Umsatzeinbußen: Unternehmen im Freistaat haben zunehmend Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden. Welche Folgen hat das?
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Themen wie „digitale Geschäftsmodelle“, „branchenübergreifende Ökosysteme“ oder „Service-Transformation“ haben viele Branchen bereits verändert und auch die Banken längst erreicht. Über die letzten Jahre hinweg konnte man verfolgen, mit welch enormer Geschwindigkeit etablierte Unternehmen in diversen Bereichen auf verschärfte und sich stark ändernde Wettbewerbs- und Marktbedingungen reagieren mussten und gezwungen waren, ihr altbewährtes Geschäftsmodell zu überdenken und anzupassen. Das betrifft zum Beispiel den Einzelhandel, der sich auf den stark wachsenden Onlinehandel einstellen musste.
Notwendige Veränderungsprozesse stellen Personal und Organisation vor Herausforderungen
Auch die Bankenwelt transformiert sich zunehmend in ein branchenübergreifendes Ökosystem, in dem integrierte Finanzdienstleistungen, neue regulatorische Anforderungen und technische Innovationen wie die Digitalisierung besonders im Fokus stehen. Doch die zur Transformation notwendigen und komplexen Veränderungsprozesse stellen Banken insbesondere aus personal- und organisationsentwicklungsspezifischer Perspektive vor besondere Herausforderungen: Anpassung der Unternehmensstrategie und -kultur, Entwicklung bislang fehlender Kompetenzen, Implementierung neuer Arbeitsweisen und Prozesse sowie das Aufbrechen tradierter Verhaltens- und Denkweisen sowohl auf Organisations- wie auch auf Team- und Mitarbeiterebene. Doch wie lässt sich der regulatorische Imperativ „Du sollst kein Risiko eingehen!“ vereinen mit dem neuzeitlichen Dogma „Scheitere oft, aber scheitere schnell!“ („fail often, but fail fast“)?
Bei technischen Innovationen handelt es sich um ein zweischneidiges Schwert: Zum einen ermöglichen sie die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und stellen somit eine wichtige Möglichkeit für Banken dar, auf sich verändernde Kunden- und Marktanforderungen zu reagieren und neue Wertschöpfungsbeiträge zu generieren. Zum anderen schreitet die Digitalisierung der Arbeitswelt über den verstärkten Einzug von digitalen Arbeitsprozessen in den Organisationen Tag für Tag voran. Dies hat zur Folge, dass Mitarbeiter sich entsprechend mit diesen neuen Technologien und Prozessen zurechtfinden müssen. Somit werden nicht nur der einzelne Mitarbeiter, sondern auch die Organisation von Personalarbeit (Arbeit 4.0) und Führungskräfte vor unbekannte Herausforderungen gestellt. Doch wie können Banken hier adäquat reagieren?
„Führungskräfte müssen die Mitarbeiter auf Veränderungen vorbereiten und mit den neuen Rahmenbedingungen vertraut machen.“
Voraussetzung für eine erfolgreiche Reaktion auf veränderte Markt- und Kundenbedingungen im Rahmen von digitalen Geschäftsmodellen ist die Implementierung einer ausgeprägten Innovationskultur. Kulturanpassungen gehen stark mit weichen Faktoren einher und erfordern in allererster Linie das Aufbrechen alter Überzeugungen, Werte, etablierter Denk- und Verhaltensweisen sowie Routinen. In Studien konnte gezeigt werden, dass insbesondere Führungskräfte in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen: Diese müssen auf der einen Seite den notwendigen Handlungsdruck in der Organisation klar adressieren und an die Mitarbeiter kommunizieren. Ziel dieser Kommunikation ist es, die Mitarbeiter auf die betroffenen Veränderungen vorzubereiten und mit den neuen Rahmenbedingungen vertraut zu machen.
Auf der anderen Seite müssen Führungskräfte aber auch eine proaktive Rolle bei der Initiierung von Innovationen innerhalb der Banken einnehmen und die neue Kultur mit gutem Beispiel vorleben („leadership by example“). Indem sie geeignete Prozesse wie agiles Projektmanagement, „Scrum“ oder „Hackathons“ sowie Ressourcen und Strukturen bereitstellen, kann die Entwicklung technischer Innovationen von oben herab durch die gesamte Organisation diffundiert werden. Die in Zukunft weiter an Komplexität gewinnenden Aufgaben erfordern zudem eine Interdisziplinarität von unterschiedlichen Teams. Der Begriff steht in diesem Zusammenhang für die sachlich-inhaltliche Verbindung von einzelnen Disziplinen. Im praktischen Alltag bedeutet dies, dass sich unterschiedliche Teams fachübergreifend austauschen mit dem Ziel, einen Mehrwert zu schaffen, der über die Summe der einzelnen Disziplinen hinausreicht.
„Hackathons“ als Plattform für Innovationen
Eine geeignete Plattform für diese Art der Zusammenarbeit und Entwicklung neuer technischer Innovationen bietet der sogenannte „Hackathon“. Dieser Ansatz stammt ursprünglich aus dem Bereich der Software- und Hardwareentwicklung und lässt sich mit dem Konzept der Interdisziplinarität von Teams sehr gut verbinden. Hackathons als Möglichkeit der agilen Projektentwicklung sind mittlerweile ein etabliertes Format im Bereich des Innovationsmanagements. Basierend auf einem vordefinierten Prozess und unter Moderation von Experten können innovative Resultate für schwierige Probleme und Herausforderungen in kürzester Zeit entwickelt werden. Hackathons bestehen unter anderem aus intensiven Phasen des Brainstormings, der Entwicklung und der Evaluierung. Viele große Firmen wie Audi, aber auch die Volksbanken und Raiffeisenbanken unter Federführung der DZ Bank haben diese Art der erfolgreichen Innovationsgenerierung für sich entdeckt.
Damit diese neuen Prozesse, Strukturen und Arbeitsweisen im Alltag auch tatsächlich funktionieren, ist es essenziell, dass Führungskräfte dieses Verhalten auch von ihren Mitarbeitern einfordern und ihnen im gleichen Atemzug Verantwortung, Eigenständigkeit („Empowerment“) und notwendige Mittel übertragen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass Führungskräfte sich selbst kontinuierlich im Bereich der Mitarbeiterführung, des Change Managements und des Innovationsmanagements weiterentwickeln.
Mitarbeiter sollen Innovationsimpulse weitergeben
Die Entwicklung neuer Kompetenzen ist auch für Bankmitarbeiter notwendig. Von diesen wird in Zukunft nicht nur erwartet, eine verstärkte Serviceorientierung einzunehmen, sondern auch neue Kundenanforderungen direkt am Markt aufzunehmen und als Innovationsimpulse an die Organisation weiterzugeben. Dies erfordert aber, dass Mitarbeiter in diesen Bereichen gezielt weiterentwickelt und mit digitalen Möglichkeiten vertraut gemacht werden: Hierzu gehört neben der digitalen Kompetenz auch die Abstraktions- und analytische Kompetenz sowie die Kompetenz, sich selbst stärker zu organisieren. Am Ende ist es der Bankmitarbeiter, der neue Anforderungen erkennen, das digitale Produkt anwenden und besser verstehen muss als sein Kunde.
Auch im Arbeitsalltag werden neue Technologien kontinuierlich Einzug halten, Kommunikationswege werden digitalisiert und administrative Aufgaben automatisiert. Werden den Mitarbeitern diese essenziellen Veränderungskompetenzen, Kenntnisse und die Unterstützung von Seiten der Führungskräfte nicht mitgegeben, werden Skepsis, Ablehnung und Furcht die Oberhand gewinnen. Das zerstört die grundlegende Offenheit und Lust der Mitarbeiter, Veränderungen für eine erfolgreiche digitale Zukunft aktiv mitzugestalten.
Kompetenzen gezielt entwickeln
Auch wenn die Veränderungen auf Wettbewerbs- und Marktseite noch fern scheinen, haben diese längst begonnen und erhöhen kontinuierlich den Handlungs- und Verantwortungsdruck auf die Entscheider. Führungskräfte müssen auf der einen Seite den notwendigen Transformationsprozess und Kulturwandel proaktiv initiieren, die neuen Werte in der Organisation selbst vorleben, aber auch von den Mitarbeitern konsequent einfordern. Dies geht auch mit der Entwicklung neuer Kompetenzen sowohl für Vorstände wie auch deren Mitarbeiter eng einher. Neben reiner Wissensvermittlung unter anderem in den Bereichen Digitalisierung, Change Management und Mitarbeiterführung ist auch der Austausch innerhalb und unter den Banken sowie die Anwendung neuer Prozesse und moderner Arbeitsweisen von großer Bedeutung. Dazu gehören das Teilen von Best-Practice-Beispielen, agiles Projektmanagement oder interdisziplinäre Teams. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Bemühungen nicht nur als kurzes Erfolgserlebnis verbucht werden können.
Prof. Dr. Max Ringlstetter ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Organisation und Personal an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und Leiter des IDM – Institut für Digitales Management. Mitarbeit am Text: Vinzenz Krause und Dr. Daniel Alt.