Prävention: Warum wir einen Reset der Debatte um die europäische Einlagensicherung brauchen. Ein Beitrag von GVB-Präsident Jürgen Gros.
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- „Inakzeptabler Markteingriff“: Medien greifen Kritik des GVB an Dispodeckel auf
- Interview mit dem „Main-Echo“: Maßanzug statt Massenware in der Bankberatung
- Gesetzliche Klarstellung für virtuelle General- und Vertreterversammlungen auf dem Weg
- GVB-Standpunkt: Der digitale Finanzmarkt braucht faire Spielregeln
- Nachhaltigkeit: Bayerische Finanzwirtschaft setzt sich für praxistaugliche Regeln ein
- GVB fordert: Nachhaltigkeitsberichte verhältnismäßig ausgestalten
- EU-Abwicklungsregime: Genossenschaftlicher Institutssicherung Rechnung tragen
- EU-Kommission legt Agenda zur besseren Rechtsetzung vor
- Umsatzsteuerliche Ungleichbehandlung von Finanzverbünden beenden
„Inakzeptabler Markteingriff“: Medien greifen Kritik des GVB an Dispodeckel auf
Die Verbraucherschutzminister der Länder haben die Bundesregierung aufgefordert, die Dispozinsen zu deckeln. Diese sollen „deutlich unter dem gegenwärtigen durchschnittlichen Zinsniveau“ liegen. Dieses Ansinnen trifft beim Genossenschaftsverband Bayern (GVB) auf völliges Unverständnis. Dadurch würden marktwirtschaftliche Strukturen ausgehebelt, so GVB-Präsident Jürgen Gros in einer Pressemitteilung. „Die Politik hat hier vermeintlich den Verbraucherschutz im Fokus, verkennt aber völlig die Realität und erweist den Bankkunden einen Bärendienst.“ Die jetzige Entscheidung zur Deckelung könnte für Verbraucher unbeabsichtigte Konsequenzen haben: „Wer könnte es den Banken verdenken, wenn sie unter diesen Umständen gar keine Dispos mehr anbieten?“, warnte Gros.
Die Position des GVB wurde unter anderem von der „Börsen-Zeitung“ (Artikel kostenpflichtig lesen) und der „Bild am Sonntag“ aufgegriffen. Eine Deckelung der Dispozinsen ist aus Sicht der Verbraucherschutzminister notwendig, um Verbraucher davor zu schützen, sich durch hohe Zinsen für Dispositions- und Überziehungskredite zu überschulden, heißt es in dem Beitrag der „Börsen-Zeitung“. Der GVB lehne diesen Vorstoß ab. „Ein derart weitreichender Markteingriff ist in keiner Weise gerechtfertigt oder gar zu akzeptieren“, wird GVB-Präsident Jürgen Gros zitiert.
„Die Verbraucherschutzminister wollen den meist extrahohen Dispozins deckeln. Klingt gar nicht schlecht – doch ist es auch gut?“, fragt die „Bild am Sonntag“ (Printausgabe). Für den GVB sei der Deckel inakzeptabel, berichtet das Blatt. Wenn Banken unter diesen Umständen gar keine Dispos mehr anbieten, würden Verbraucher so Kredithaien mit „Wucherkonditionen“ in die Arme getrieben. Die „Bild am Sonntag“ schreibt aber auch, dass die Dispozinsen seit 2008 um fünf Prozentpunkte gefallen sind und beruft sich dabei auf die Bundesbank.
In einem GVB-Standpunkt hat der Verband Argumente zur Versachlichung der Debatte zusammengetragen. Dass die Zinsen beim Dispo-Kredit höher sind als beim klassischen Ratenkredit, liegt vor allem an seiner Funktion: Kunden nutzen ihren Dispo-Rahmen als flexible und kurzfristige Überbrückung. Für Banken sind solche Kredite deshalb schwer planbar, außerdem müssen sie zusätzliche regulatorische Auflagen erfüllen. Daher ist der Dispokredit kostenintensiver. Bankkunden haben zudem grundsätzlich jederzeit die Option, ihren Dispokredit auf einen günstigeren Ratenkredit umzuschulden.
