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1. Bürgerenergie

Der Gesetzgeber möchte Bürgerenergieakteure bei der Energiewende besserstellen. Geht es nach dem EEG 2023, sollen sogenannte „Bürgerenergiegesellschaften“ künftig bei bestimmten Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Windenergieanlagen von der Ausschreibungspflicht befreit werden.

In § 3 Nr. 15 EEG 2023 wird der Begriff der „Bürgerenergiegesellschaft“ (BEG) gesetzlich definiert. Folgende Kriterien legt der Gesetzgeber an:

  1. Die Bürgerenergiegesellschaft besteht aus mindestens 50 natürlichen Personen als stimmberechtigten Mitgliedern oder Anteilseignern.
  2. Mindestens 75 Prozent der Stimmrechte liegen bei natürlichen Personen, die in dem Landkreis, in dem die Erneuerbare-Energien-Anlage errichtet werden soll, mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet sind. Das gilt gleichlautend für kreisfreie Städte.
  3. Die restlichen maximal 25 Prozent der Stimmrechte liegen bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) oder kommunalen Gebietskörperschaften. Als KMU gelten Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern sowie weniger als 50 Millionen Euro Umsatzerlös oder weniger als 43 Millionen Euro Bilanzsumme.
  4. Keinem Mitglied oder Anteilseigner sind mehr als zehn Prozent der Stimmrechte erlaubt.
  5. Den Stimmberechtigten ist eine tatsächliche Möglichkeit der Einflussnahme auf die Bürgerenergiegesellschaft und die Mitwirkung an Entscheidungen der Gesellschafterversammlung einzuräumen.
  6. Schließen sich bei einem Gemeinschaftsprojekt mehrere Akteure zu einer Bürgerenergiegesellschaft zusammen, so muss jeder einzelne Akteur die gesetzliche Definition einer Bürgerenergiegesellschaft erfüllen.

Erfüllt eine Bürgerenergiegesellschaft die genannten Voraussetzungen, kann sie ein Photovoltaik-Freiflächenprojekt beziehungsweise ein Photovoltaik-Projekt auf einer baulichen Anlage (sogenannte Solaranlagen des ersten Segments) zwischen einem und sechs Megawatt (MW) installierter Leistung oder ein Windprojekt zwischen einem und 18 MW installierter Leistung realisieren, ohne vorher an einer Ausschreibung teilnehmen zu müssen. Jede Bürgerenergiegesellschaft darf allerdings nur einmal alle fünf Jahre eine Solaranlage des ersten Segments oder ein Windprojekt verwirklichen. Das gilt auch für KMU, die Mitglied der Bürgerenergiegesellschaft sind oder Anteile halten, sowie mit ihnen verbundene Unternehmen.

Die privilegierten Projekte werden stattdessen auf Antrag nach einem Fördersatz vergütet, der sich aus den Ergebnissen der entsprechenden Ausschreibungen ergibt. Für Photovoltaik-Freiflächenanlagen erhält die Bürgerenergiegesellschaft den Durchschnitt der höchsten Fördersätze, die bei den entsprechenden Ausschreibungen des Vorjahres vergeben wurden. Für Windprojekte erhält die Bürgerenergiegesellschaft den Durchschnitt der höchsten Fördersätze, die bei den entsprechenden Ausschreibungen für Windprojekte im Vorvorjahr vergeben wurden.

Das „Osterpaket“ von Klimaschutzminister Robert Habeck

Die Bundesregierung hat am 6. April 2022 auf Vorschlag von Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck das sogenannte „Osterpaket“ verabschiedet. Mit ihm sollen verschiedene Energiegesetze umfassend novelliert werden, um so den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen. Bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Energien bezogen werden. Als Nächstes wird sich der Deutsche Bundestag mit dem Osterpaket beschäftigen.

2. Photovoltaik

Laut dem geplanten EEG 2023 soll es für Photovoltaik-Anlagen zukünftig zwei Vergütungskategorien mit teilweise erhöhten Fördersätzen geben: Eigenversorgungs- und Überschuss-Anlagen sowie Volleinspeise-Anlagen. Die neuen Vergütungskategorien sollen schon im Jahr 2022 in Kraft treten.

Die geplanten Vergütungssätze für eigenversorgende und überschusseinspeisende Photovoltaik-Dachanlagen für das Jahr 2022:

  • bis 10 Kilowatt (kW): 6,93 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh),
  • bis 40 kW: 6,85 ct/kWh,
  • bis 750 kW: 5,36 ct/kWh.

Photovoltaik-Anlagen zwischen 300 und 750 kW installierter  Leistung sollen nur 20 Prozent Eigenversorgung erbringen müssen. Für die restlichen 80 Prozent, die ins Netz eingespeist werden, wird bis zum 31. Dezember 2022 eine Marktprämie gezahlt. Zum 1. Januar 2023 will die Bundesregierung diese Regelung vollständig abschaffen. Dann wird sich der Anlagenbetreiber entscheiden müssen, ob die Photovoltaik-Anlage weiter im Eigenversorgungs-/Überschuss-Modell oder im Volleinspeisungs-Modell betrieben werden soll. Die Vergütungssätze bleiben ab 1. Januar 2023 die gleichen, die Grenze soll aber auf 1 MW installierter Leistung angehoben werden. Denn ab 1. Januar 2023 müssen nur noch die Vergütungssätze von Photovoltaik-Anlagen mit mehr als 1 MW per Ausschreibung ermittelt werden.

Die Vergütungssätze für volleinspeisende Photovoltaik-Dachanlagen setzen sich zusammen aus dem Vergütungssatz für eigenversorgende/überschusseinspeisende Photovoltaik-Dachanlagen, der sich um einen gesetzlich festgelegten Wert erhöht.

Die geplanten Vergütungssätze für das Jahr 2022:

  • bis 10 kW = 6,93 ct + 6,87 ct = 13,80 ct/kWh,
  • bis 40 kW = 6,85 ct + 4,45 ct = 11,30 ct/kWh,
  • bis 100 kW = 5,36 ct + 5,94 ct = 11,30 ct/KWh
  • bis 300 kW = 5,36 ct + 4,04 ct = 9,40 ct/kWh.

Die geplanten Vergütungssätze ab dem 1. Januar 2023:

  • bis 10 kW: 6,93 ct + 6,87 ct = 13,80 ct/kWh,
  • bis 40 kW: 6,85 ct + 4,45 ct = 11,30 ct/kWh,
  • bis 100 kW: 5,36 ct + 5,94 ct = 11,30 ct/kWh,
  • bis 400 kW: 5,36 ct + 4,04 ct = 9,40 ct/kWh,
  • bis 1 MW: 5,36 ct + 2,74 ct = 8,10 ct/kWh.

Der Vergütungssatz für Photovoltaik-Freiflächenanlangen und Photovoltaik-Anlagen auf baulichen Anlagen bis 1 MW installierter Leistung soll ab 1. Januar 2023 7,0 ct/kWh betragen. Von allen Vergütungssätzen werden noch 0,4 ct/kWh Managementprämie abgezogen, falls der Photovoltaik-Strom nicht direkt vermarktet wird.

3. Politische Forderungen

Der Kabinettsentwurf zum EEG 2023 enthält erfreulicherweise viele der vom Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) geforderten Maßnahmen wie höhere Ausbaupfade für Photovoltaik- und Windenergie, die (fast) vollständige Nutzung der europäischen De-minimis-Grenzen bei Photovoltaik- und Windausschreibungen für Bürgerenergiegesellschaften und höhere gesetzliche Fördersätze etwa für Photovoltaik-Anlagen, die ihren Strom vollständig ins öffentliche Netz einspeisen (Vollspeiseanlagen).

Trotz dieses Kurswechsels in der Energiepolitik drohen die Maßnahmen jedoch unwirksam zu bleiben, da insbesondere die Vergütungssätze für Photovoltaik-Projekte, die den Strom direkt vor Ort verbrauchen und teilweise ins öffentliche Netz einspeisen (Überschusseinspeisung) nicht erhöht wurden. Die im Kabinettsentwurf enthaltenen Vergütungssätze für die Überschusseinspeisung ermöglichen keine wirtschaftlich sinnvollen Investitionen in diese Photovoltaik-Projekte. Wenn sich die Bundesregierung mehr als die Vervierfachung des Photovoltaik-Ausbaus bis 2026 zum Ziel gesetzt hat, dann muss sie auch die entsprechenden Hebel setzen.

Neben den Vergütungssätzen für die Photovoltaik ist die Definition von Bürgerenergiegesellschaften besonders wichtig für die Geschäftstätigkeit der Energiegenossenschaften. Die Definition bestimmt, wer nicht an Photovoltaik- und Windausschreibungen teilnehmen muss. Das sogenannte Beteiligungsgebiet – also das Gebiet, wo die Bürgerenergiegesellschaft Projekte umsetzen oder sich an ihnen beteiligen darf – ist auf die jeweilige kreisfreie Stadt beziehungsweise den Landkreis begrenzt. Beteiligungen aus dem Nachbarlandkreis sind ausgeschlossen. Außerdem dürfen Bürgerenergiegesellschaften nur ein Projekt in fünf Jahren umsetzen. Enge Beschränkungen bestehen zudem bei Tochtergesellschaften und Zusammenschlüssen. Um der unternehmerischen Praxis der 835 deutschen Energiegenossenschaften gerecht zu werden, muss das Beteiligungsgebiet erweitert, die Beschränkung auf ein Projekt alle fünf Jahre aufgehoben und die Umsetzung über Tochtergesellschaften oder die Zusammenarbeit in Zusammenschlüssen ermöglicht werden.

Gänzlich unbeachtet bleibt im Kabinettsentwurf das von der EU vorgegebene „Energy Sharing“. Schon seit 2018 sieht die EU-Kommission über die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Artikel 22 Abs. 2b) vor, dass die Mitgliedsstaaten das Energy Sharing ermöglichen müssen. Beim Energy Sharing wird der Strom aus den eigenen Erneuerbare-Energien-Anlagen gemeinsam in der Genossenschaft genutzt. Dies ist derzeit nicht wirtschaftlich sinnvoll möglich, weshalb von der Bundesregierung die entsprechenden Rahmenbedingungen noch geschaffen werden müssen.

Die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften wird sich deshalb zusammen mit dem Genossenschaftsverband Bayern (GVB) und den anderen genossenschaftlichen Regionalverbänden im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens insbesondere für folgende Positionen einsetzen:

  1. Die Photovoltaik sollte als Hauptgeschäftsfeld der Energiegenossenschaften insbesondere außerhalb von Ausschreibungen wiederbelebt werden. Dazu braucht es insbesondere erhöhte Vergütungssätze für sogenannte Überschuss- und Volleinspeise-Anlagen.
  2. Die Definition von Bürgerenergiegesellschaften sollte angepasst werden, insbesondere mit Blick auf das zu enge Beteiligungsgebiet, die hohen Auflagen für KMU bei einer Beteiligung und die Beschränkung auf ein Projekt alle fünf Jahre.
  3. Bei Ausschreibungen sollte die Ausnahmeregelung auf Photovoltaik-Dachanlagen mit mehr als 1 MW installierter Leistung ausgeweitet werden.
  4. Die Bundesregierung plant die Einführung eines bundesweiten Risikoabsicherungsfonds für Bürgerenergiegesellschaften. Dieser sollte wie der Bürgerenergiefonds in Schleswig-Holstein umgesetzt werden und für alle Bürgerenergieprojekte im Bereich der erneuerbaren Stromerzeugung, erneuerbaren Wärme, neuen Mobilität, Energieeffizienz und Digitalisierung gelten. In Schleswig-Holstein kann ein Bürgerenergieakteur bis maximal 200.000 Euro Planungskosten und andere Ausgaben innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren als Vorfinanzierung erhalten. Wenn das Projekt erfolgreich ist, muss der Betrag zurückgezahlt werden. Andernfalls muss der Betrag nicht zurückgezahlt werden.
  5. Das Energy Sharing beziehungsweise die genossenschaftliche Mitgliederversorgung sollte zügig eingeführt werden.


René Groß ist Leiter Politik und Recht der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV).

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