ein. Technische Basis ist die Lösung „Video Concierge“ von Ratiodata, einem Systemhauspartner der genossenschaftlichen Rechenzentrale Fiducia & GAD. Seit Mitte Mai ist die Geschäftsstelle Leupoldsgrün mit einem Terminal ausgestattet, die Filiale Sparneck folgt im Juni. Gleichzeitig etabliert die Bank ein KDC, in dem zunächst ausschließlich Anfragen aus dem Videoservice landen. Die Raiffeisenbank hat diesen Leistungsumfang als erste von drei sogenannten Reifegrad-Stufen für das KDC definiert. In Zukunft soll die Einheit weiter ausgebaut werden: In der zweiten Stufe, die für 2022 geplant ist, übernimmt das KDC die Inbound- und Outbound-Telefonie. Und im dritten Reifegrad arbeitet das KDC als eigenständige Vertriebseinheit mit Kundenzuordnung und führt Videoberatungen durch. Diese Stufe soll das KDC voraussichtlich 2023 erreichen. „Während andere Banken häufig mit der Inbound-Telefonie starten, richten wir das KDC zunächst für den Videoservice ein. Einerseits hat es zeitlich gut gepasst, beide Projekte zu verzahnen, andererseits wollen wir unseren Kunden schnellstmöglich diesen modernen und innovativen Zugang anbieten“, sagt Prokurist und Marktbereichsleiter Markus Suttner.
„Ein KDC zu etablieren ist eine Entscheidung von großer Tragweite.“
Markus Suttner, Raiffeisenbank Hochfranken West
Beim Aufbau des KDC hat sich die Raiffeisenbank Hochfranken West Unterstützung durch den GVB geholt. Konkret nahm die Bank die neu entwickelte Leistung „Modell zur systematischen Personalentwicklung“ (siehe Kasten) in Anspruch. „Ein KDC zu etablieren ist eine Entscheidung von großer Tragweite. Die Auswirkungen auf die Strategie oder die Organisation sind gewaltig. Deshalb ist es aus meiner Sicht unerlässlich, ein vernünftiges Projekt mit einem kompetenten Partner wie dem GVB aufzusetzen“, sagt er. Dabei spielte auch eine Rolle, dass der Verband die Bank aktuell bei einem Fusionsprojekt begleitet – die Raiffeisenbank Hochfranken West plant einen Zusammenschluss mit der Raiffeisenbank Gefrees.
GVB-Modell zur systematischen Personalentwicklung
Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) bietet seinen Mitgliedern ab sofort das „GVB-Modell zur systematischen Personalentwicklung“ an. Die neu entwickelte Leistung eignet sich nicht nur für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Banken, die ein KSC oder KDC aufbauen, sondern für Mitarbeiter aller Abteilungen oder Einheiten, die ihre Kompetenzen und Fähigkeiten zielgerichtet weiterentwickeln sollen. Das Angebot richtet sich nicht nur an Volksbanken und Raiffeisenbanken, sondern an alle bayerischen Genossenschaften. Die zentralen Vorteile des GVB-Modells:
- Eine zielgerichtete Analyse schafft die Grundlage, Personal- und Positionsentscheidungen transparent zu vermitteln.
- Entwicklungsmaßnahmen lassen sich individuell festlegen. Dadurch vermeiden Genossenschaften, alle Mitarbeiter eines Teams zu Schulungen zu schicken, die diese eventuell gar nicht benötigen („Gießkanneneffekt“). So sparen sie Zeit und unnötige Kosten.
- Für jeden Mitarbeiter stellen die GVB-Experten eine individuelle Laufbahnberatung zur Verfügung. Daraus lassen sich gezielt passende Fortbildungen und Schulungen ableiten.
- Eine umfassende Personalentwicklungsstrategie sorgt für eine hohe Mitarbeiterbindung.
- Die GVB-Experten erarbeiten gemeinsam mit der Genossenschaft praxisnahe Lösungen. Diese lassen sich ressourcenschonend im Alltag umsetzen.
Das GVB-Modell zur systematischen Personalentwicklung beinhaltet fünf Schritte:
- Bedarfsentwicklung in der Personalentwicklung: Die GVB-Experten analysieren im Rahmen eines Kick-Off-Workshops die Organisationsentwicklung (zum Beispiel kulturelle Ausprägung, externe und interne Einflüsse), die Aufgabenentwicklung (zum Beispiel Leistungsbeschreibung und -anforderung, Entwicklung von Kompetenzen) sowie die Ressourcen und Kompetenzen des Personals.
- Personalentwicklung-Konzept-Analyse: Mithilfe von Dokumentenanalysen, Interviews und gegebenenfalls individuellen Workshops legen die GVB-Experten gemeinsam mit den Personalverantwortlichen der Bank die Lernziele und Aufgaben für die Mitarbeiter sowie das Budget und die Methoden für die Fortbildungen fest.
- Maßnahmenplanung und Präsentation: Die GVB-Experten präsentieren die Ergebnisse und legen die weiteren Maßnahmen für die Personalentwicklung in einem Soll/Ist-Vergleich vor. Zusätzlich erstellen sie für jeden Mitarbeiter einen individuellen Vorschlag für die weitere Entwicklung.
- Durchführung der Personalentwicklung: Die Mitarbeiter können individuelle Fortbildungsmaßnahmen absolvieren, um ihre Entwicklungsziele zu erreichen. Passende Trainings und Seminare stellt beispielsweise die Akademie Bayerischer Genossenschaften (ABG) zur Verfügung.
- Transfer im Alltag: Die Mitarbeiter setzen die erlernten Kompetenzen und Fähigkeiten ein.
Bei den ersten drei Maßnahmen begleitet der GVB die Bank, die Schritte 4 und 5 kann diese individuell sowie mit der ABG durchführen.
Kontakt: Claudia Lösch, 089 2868-3473, cloesch(at)gv-bayern.de
Die im Rahmen des GVB-Modells enthaltenen Workshops führte Claudia Lösch durch. Sie fanden wegen der Corona-Pandemie digital statt. Dabei entwickelte Lösch gemeinsam mit Markus Suttner und den Mitarbeitern das strategische Zielbild des KDC, die Reifegrade und die individuellen Stellenbeschreibungen sowie Kompetenzprofile für jeden Mitarbeiter. „Das Vorgehen schafft eine hohe Akzeptanz, da die Mitarbeiter mitentscheiden, wie das KDC aufgebaut ist und welche Fähigkeiten sie jeweils benötigen“, betont Lösch.
Ein zentraler Bestandteil des GVB-Modells zur systematischen Personalentwicklung sind die vier Bausteine Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Persönlichkeitskompetenz und Sozialkompetenz. Im Workshop werden diese gemeinsam erarbeitet und individuell festgelegt. Dadurch ist klar ersichtlich, welche Kenntnisse die Mitarbeiter im Rahmen der drei Reifegrad-Modelle aufweisen müssen. „Im ersten Reifegrad etwa benötigen die Kolleginnen und Kollegen lediglich Grundkenntnisse in den Bedarfsfeldern Vorsorge oder Vermögen. In der zweiten Stufe erwarten wir hingegen, dass sie ein fundiertes Wissen aufweisen und die Zusammenhänge verstehen“, sagt Suttner.
Skills für die Mitarbeiter
Welche konkreten Fähigkeiten die Mitarbeiter im KSC oder KDC benötigen, hängt individuell von den Anforderungen der jeweiligen Bank sowie dem Reifegrad der Einheit ab. Beispielsweise macht es einen großen Unterschied, ob die Mitarbeiter die Kunden eigenständig betreuen oder an die jeweiligen Berater und Spezialisten weiterleiten. Dennoch lassen sich einige allgemeine Aussagen treffen. „Zunächst ist wichtig, dass die Mitarbeiter lösungsorientiert denken und kommunizieren sowie ihre eigene Arbeit als sinnstiftend bewerten. Je positiver die Mitarbeiter eingestellt sind, desto besser können sie auf den Kunden eingehen“, sagt Claudia Lösch vom GVB. Sie empfiehlt, auch am Telefon zu lächeln. Die Gesprächspartner können das zwar nicht sehen, doch die positive Stimmung nehmen sie über die Stimme wahr. Ein weiterer Tipp: Mitarbeiter sollten den Kunden immer einen Lösungsansatz bieten. Folglich sollten sie darin geschult werden, was sie am Telefon sagen sollten und was besser nicht. Ein Beispiel: „Statt zu sagen, dass sie den Kollegen leider nicht erreichen können, sollten sie schauen, wer alternativ zu erreichen ist, und das auch so kommunizieren“, sagt Lösch. Wichtig sei zudem eine hohe Kritik- und Stressresistenz, ergänzt Markus Suttner von der Raiffeisenbank Hochfranken West. Beispielsweise müssen die Mitarbeiter im KDC als erster Ansprechpartner auch mal den Ärger der Kunden ausbaden, obwohl sie persönlich nichts dafür können. „Da braucht es Strategien gegen den Stress“, sagt Suttner. Das können zum Beispiel regelmäßige Pausen, eine gute Selbstorganisation und klare Zuständigkeiten sein.
Bei diesem Vorgehen wird auch der jeweilige Wissensstand beziehungsweise die bereits vorhandene Erfahrung der Mitarbeiter berücksichtigt. Claudia Lösch vom GVB macht das an einem Beispiel deutlich: „Eine Mitarbeiterin der Raiffeisenbank hat durch eine frühere Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber viel Erfahrung im Bereich Videoberatung gesammelt. Sie sollte also kein Seminar besuchen, wo sie lediglich die Grundlagen wiederholt, die sie bereits kennt. Viel sinnvoller ist es, sie in anderen Bereichen zu schulen“, sagt Lösch. Die Raiffeisenbank Hochfranken West kann ihre KDC-Mitarbeiter somit sehr gezielt weiterbilden. Das ist ein großer Vorteil.
Im Rahmen des Workshops stellt Claudia Lösch zudem Vorlagen für Personalgespräche zur Verfügung. Anhand dieser sogenannten Qualifikationsmatrix oder Soll/Ist-Analyse können die Führungskräfte abgleichen, inwieweit die Mitarbeiter ihre Ziele erreicht haben und welche Kompetenzen sie in den kommenden Monaten erlernen sollen. „Damit ist sichergestellt, dass die Ressourcen jederzeit sinnvoll eingesetzt sind“, betont Lösch.
In der Praxis schätzen zuerst die Mitarbeiter ihre eigenen Leistungen ein, anschließend geben die Vorgesetzten ihr Urteil ab. „Mit diesem Vorgehen haben wir gute Erfahrung gemacht, meistens ist die Eigen- und Fremdeinschätzung deckungsgleich“, sagt Suttner. Er ist sehr zufrieden mit dem bisherigen Vorgehen: „Es war absolut sinnvoll, das Projekt in Kooperation mit dem GVB vernünftig zu planen und sich Zeit zu nehmen, um Themen wie die Reifegrade oder die Kompetenzanforderungen sauber zu durchdenken. Dadurch konnten wir unser KDC strukturierter, schneller und mit einer hohen Qualität aufbauen. Ich kann dieses Vorgehen nur weiterempfehlen“, sagt er.
Leistungen der ABG
Die Akademie Bayerischer Genossenschaften (ABG) bietet den bayerischen Genossenschaften Unterstützung beim Aufbau eines KDC an. Ein Überblick über die Leistungen gibt es auf der Webseite der Akademie. Zudem gibt es Seminare, Webinare und Erfahrungskreise, die speziell das Themenfeld Videoberatung abdecken.