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Als der Gilchinger Bürgermeister Manfred Walter wegen des Energiekonzepts für das Schulzentrum an der Talhofstraße anfragte, musste Gerd Mulert erst einmal tief durchatmen. „Dann habe ich mit möglichst viel Überzeugung in der Stimme zugesagt“, erzählt der Vorstandsvorsitzende der Energiegenossenschaft Fünfseenland über das Gespräch im Jahr 2016. Das war mutig, denn mit Projekten dieser Größe hatte Mulert bis dato noch keine Erfahrung. Zum Gilchinger Schulzentrum gehören nämlich nicht nur das Christoph-Probst-Gymnasium mit über 1.300 Schülern, sondern auch die Arnoldus-Grundschule mit rund 400 Schülern.

Am Ende des Gangs wurde es eiskalt

Das Gymnasium war zuvor für einen zweistelligen Millionenbetrag generalsaniert worden. Nur bei der Energiezentrale hatte man alles beim Alten belassen.

„Im Keller stand eine Gas-Heizung, die das Ende ihrer Lebenszeit längst erreicht hatte. In der Nähe der Anlage war es im Winter wohlig warm, aber am Ende des Gangs wurde es eiskalt. Das war beinahe eine Notsituation“, erzählt Mulert. Bei der Gemeinde reifte daraufhin die Idee, für das Gymnasium und die Arnoldus-Grundschule ein ganzheitliches Energiekonzept umzusetzen. Dazu holte sie den Zweckverband für weiterführende Schulen im westlichen Teil des Landkreises Starnberg mit ins Boot, der für das Gymnasium aufkommt. Für die Grundschule ist hingegen die Gemeinde zuständig. Damit hatte es die Genossenschaft mit zwei Vertragspartnern zu tun.

Zwei Schulen, zwei Bauherren, ein Konzept

Zwei Schulen, zwei Bauherren, und Fördermittel sollten auch noch beantragt werden. „Da wurde es richtig kompliziert“, erinnert sich Mulert. Doch die Energiegenossenschaft Fünfseenland nahm die Herausforderung an und entwickelte mit Zustimmung des Gemeinderats und des Zweckverbands ein Energiekonzept, das heute weitgehend umgesetzt ist. Auf beide Schuldächer wurden Photovoltaik-Anlagen montiert, Blockheizkraftwerke ersetzten die alten Gaskessel. Diese Kraftwerke produzieren Strom und ihre Abwärme wird in den Heizkreislauf eingespeist. Strom, den die Schulen nicht selbst verbrauchen, wird in das allgemeine Netz geleitet. Alle Anlagen einschließlich der Steuerungstechnik für Belüftung und Beleuchtung wurden aufeinander abgestimmt und auf den neuesten technischen Stand gebracht. Allein dadurch konnte der Energieverbrauch deutlich reduziert werden. Alle Systeme werden nun zentral überwacht und geregelt, um den Verbrauch weiter zu optimieren. Kosten alles in allem: fast 1 Million Euro.

Die Genossenschaft bot an, das Konzept als Generalunternehmer in eigener Regie zu finanzieren und umzusetzen, um die Anlagen dann an die beiden Schulträger zu verpachten. „Energie-Contracting“ heißt dieses Geschäftsmodell, mit dem die Gemeinde und der Zweckverband sehr zufrieden sind. „Die Genossenschaft hat eine sehr gute Lösung für dieses komplexe Projekt gefunden“, lobt Jan Haas, Energie- und Klimaschutzbeauftragter der Gemeinde Gilching. Zusätzlich übernimmt die Genossenschaft die Wartung der Anlagen. Dafür zahlen die beiden Schulträger eine monatliche vierstellige Pacht, die Verträge laufen für 15 Jahre. „Wir haben von der Genossenschaft ein Rundum-Sorglos-Paket erhalten, müssen uns um nichts kümmern und fahren die Ernte ein“, stellt Haas zufrieden fest.

Was ist „Energie-Contracting“?

