Registerpflicht: Energiegenossenschaften müssen ihre Anlagen neuerdings im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur erfassen. „Profil“ beantwortet die wichtigsten Fragen.
Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Energiegenossenschaften in Deutschland haben sich in den vergangenen Monaten unterschiedlich entwickelt. Weil die Herstellungskosten für Solaranlagen insgesamt gesunken sind, konnten die Unternehmen ihre Projekte auch in 2018 mit einer geringeren Einspeisevergütung wirtschaftlich gestalten. Allerdings wurde dieser Schwung durch die im Energiesammelgesetz beschlossenen Sonderkürzungen bei der EEG-Vergütung für neue Photovoltaik-Dachanlagen jäh ausgebremst. Weil sich plötzlich die Kalkulationsgrundlage geändert hatte, mussten sich einige Energiegenossenschaften von bereits fertig geplanten Vorhaben wieder verabschieden.
Ebenso beteiligten sich die Energiegenossenschaften bundesweit kaum noch an der Ausschreibung von Erneuerbare-Energien-Anlagen. Bei der Photovoltaik gaben sie 2018 keine direkten Gebote ab, bei der Windenergie erhielten nur drei Energiegenossenschaften den direkten Zuschlag für ihr Vorhaben, aber 334 Unternehmen anderer Rechtsformen. Das zeigt, dass die Akteursviefalt beim Ausbau der erneuerbaren Energien durch Ausschreibungen gefährdet ist. Dabei ist der Erhalt der Akteursvielfalt ein wesentliches Ziel der Bundesregierung und unter anderem im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien festgelegt – gerade auch bei Bieterrunden für große Solar- und Windanlagen.
Grundsätzlich wollen die Koalitionäre in Berlin Genossenschaften und damit auch Energiegenossenschaften als „nachhaltige und krisenfeste Unternehmensform“ stärken. Außerdem soll der Regulierungsrahmen im Bereich der Verteilnetze weiterentwickelt werden, um Investitionen in die digitale Lösungen anzureizen. Und die Netzentgelte auf Verteilnetzebene sollen reformiert werden. Was ist bereits passiert?
Reform des EEG
Das erste von zwei Gesetzgebungsverfahren zur Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wurde bereits vor der Sommerpause 2018 abgeschlossen. Einziger Inhalt war die Verlängerung der Bundesimmissionsschutzgenehmigung als verpflichtende Voraussetzung für die Teilnahme an Windausschreibungen. Diese Regel gilt bis zum Gebotstermin 1. Juni 2020. Das Einheitspreisverfahren für Bürgerenergiegesellschaften in § 36 g EEG bleibt erhalten.
Das zweite Gesetzgebungsverfahren, das Energiesammelgesetz, trat am 21. Dezember 2018 in Kraft. Die im Kabinettsbeschluss vorgeschlagene Sonderkürzung für Photovoltaik-Dachanlagen im Leistungsbereich von 40 bis 750 Kilowatt war eine böse Überraschung für die Energiegenossenschaften. Die durch die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften eingebrachte Forderung nach Streichung der Sonderkürzungen wurde nicht umgesetzt. Zwar folgte die Bundesregierung grundsätzlich der Argumentation, dass die Kurzfristigkeit und Höhe der Sonderkürzungen eine Gefährdung des energiegenossenschaftlichen Kerngeschäfts bedeutet. Allerdings einigte sich die Regierungsfraktion politisch nur auf eine Abschwächung der vorgesehenen Sonderkürzungen. Diese sind bis 1. April 2019 stufenweise in Kraft getreten. Die Kürzung des Zuschlags für Mieterstromprojekte wurde ebenfalls abgemildert.
Neben den Sonderkürzungen bei der EEG-Vergütung sieht das Energiesammelgesetz Vorgaben zur Nachtkennzeichnung von Windenergieanlagen ab dem 1. Juli 2020 vor, die auch Bestandsanlagen betreffen und bei Nichterfüllung zu einem Wegfall der Marktprämie führen. Ausnahmen kann es bei Windparks unter sechs Windenergieanlagen geben. Bei der Flexibilitätsprämie für Biogasanlagen gibt es einen neuen Deckel. Von 1 Gigawatt waren im August 2018 bereits 736 Megawatt erreicht.
EEG-Novelle 2019
Das EEG wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte erneut novelliert. Um weitere Sonderkürzungen für Photovoltaikanlagen zu vermeiden, kommt es nun darauf an, die fehlende Übereinstimmung zwischen der fachlichen Annahme einer „Überförderung“, mit der die Sonderkürzungen begründet worden waren, und der energiegenossenschaftlichen Praxis herauszuarbeiten. Der „Realitätscheck“ der sehr niedrig angenommenen Betriebs- und Pachtkosten ist daher zentral. Daneben droht auch der Ausbaudeckel für Photovoltaik-Anlagen, der ab einer installierten Gesamtleistung von 52 Gigawatt die Vergütung für alle Neuanlagen bis 750 Kilowatt installierter Leistung aussetzt. Zwar werden die beschlossenen Sonderausschreibungen nicht auf die 52 Gigawatt angerechnet, bei einem anhaltenden Zubau von Photovoltaik-Anlagen dürfte das Limit und damit der komplette Wegfall der EEG-Vergütung für Neuanlagen bis 750 kW aber in absehbarer Zeit erreicht sein.
Die im Energiesammelgesetz enthaltenen Sonderausschreibungen zeigen schon jetzt, dass es der Bundesregierung immer schwerer fällt, die Klimaziele für 2030 zu erreichen. Bei der EEG-Novelle 2019 wird es also auch darum gehen, Ausbaupfade für den bis dahin angestrebten Anteil von 65 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien zu formulieren.
Bürokratische Hürden für Energiegenossenschaften
Welche gesetzlichen und bürokratischen Hürden behindern die bayerischen Energiegenossenschaften in ihrer Geschäftstätigkeit und bei der Planung neuer Projekte? Das will der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) von seinen Mitgliedern wissen und hat dazu eine Umfrage gestartet. Einige Ergebnisse kristallisieren sich in den Antworten bereits heraus.
So stören sich die befragten Energiegenossenschaften insbesondere an planungsrechtlichen Hemmnissen beim Ausbau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Außerdem steht die Ausschreibung für Photovoltaik- und Windkraftanlagen ab einer installierten Leistung von 750 Kilowatt in der Kritik. Weil nur bereits nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigte Projekte zu den Bieterrunden zugelassen sind, müssen die Energiegenossenschaften bei den Planungskosten in Vorlage gehen, ohne zu wissen, ob sie bei den Ausschreibungen zum Zuge kommen. Diese fehlende Planungssicherheit gefährde die Akteursvielfalt beim politisch gewollten Ausbau der erneuerbaren Energien, so die Kritik der Energiegenossenschaften.
Der GVB wird die Anliegen der bayerischen Energiegenossenschaften auswerten und unter anderem in die Arbeitsgruppen des Energiegipfels Bayern einbringen. Dort soll ein Gesamtkonzept für die bayerische Energiepolitik erarbeitet werden. Ziel ist es, den Freistaat mit sauberer und erneuerbarer Energie zu versorgen, die dezentral in Bayern erzeugt wird und damit Wertschöpfung vor Ort schafft. Kontakt: Daniel Caspari, 089 / 2868-3577.
Mieterstrommodelle
Mieterstrommodelle sind relativ komplex und daher bisher eher Nischenmodelle. Zudem war auch Mieterstrom von den Sonderkürzungen durch das Energiesammelgesetz betroffen. So beträgt der Zuschlag seit 1. April 2019 nur noch 0,9 Cent pro Kilowattstunde. Dabei bietet Mieterstrom die Möglichkeit für Energiegenossenschaften, ihre Mitglieder, insofern sie die belieferten Mieter sind, mit Strom aus der eigenen Photovoltaik-Anlage zu beliefern. Es ist wichtig, dass Mieterstrommodelle und die genossenschaftliche Mitgliederversorgung durch die EEG-Novelle 2019 wirtschaftlich ermöglicht werden.
EU-Gesetzespaket „Saubere Energie für alle Europäer“
Neben der im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angestrebten Akteursvielfalt macht auch das europäische Gesetzespaket „Saubere Energie für alle Europäer“ aus Brüssel Hoffnung, dass die Energiegenossenschaften ihre Stellung als wichtige dezentrale Energieversorger und -erzeuger weiter ausbauen können. Das Gesetzespaket wird den Rahmen für die europäische Energiepolitik bis 2030 setzen. Enthalten sind unter anderem die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EE-RL) sowie die Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie (E-RL) und -Verordnung. Diese drei Gesetze haben für Energiegenossenschaften eine hohe Bedeutung. Die Beratungen für die neuen Regeln wurden Ende 2018 abgeschlossen.
Die Ergebnisse sind für Energiegenossenschaften erfreulich. Erstmals wurden Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften beziehungsweise Bürgerenergie-Gemeinschaften gesetzlich definiert und hierfür konkrete Rechte wie zum Beispiel im Bereich der gemeinsamen Nutzung von Energie festgelegt. Das umfasst auch Energiegenossenschaften. Sie fallen unter die gesetzlich definierten Begriffe der Erneuerbaren-Energien-Gemeinschaften (Art. 2 Nr. 16 EE-RL) und der Bürgerenergie-Gemeinschaften (Art. 2 Nr. 7 E-RL).
Die EU-Mitgliedsstaaten müssen diesen Energiegemeinschaften das Recht einräumen, erneuerbare Energien zu erzeugen, zu verbrauchen, zu speichern, zu verkaufen, Stromlieferverträge abzuschließen und erneuerbare Energien, die von eigenen Anlagen produziert werden, innerhalb der Gemeinschaften zu nutzen. Hierzu muss Deutschland bestehende Hindernisse und Potenziale für die Entwicklung solcher Gemeinschaften bewerten. Ziel ist es, einen geeigneten Rahmen zu schaffen, indem etwa nicht gerechtfertigte gesetzliche und bürokratische Hindernisse für Energiegenossenschaften abgeschafft werden.
Chancengleichheit im Wettbewerb
Positiv für deutsche Energiegenossenschaften ist, dass kleine Anlagen weiterhin EEG-Vergütung erhalten beziehungsweise von Ausschreibungen ausgenommen bleiben können. Erfreulich ist auch, dass eigenverbrauchter Strom unter bestimmten Voraussetzungen für Anlagen von gemeinschaftlich handelnden Eigenversorgern mit einer installierten Leistung von weniger als 30 kW nicht mehr mit Abgaben und Gebühren belegt werden darf. Die Richtlinien müssen von Deutschland bis zum 31. Dezember 2020 (Elektrizitätsbinnenmarkt-RL) beziehungsweise bis zum 30. Juni 2021 (Erneuerbare-Energie-RL) in deutsches Recht umgesetzt werden.
Die Umsetzung der EU-Richtlinien in deutsches Recht, die Abschaffung des 52-Gigawatt-Deckels und die wirtschaftliche Umsetzung von neuen Erneuerbaren-Energie-Anlagen werden bei der weiteren Gestaltung des politischen und wirtschaftlichen Rahmens für Energiegenossenschaften zentral sein. Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) vertritt zusammen mit der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften die Interessen seiner Mitglieder zu diesen und anderen Forderungen beziehungsweise wird sich frühzeitig in die politische Meinungsbildung einbringen.
René Groß ist Referent für Energierecht und Energiepolitik der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV). Kontakt: energie(at)dgrv.de