Interview mit dem „Main-Echo“: Maßanzug statt Massenware in der Bankberatung
In einem Interview mit dem „Main-Echo“ (Bezahlschranke) hat GVB-Präsident Jürgen Gros über aktuelle Herausforderungen für Genossenschaften gesprochen – und warum er felsenfest davon überzeugt ist, dass die Genossenschaftsidee zukunftsfähig ist. Als Beispiel nannte er den Klimawandel. Der GVB beobachte insbesondere bei genossenschaftlichen Nahwärmeprojekten ein reges Gründungsgeschehen. Auch seien die Genossenschaftsbanken in Bayern gerade in Krisenzeiten widerstandsfähig: „Volksbanken und Raiffeisenbanken haben die Tradition von bald 200 erfolgreichen Jahren – und die Stabilität, die sich aus diesen 200 Jahren Erfahrung ergibt.“ Für die meisten Menschen sei in jungen Jahren Stabilität in finanziellen Fragen noch kein großes Thema, gab Gros ein Beispiel. Das ändere sich aber im Verlauf des Lebens: „Wo mache ich meine Baufinanzierung? Wer geht mit mir systematisch alle Lebensrisiken durch? Wie sichere ich meine junge Familie ab? Wenn diese Fragen lebensprägend werden, kommen viele zu den Genossenschaftsinstituten, weil sie merken, dass sie für ihre finanziellen Bedürfnisse einen Maßanzug und keine Massenware brauchen“, sagte Gros.
Gesetzliche Klarstellung für virtuelle General- und Vertreterversammlungen auf dem Weg
Die Bundesregierung will gesetzlich klarstellen, dass virtuelle General- und Vertreterversammlung von Genossenschaften zulässig sind. Die Klarstellung war notwendig geworden, weil das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem Urteil vom 26. März 2021 Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit einer virtuellen Durchführung geäußert hatte. Der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) und der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) hatten daraufhin beim Bundesjustizministerium auf eine Nachbesserung der gesetzlichen Grundlagen im COVID-19 Abmilderungsgesetz (COVMG) gedrängt.
Auch der GVB hatte sich gegenüber dem Bayerischen Justiz- und dem Bayerischen Wirtschaftsministerium für eine rasche Lösung im Interesse der Genossenschaften eingesetzt. Der Bayerische Justizminister Georg Eisenreich wandte sich daraufhin ebenso an das Bundesjustizministerium. Die gemeinsamen Bemühungen zeigen nun Erfolg: Die Bundesregierung will in den nächsten Wochen kurzfristig eine Gesetzesänderung auf den Weg bringen. Diese soll rückwirkend auch für alle virtuellen General- und Vertreterversammlungen ab dem 28. März 2020 gelten. Damit wird einem möglicherweise bestehenden Rechtsrisiko entgegengewirkt. Über den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens und die Inhalte wird der GVB frühzeitig informieren. Der GVB hat seine Mitglieder darüber bereits in einer Vorstandsinformation (nur für Mitglieder) unterrichtet.
GVB-Standpunkt: Der digitale Finanzmarkt braucht faire Spielregeln
Im Gegensatz zu klassischen Finanzinstituten unterliegen viele Fintechs oder Finanztöchter großer Digitalkonzerne bislang entweder keiner oder nur geringer Regulierung. Diese regulatorische Sonderbehandlung ist nicht angezeigt. Deshalb fordert der Verband in einem neuen GVB-Standpunkt, dass der Grundsatz „Gleiches Geschäft, gleiche Risiken, gleiche Regeln“ im Finanzsektor gelten muss. Das schafft Vertrauen, verbessert den Verbraucher- und Datenschutz und sorgt für faire Wettbewerbsbedingungen. Außerdem gilt es, die Verpflichtung zur Öffnung von Schnittstellen auch für diese neuen Finanzunternehmen durchzusetzen. Bisher werden Banken einseitig zur Öffnung verpflichtet, während bestimmte Anbieter wie Bigtechs häufig als „Gatekeeper“ agieren. Das heißt, sie monopolisieren den Zugang zum Kunden und ihrer Infrastruktur und vereinen damit enorme Marktmacht auf sich.