Die DIN-Norm 8930-5 definiert „Energie-Contracting“ als „zeitlich und räumlich abgegrenzte Übertragung von Aufgaben der Energiebereitstellung und Energielieferung auf einen Dritten, der im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handelt“. Ziel ist es, durch eine Optimierung der Anlagen und Prozesse Einspar-Potenziale zu heben, die Umwelt zu schonen und einen wirtschaftlichen Betrieb zu gewährleisten. Es wird zwischen vier Contracting-Varianten unterschieden:

  1. Energieliefer-Contracting: Der Dienstleister plant und errichtet auf eigene Kosten eine Energieerzeugungsanlage und liefert anschließend die Energie an den Auftraggeber auf Basis von Langzeitverträgen.
  2. Einspar-Contracting: Der Dienstleister optimiert die Gebäudetechnik und den Gebäudebetrieb auf Basis einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber, um den Energieverbrauch zu senken.
  3. Finanzierungs-Contracting (Anlagen-Leasing): Der Dienstleister plant, baut und finanziert eine Anlage zur Energieerzeugung, die er an den Auftraggeber verpachtet. Dieser betreibt die Anlage anschließend auf eigenes Risiko.
  4. Technisches Anlagenmanagement: Der Dienstleister übernimmt den technischen Service, um einen sicheren, wirtschaftlichen und umweltschonenden Betrieb der Energieerzeugungsanlage zu gewährleisten.

Für die Gemeinde und den Zweckverband lohnt sich das Contracting-Modell doppelt: Die Schüler lernen bei angenehmen Temperaturen und die Schulträger sparen Geld. Die Energiekosten sollen um rund 10 Prozent sinken, der Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen sogar um 37 Prozent. Bei Strom- und Heizkosten im sechsstelligen Bereich freut sich jeder Kämmerer über so eine Ersparnis. Dabei wurde das Vertragswerk möglichst einfach gehalten. Haas: „Wir haben zwei Verträge unterschrieben, einen für die Pacht der Anlage und einen für die Wartung. Das war’s.“

Um das Projekt zu finanzieren, konnten die rund 400 Mitglieder der 2011 gegründeten Genossenschaft ihre Anteile aufstocken. Innerhalb von vier Wochen kamen so rund 100.000 Euro zusammen. „Das ging flott“, berichtet Mulert. Zudem wurde den Gilchinger Bürgern angeboten, über eine Beteiligung an der Genossenschaft Miteigentümer der Anlagen zu werden. Das brachte weitere 200.000 Euro. Den Rest der Summe finanzierte die VR Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg.

Heizzentrale des Gilchinger Schulzentrums.
Strom und Wärme aus einer Hand: Das Blockheizkraftwerk (BHKW) in der Heizzentrale des Gilchinger Schulzentrums erzeugt Strom, die Abwärme wird zum Heizen genutzt. Die Sockel für die beiden weiteren BHKWs sind bereits vorbereitet.
Pufferspeicher im Gilchinger Schulzentrum.
Das vom BHKW erhitzte Wasser fließt in sogenannte Pufferspeicher, bis die Energie benötigt wird.
Photovoltaik-Anlagen am Gilchinger Schulzentrum.
Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern der beiden Schulgebäude unterstützen die Stromversorgung.
Luftaufnahme des Gilchinger Schulzentrums.
Das Schulzentrum Gilching aus der Vogelperspektive. Einen so großen Gebäudekomplex umweltfreundlich zu heizen und mit Strom zu versorgen, erfordert viel Knowhow.

Genossenschaft koordiniert die Fachleute

Die Aufgabe der Genossenschaft ist es, die Spezialisten zu koordinieren und alle Fäden in der Hand zu behalten. Das ist bei einem Millionen-Projekt wie in Gilching gar nicht so einfach. „Elektroplaner, Heizungsplaner, Lüftungsplaner, Lichtplaner, Statiker, Hydrauliker – da sitzen bei einer Besprechung schnell mal zehn bis 15 Fachleute am Tisch“, sagt Mulert.

Die Kompetenz, solche Contracting-Projekte zu stemmen, hat die Genossenschaft über mehrere Jahre aufgebaut. „Das geht nicht über Nacht, da kommt eins zum anderen“, sagt Mulert. Wichtig sei ein Energieplaner, der seinen Beruf versteht. „Was dann noch an Expertise fehlt, muss man sich eben zusammensuchen“, so der Vorstandsvorsitzende. Die maßgeschneiderten juristischen Contracting-Verträge zum Beispiel erarbeitet die Genossenschaft mit Sitz in Herrsching am Ammersee gemeinsam mit einer örtlichen Spezialkanzlei. Ein weiterer wichtiger Partner ist das Regionalwerk Würmtal. