Einspruch: Bankenaufseher Andrea Enria drängt auf schärfere Regulierung. Dabei dürfe man aber die Lehren aus dem vergangenen Jahr nicht außen vor lassen, fordert GVB-Präsident Jürgen Gros.
Die genossenschaftliche Institutssicherung ist das weltweit älteste, privat finanzierte Sicherungssystem für Banken. Seit rund 90 Jahren sorgt es dafür, dass noch kein Anleger durch ein strauchelndes genossenschaftliches Bankinstitut Geld verloren hat. Was ist der Kern des Erfolgsmodells und wieso lohnt es sich, es zu bewahren?
Prävention statt Rettungsschirm. Regionalität statt Weltbühne. Klassisches Kreditgeschäft statt Investmentbanking. Die genossenschaftliche FinanzGruppe steht seit Jahrzehnten für Solidität und Stabilität. Das gilt nicht nur für die Kreditgenossenschaften selbst, sondern auch für deren Institutssicherung.
Im Unterschied zu vielen anderen Sicherungssystemen ist die genossenschaftliche Institutssicherung auf Prävention ausgerichtet. Die Institutssicherung ist so konzipiert, dass mögliche Problemfälle schon früh auffallen. Jährliche Stresstests stellen die Bankbilanzen regelmäßig auf den Prüfstand. Damit ist ein Gegensteuern möglich, weit bevor eine sich andeutende Schieflage zum Kollaps führen könnte. Diese Logik und die Praxis der vergangenen Jahrzehnte überzeugt auch die Aufsicht.
Der Präventionsmechanismus ist im sogenannten Institutsschutz der genossenschaftlichen Sicherungssysteme verankert. Zu dem System gehört außerdem – entsprechend europäischer Vorgaben – ein Entschädigungsfonds, der Anlegergelder vor Ausfällen schützt. Jene sind aber durch den präventiven Ansatz des vorgeschalteten Sicherungssystems ohnehin so gut wie ausgeschlossen. Insgesamt geht das genossenschaftliche Sicherungssystem weit über die gesetzlichen Anforderungen hinaus und bietet eine Absicherung, die ihresgleichen sucht. Die Vorteile des präventiven Ansatzes wären durch den Zusammenschluss in einer EU-Einlagensicherung verloren. In einem gemeinsamen Haftungsverbund aller europäischen Kreditinstitute haben Systeme keine Anreize präventiv einzugreifen, wenn Verluste ganz oder teilweise europaweit auf Banken(gruppen) verlagert werden können.
Mit dem genossenschaftlichen Institutssicherungssystem vergleichbare Strukturen gibt es in Europa nur wenige. Neben dem deutschen Sparkassensektor finden sich derartige Einrichtungen lediglich in Österreich, Spanien und seit neuestem in Südtirol. Andere Länder kennen solche Institutssicherungen ebenso wenig wie ein diversifiziertes, regional verwurzeltes Bankensystem, wie es prägend für Deutschland ist.
Regionale, risikoarme, diversifizierte Struktur
Das EU-Recht teilt Banken in verschiedene Gruppen ein, unter anderem in kleine und nicht komplexe Banken. An Kreditinstitute dieser Kategorie werden abgestufte regulatorische Anforderungen gestellt, weil von ihnen keine Gefahr für die Finanzstabilität ausgeht.
In die Kategorie der kleinen und nicht komplexen Banken gehört knapp die Hälfte der Volksbanken und Raiffeisenbanken. In Bayern gibt es 222 Volksbanken und Raiffeisenbanken – deutschlandweit sind es etwas mehr als 800. Der Ausfall einzelner Banken bringt das Gesamtsystem der genossenschaftlichen Institutssicherung nicht in Schieflage. Der Mix aus kleinen und nicht komplexen Instituten, größeren Häusern und genossenschaftlichen Spezialbanken sorgt für Stabilität im System. Die genossenschaftliche Institutssicherung ist hoch diversifiziert. Die Struktur aus kleinen und nicht-komplexen Regionalbanken wirkt damit risikomindernd für das genossenschaftliche Institutssicherungssystem. Das hat auch die Praxis gezeigt: In der Finanzkrise 2008/2009 kam es bei kleinen und nicht komplexen Instituten in Deutschland, wie den Genossenschaftsbanken, zu keinen Ausfällen, wohingegen der Staat bei größeren Banken einspringen musste, um eine Schieflage zu verhindern.
