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Frau Schreyer, die bayernweite Aktionswoche „Zu Hause daheim" geht vom 17. bis zum 26. Mai 2019 in die dritte Runde. Welche Ziele verfolgen Sie mit der Aktionswoche und wen wollen sie ansprechen?

Kerstin Schreyer: Ob wir an Angehörige, Freunde, Nachbarn denken oder an unsere eigene Zukunft – das Thema „Wohnen im Alter“ geht uns alle an. Es gibt heute schon so viele gute Ansätze, die eine selbstbestimmte Lebensführung im Alter unterstützen. Das kann zu Hause in einer seniorengerechten Wohnumgebung sein oder auch in einer alternativen Wohnform, in der man unabhängig leben und sich wirklich daheim fühlen kann. Leider sind viele dieser interessanten Konzepte noch zu wenig bekannt. Deshalb ist es für unsere Bürgerinnen und Bürger wichtig, dass die Aktionswoche sowohl bereits bewährten als auch neuen Konzepten rund ums selbstbestimmte Älterwerden eine bayernweite Plattform bietet. Ich möchte alle, die sich dafür interessieren, recht herzlich einladen, sich zu informieren und mitzudiskutieren.

Die Aktionswoche

Die dritte Aktionswoche „Zu Hause daheim“ des Bayerischen Sozialministeriums findet von 17. bis 26. Mai 2019 in ganz Bayern statt. Initiativen und Organisationen bieten etwa 350 Veranstaltungen rund um selbstbestimmtes Wohnen im Alter an. Auf dem Programm stehen Vorträge, Informationstage, Filmabende, Diskussionsrunden und vieles mehr. Weitere Informationen: www.zu-hause-daheim.bayern.de

Warum ist das Thema „selbstbestimmtes Wohnen im Alter“ wichtig?

Schreyer: Es ist deshalb so wichtig, weil sich der weit überwiegende Teil der Menschen wünscht, im Alter so lange wie möglich selbstständig leben zu können, idealerweise im vertrauten Umfeld. Ich glaube, die meisten von uns können das gut nachvollziehen. Hinzu kommt, dass sich die Lebensumstände der Älteren in unserer Gesellschaft wandeln. Ältere Menschen treten heute deutlich selbstbewusster auf als frühere Seniorengenerationen und viele wollen ihr Leben im Alter aktiv angehen und eigenverantwortlich gestalten. Das ist ihr gutes Recht und gesellschaftlich gesehen eine großartige Ressource.

Genossenschaften spielen in Ihren Konzepten für ein selbstbestimmtes Wohnen im Alter eine wichtige Rolle. Was können sie leisten und welche Modelle sehen Sie?

Schreyer: Es sind vor allem die genossenschaftlichen Grundsätze wie Zusammenhalt, gegenseitige Hilfe, Eigeninitiative, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, die immer mehr an Bedeutung gewinnen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung. Wir können an Sozialgenossenschaften sehr gut beobachten, wie erfolgreich die gegenseitige Unterstützung der Mitglieder mehr Unabhängigkeit und Sicherheit, aber auch neue soziale Kontakte in den Alltag älterer Menschen bringt. Das ist bemerkenswert und zeigt: das Genossenschaftsmodell ist sicher auch ein Erfolgsmodell für die Zukunft.

Ihr Haus fördert die Gründung von Sozialgenossenschaften. Warum halten Sie bürgerschaftliches Engagement in der Unternehmensform Genossenschaft für wichtig?

Schreyer: Weil sich so für unsere Bürgerinnen und Bürger neue, zusätzliche Möglichkeiten und Chancen eröffnen. Die Grundidee der Sozialgenossenschaft ist die organisierte bürgerliche Selbsthilfe. Dort setzen sich mehrere Menschen gemeinsam für ein soziales Anliegen ein, werden so zu einem starken Team und erreichen Erfolge, die einer allein nicht schaffen kann. In Eigeninitiative können so maßgeschneiderte Lösungen gefunden werden, die den individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen der jeweiligen Sozialgenossen passgenau entsprechen. Genossenschaften sind auf die Stärkung der Eigenverantwortung ausgerichtet und damit ein solider Baustein bürgerlicher Politik.

Sozialgenossenschaften gründen

Das Bayerische Sozialministerium bietet einen Praxisratgeber zur Gründung von Sozialgenossenschaften an. Dieser wurde grundlegend überarbeitet und aktualisiert. Er wird demnächst in Druck gehen und kann unter sozialgenossenschaften(at)stmas.bayern.de bestellt werden. Auch auf der Webseite der Zukunftsinitiative Sozialgenossenschaften gibt es umfassende Informationen, Checklisten sowie eine Anleitung „Schritt für Schritt zur Gründung“.

Mit welcher Unterstützung Ihres Hauses können die Gründer von Sozialgenossenschaften konkret rechnen?

Schreyer: Im Rahmen der „Zukunftsinitiative Sozialgenossenschaften“ unterstützen wir innovative, modellhafte Sozialgenossenschaften, die für neue Genossenschaftsgründungen als Vorbild dienen und das Potenzial von Genossenschaften für den sozialen Bereich aufzeigen können, mit einer Anschubfinanzierung von bis zu 30.000 Euro pro Genossenschaft. Zudem haben wir zusammen mit dem Expertenrat Sozialgenossenschaften einen Ratgeber zur erfolgreichen Gründung von Sozialgenossenschaften erarbeitet, der praxisnahe Hilfen bietet.

„Sozialgenossenschaften bieten einen verlässlichen Rahmen, demokratische Mitbestimmungsrechte und großen Gestaltungsspielraum.“

Wo sehen Sie im sozialen Bereich weiteres Potenzial für Genossenschaftsgründungen?

Schreyer: Grundsätzlich sind Sozialgenossenschaften in allen sozialen Bereichen denkbar. Es gilt: Immer dann, wenn sich engagierte Menschen zusammenfinden, die ihre soziale Anliegen selbst in die Hand nehmen und eigene, sozusagen maßgeschneiderte Lösungen für ihre speziellen Bedürfnisse finden wollen, sollte die Möglichkeit der Sozialgenossenschaft in Betracht gezogen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein größeres Projekt umgesetzt werden soll. Denn die Organisationsform Sozialgenossenschaft bietet einen verlässlichen und sicheren rechtlichen Rahmen in Verbindung mit demokratischen Mitbestimmungsrechten für alle Mitglieder und großen individuellen Gestaltungsspielraum. Angesichts des demografischen Wandels und sich verändernder Familienstrukturen sehe ich ein besonders großes Potenzial im Bereich des sozialen Zusammenlebens, auch weit über den Seniorenbereich hinaus. Ich denke da zum Beispiel an eine Verbesserung der nahräumlichen Versorgung, vielfältige Möglichkeiten der Teilhabe von Menschen mit Behinderung, soziokulturelle Einbindung oder auch Kinderbetreuung in Randzeiten.
 

Frau Schreyer, vielen Dank für das Gespräch!
 

Kerstin Schreyer (*1971) gehört dem Bayerischen Landtag seit 2008 an. Dort vertritt sie den Stimmkreis München-Land-Süd. Ab März 2017 war sie für ein Jahr Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, ehe sie im März 2018 zur Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales berufen wurde. Schreyer ist studierte Sozialpädagogin und systemische Therapeutin mit Berufserfahrung in der Jugendhilfe, der Erwachsenenpsychiatrie und der Erwachsenenbildung. Von 2003 bis 2008 gehörte sie dem Bezirkstag Oberbayern an. Sie lebt in Unterhaching.

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