Nachhaltigkeit: Bayerische Finanzwirtschaft setzt sich für praxistaugliche Regeln ein
Welche politischen Rahmenbedingungen braucht die Finanzwirtschaft, um zum Klimaschutz und zur Nachhaltigkeit beizutragen? Das war die zentrale Frage im Gespräch der Finanzplatz München Initiative (fpmi) mit dem bayerischen EU-Finanzpolitiker Markus Ferber, an dem auch der GVB teilnahm. Die Vertreter der fpmi machten deutlich, dass Banken und Versicherer in Bayern große Anstrengungen unternehmen, um die politisch gesteckten Nachhaltigkeitsziele zu erfüllen. Allerdings bräuchte die Finanzwirtschaft einen entsprechenden Rahmen: Die Sustainable Finance-Regeln müssten einfach anzuwenden und umzusetzen sein. Genau daran mangele es jedoch. So seien Hunderte von Seiten Nachhaltigkeitsstandards aus der EU-Taxonomie für mittelständische Unternehmen und Banken kaum umzusetzen. Für diese brauche es einfachere Regeln. Darin waren sich die fpmi und Markus Ferber einig.
Kritik übte die fpmi an Überlegungen der EU, die Eigenkapitalvorschriften für den Klimaschutz zu lockern. Diesen Plänen erteilte ebenfalls Ferber eine Absage. Nach seiner Aussage habe die EU-Kommission einen „Green Supporting Factor“, also Eigenkapitalerleichterungen für grüne Kredite, oder einen sogenannten „Brown Penalizing Factor“, und damit Eigenkapitalerhöhungen für braune Kredite, zurückgestellt. Die fpmi ist ein Zusammenschluss von Akteuren der bayerischen Finanzwirtschaft. Neben dem GVB sind in der fpmi weitere Bankenverbände, die Versicherungswirtschaft, Wirtschaftsverbände und -kammern, die bayerischen Landes- und Förderbanken sowie die Staatsregierung vertreten. Einen Überblick über die Arbeit der fpmi gibt eine gerade erschienene Imagebroschüre.
GVB fordert: Nachhaltigkeitsberichte verhältnismäßig ausgestalten
Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für eine neue Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) vorgelegt. Gegenüber dem Bayerischen Wirtschaftsministerium sowie der Industrie- und Handelskammer hat sich der GVB zu dem Vorschlag geäußert: Grundsätzlich begrüßt der Verband den Antritt, Investitionen in grüne Projekte transparent zu machen und sogenanntes „Greenwashing“ zu vermeiden. Allerdings besteht bei dem aktuell vorgelegten Vorschlag insbesondere die Gefahr, durch enorme bürokratische Hürden und Vorgaben diese Entwicklung eher zu hemmen denn zu fördern. Konkret fordert der GVB eine proportionale Behandlung der Unternehmen, die von den neuen Berichtspflichten betroffen sein werden. So dürfe eine Regionalbank mit wenigen Dutzend Mitarbeitern nicht mit international agierenden Finanzinstituten gleichgesetzt werden. Daher sollte bei Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern von einer Ausweitung umfangreicher Berichtspflichten abgesehen werden.
EU-Abwicklungsregime: Genossenschaftlicher Institutssicherung Rechnung tragen
Die europäischen Abwicklungs- und Sanierungsregeln für strauchelnde Banken werden reformiert. Die EU-Kommission erwägt, auch kleine und mittlere Banken dem EU-Abwicklungsregime zu unterstellen. Damit könnten auch genossenschaftliche Institute künftig direkt oder indirekt von der EU-Abwicklungsbehörde SRB überwacht werden. Gegen solche Überlegungen stellt sich der GVB in einem neuen GVB-Standpunkt. Der Verband fordert, der Institutssicherung Rechnung zu tragen: Das System wirkt präventiv und sorgt somit für Stabilität. Die Institutssicherung greift ein, bevor es überhaupt zur Abwicklung oder Insolvenz kommt. Eine Ausweitung der europäischen Abwicklungsregeln auf die Volksbanken und Raiffeisenbanken ist daher nicht angezeigt. Die Banken sollten stattdessen weiterhin unter nationaler Aufsicht verbleiben und die vereinfachten Anforderungen an die Abwicklungsplanung erfüllen, so der Verband. Zudem spricht sich der GVB für eine Entlastung der Banken bei Zahlungen in den EU-Abwicklungsfonds SRF aus. Die Mitgliedschaft in einem Institutssicherungssystem sollte beitragsmindernd angerechnet werden. Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken zahlen jährlich rund 13 Millionen Euro an Beiträgen in den Abwicklungsfonds.
EU-Kommission legt Agenda zur besseren Rechtsetzung vor
Viele Unternehmen und Bürger empfinden das EU-Recht als zu bürokratisch und unübersichtlich. Nun hat die EU-Kommission ihre Agenda zur besseren Rechtsetzung vorgelegt, um der Entwicklung gegenzusteuern. Kernstück ist die Einführung des sogenannten „One in, one out“-Ansatzes. Dabei soll für jede neue Regulierung die Belastung für Unternehmen ermittelt werden und andere Belastungen in ähnlichem Umfang im selben Bereich wegfallen. Spezielle Aufmerksamkeit will die Kommission dabei der Entlastung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) schenken. Die „One in, one out“-Regelung will die Kommission im zweiten Halbjahr 2021 in einem Pilotprojekt starten. Danach soll sie für alle relevanten neuen Gesetzgebungsprojekte angewendet werden. Der GVB begrüßt den Vorschlag der EU-Kommission ausdrücklich. Der Verband hatte sich in seinen Positionen zur Europawahl für ein einfacheres und transparentes EU-Recht ausgesprochen und die Kommission aufgefordert, ihre Bestrebungen in diesem Bereich zu verstärken. Entscheidend ist aus Sicht des Verbands, dass die „One in, one out“-Regel in allen Gesetzgebungsbereichen umgesetzt wird.
Umsatzsteuerliche Ungleichbehandlung von Finanzverbünden beenden
Ein führender EU-Abgeordneter aus Bayern hat sich an den europäischen Finanzkommissar Paolo Gentiloni gewandt und eine Gleichbehandlung von Finanzverbünden und Konzernen bei der Umsatzsteuer gefordert. In Finanzverbünden organisierte Banken müssen die volle Umsatzsteuer auf Dienstleistungen entrichten, die sie an Verbundunternehmen ausgelagert haben. Konzernbanken können Konzern-interne Leistungen hingegen umsatzsteuerfrei erwerben. Diese Ungleichbehandlung solle bei der anstehenden Überarbeitung der EU-Mehrwertsteuerregeln beseitigt werden, fordert der EU-Abgeordnete in seinem Schreiben an Gentiloni. Dazu sollte der sogenannte steuerfreie Zusammenschluss explizit auch für genossenschaftliche Finanzinstitute geöffnet werden. Der Verband war zuvor im Austausch mit dem Abgeordneten und hatte für eine Nachbesserung der Regeln geworben. Die Position des Verbands ist in einem GVB-Standpunkt zusammengefasst. Die EU-Kommission erwägt aktuell Änderungen an der EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Mit einem Gesetzesvorschlag wird im Laufe des Jahres gerechnet.
Daniel Fischer ist Experte für Politik- und Regierungsbeziehungen beim Genossenschaftsverband Bayern.
Felix Ehrenfried ist Referent Verbandspolitik beim Genossenschaftsverband Bayern.
Florian Christner ist Leitender Redakteur von „Profil – das bayerische Genossenschaftsblatt“.