Hinzu kommt: Genossenschaftsbanken haben einen geringen Bestand an notleidenden Forderungen. Möglich macht das unter anderem ihre regionale Struktur. Die Banken kennen ihre Kunden und die regionalen Wirtschaftsbeziehungen sehr genau. Dadurch können sie Risiken gut einschätzen. Das bedeutet, dass auch die durch das Sicherungssystem abgesicherten Risiken gering sind. Zudem trägt die regionale Herkunft der Einlagen zum risikoarmen Geschäftsmodell der Kreditgenossenschaften bei.
Überdurchschnittlich gute Finanzausstattung
Die Risiken der in der genossenschaftlichen Institutssicherung zusammengeschlossenen Banken sind gering und das Sicherungssystem ist finanziell überdurchschnittlich gut ausgestattet. Sollte also tatsächlich einmal der Entschädigungsfall eintreten, ist das genossenschaftliche Sicherungssystem leistungsfähig. Zudem übertrifft seine Ausstattung die gesetzlichen Anforderungen.
Geringes Risiko aufgrund regionaler Strukturen, Prävention, gut gefülltes Sicherungssystem – das alles macht die Gesamtstruktur der genossenschaftlichen Einlagen- und Institutssicherung so stabil und robust. Dazu kommt noch einer weiterer Punkt: Sollte es doch einmal zum unwahrscheinlichen Fall einer Abwicklung kommen, liegt diese in nationaler Hand. Die überwiegende Mehrzahl genossenschaftlicher Institute unterliegt – anders als Großbanken – nationaler Aufsicht. Eine ebenfalls nationale Einlagensicherung gewährleistet somit eine Einheit von Kontrolle, Haftung und Abwicklung.
Reset der Debatte um europäische Einlagensicherung
Die genossenschaftliche FinanzGruppe verfügt über eines der stabilsten und leistungsfähigsten Sicherungssysteme, bei überschaubaren Risiken. Sie kann daher aus eigener Kraft heraus für die Sicherheit ihrer Einlagen bürgen. Allen voran der präventive Charakter der genossenschaftlichen Institutssicherung könnte beispielhaft für andere Sicherungssysteme stehen.
Angesichts der Stabilität der Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie deren Institutssicherungssystems ist es dringend geboten, die Debatte um eine europäische Einlagensicherung auf ihren Kern zurückzuführen. Es darf bei einer europäischen Lösung nicht zu einem Transfer von Finanzmitteln von soliden Banken zu weniger soliden Instituten kommen. Vielmehr geht es darum, unter Wahrung von Subsidiarität und Marktwirtschaft Sicherungssysteme zuzulassen beziehungsweise zu schaffen, in welchen nicht der Steuerzahler für marode Banken aufkommen muss.
Die gegenwärtige Debatte um eine europäische Einlagensicherung braucht einen sofortigen Reset, um sie wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das, was national funktioniert sowie harten präventiven und einlagensichernden Kriterien genügt, sollte eigenständig bestehen dürfen. Das, was an Instituten diesen Kriterien nicht freiwillig genügt und paneuropäisch tätig ist, soll in einem entsprechenden Sicherungssystem zusammengefasst werden. Ein solches Vorgehen wäre nicht nur in mehrfacher Hinsicht sachgerecht, es würde zudem den Wettbewerb um sichere Einlagensysteme anspornen. Zum Nutzen der Kunden.
Dieser Gastbeitrag ist zuerst in der Börsen-Zeitung vom 17. April 2021 (Print) erschienen. Der Beitrag ist auch online verfügbar (Bezahlschranke).
Dr. Jürgen Gros ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Er twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn.