Idealisten: Die Brauereigenossenschaften besetzen eine Nische im Freistaat. Welche gibt es und was macht sie besonders?
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Ismaning: Engpässe, weil das Leergut ausging
Im Zentrum von Ismaning liegt ein Duft von Steckerlfisch und Bratwurst in der Luft. Schon aus der Ferne ist Blasmusik zu hören. Zahlreiche Menschen strömen zusammen, viele tragen Tracht. Ihr Ziel ist an diesem frühsommerlichen Christi-Himmelfahrtstag der Hainplatz. Dort präsentiert die Brauereigenossenschaft Ismaning zum ersten Mal ihr neues Weißbier.
Beim Ausschank bildet sich eine lange Schlange. 9.000 Liter haben die Genossen in der Schloßbrauerei Au-Hallertau brauen lassen. „Wenn es so weitergeht, hoffe ich, dass es noch bis nächste Woche reicht“, sagt Vorstand Günter Glasner bereits eine Stunde nach Veranstaltungsbeginn. „Süffig“, „wohlbekömmlich“ und „verdammt gut“, sind nur einige der positiven Attribute, die die Besucher dem neuen Weißbier zuschreiben. Man merkt: Viele Ismaninger sind stolz darauf, dass ihnen die Brauerei gehört.
Die Brauereigenossenschaft Ismaning existiert seit rund einem Jahr. Ihre Feuerprobe bestand sie Ende Juni 2017, als sie ihr Helles bei der Gründungsveranstaltung präsentierte. Glasner erinnert sich gut an die Anfangstage: „Wir waren aufgeregt, ob sich genug Menschen für das Projekt interessieren.“ Er und die anderen Mitglieder der ersten Stunde hatten gehofft, bis zum Ende des vergangenen Jahres 20.000 Liter Bier zu verkaufen. Es wurden 50.000 Liter – und es hätten noch mehr sein können: „Wir hatten Lieferengpässe, weil uns das Leergut ausging“, sagt der Vorstandsvorsitzende Christian Dobmaier.
Mittlerweile hat die Brauereigenossenschaft investiert. Nun verfügt sie über 4.700 Bierträger für Halbliter-Flaschen sowie 3.000 für 0,33-Liter-Flaschen. Dazu kooperiert sie mit einem lokalen Getränkehändler. Das Interesse am Ismaninger Bier zeigt sich aber nicht nur am Absatz, sondern auch am Zulauf der Mitglieder: 650 Genossen halten mittlerweile rund 1.250 Anteilen à 250 Euro, das am weitesten entfernt lebende Mitglied wohnt in Australien.
Je mehr Bier die Ismaninger trinken, desto näher kommt die Genossenschaft ihrem Fernziel. „Irgendwann einmal wollen wir eine eigene Brauerei besitzen“, sagt Dobmaier. Bis dahin ist es, Stand heute, aber noch ein weiter Weg. Denn eine passende Immobilie und die Ausrüstung würden mehrere 100.000 Euro kosten.
Schleißheim: Anknüpfen an eine jahrhundertealte Brautradition
Auch die Idee zu einer Brauerei kann aus einer Bierlaune entstehen. So zum Beispiel bei der Sonnenwendfeier Ende 2017 in Lustheim, einen Ortsteil von Oberschleißheim. Beim Fest gingen die Getränke aus. Doch einer der Gäste half mit selbstgebrautem Bier aus. „Da war das Thema sofort gefunden: Ein eigenes Bier in Schleißheim brauen, das wär’s doch“, erinnert sich Sandra Kunstwadl. Rund elf Monate später ist aus der Idee Realität geworden: Im April 2018 haben 23 Bürger die Brauereigenossenschaft „Remonte-Bräu Schleißheim“ gegründet.
Die Genossen knüpfen an eine jahrhundertealte Brautradition an. In Oberschleißheim wurde über 300 Jahre – von 1598 bis 1912 – ein eigenes Bier hergestellt. Die Produktion fand im zum Schloss gehörigen Wilhelmshof statt. Selbst als das königlich-bayerische Kriegsministerium das Gut im Jahr 1840 erwarb, wurde die Braukunst fortgeführt. Da das Militär in der Schlossanlage Pferde aufzog und trainierte – der französische Fachausdruck hierfür lautet Remonte – hieß der Betrieb fortan „Königliche Remonte-Depot-Brauerei Schleißheim“. Der Name „Remonte-Bräu“ greift die Geschichte bewusst auf.
Bis zur Gründung mussten die Initiatoren einige Hürden überspringen. „Wir sind eine bunte Gruppe mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen. Deswegen haben wir zunächst Werte gesucht, mit denen sich jeder identifizieren kann“, sagt Vorständin Kunstwadl. Aus den Diskussionen entstanden die Prinzipien Geselligkeit, Tradition, Qualität und Genuss, für die alle Mitglieder einstehen wollen.
Die Entscheidung für die Rechtsform Genossenschaft fiel, weil sie mit den selbst gesteckten Werten perfekt vereinbar ist. „Wir wollen ein Bier von Schleißheimern für Schleißheimer machen, ein Bürgerprojekt eben. Und da passt die Genossenschaft einfach am besten“, sagt Kunstwadl. Hinzu kamen die positiven Erfahrungen der anderen jüngst gegründeten Brauereigenossenschaften. Beispielsweise tauschten sich die Schleißheimer Gründer mit den Ismaninger Vorständen aus. „Dort herrscht eine enorme Euphorie, die uns angesteckt hat“, sagt Kunstwadl. Die Begeisterung hat sich nun auch auf Schleißheim übertragen: Binnen einer Woche nach der Gründung haben zahlreiche Menschen nachgefragt, wie sie das Projekt unterstützen können.
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Für die Bierproduktion greift die Remonte-Bräu ebenfalls auf genossenschaftliche Erfahrung zurück. Da sie noch keine eigene Braustätte besitzt, lässt sie das Bier bei der Privat-Brauerei Gut Forsting eG östlich von München produzieren. Das Rezept ist angelehnt an das historische Vorbild: Früher wurde in Schleißheim das sogenannte Braunbier hergestellt, ein unfiltriertes Kellerbier. Mit der Produktion soll es im Sommer losgehen. Derzeit kümmern sich die Mitstreiter der Remonte-Bräu darum, Flaschen, Gläser, Kästen und Kronkorken anzuschaffen.
Bis Ende des Jahres wollen die 23 Gründer rund 100 Mitglieder gewinnen. Mit 11.000 Einwohnern in Oberschleißheim und 29.000 Einwohnern in Unterschleißheim klingt das machbar. Weit in der Ferne liegt dafür ein anderer Wunsch: Die Genossen träumen davon, irgendwann einmal das Bier wieder in Schleißheim zu brauen – am besten natürlich in der historischen Schlossbrauerei. „Wir sind total davon überzeugt, dass unser Projekt zu einem Erfolg wird“, sagt Kunstwadl.
Junge Brauereigenossenschaften
Bier brauen in der Rechtsform Genossenschaft: Seit 2016 hat sich in jedem Jahr eine neue Brauereigenossenschaft gegründet. Den Anfang machte die Brauereigenossenschaft Oberhaching. Sie hat mittlerweile 500 Mitglieder und setzte 2017 rund 60.000 Flaschen Bier ab. „Profil“ berichtete bereits in der Ausgabe 4/2018 über die Oberbayern. Die 2017 eingetragene Brauereigenossenschaft Ismaning hat mitlerweile 650 Mitglieder. Und die in diesem Jahr an den Start gegangene Remonte-Bräu Schleißheim bereitet aktuell ihren ersten Ausschank vor. Die Entwicklung ist damit übrigens nicht zu Ende: Auch in Nürnberg und Regensburg wollen sich engagierte Bürger in einer Genossenschaft zusammenschließen, um gemeinsam Bier zu produzieren. Die Gründungsprozesse laufen und werden vom Genossenschaftsverband Bayern (GVB) begleitet.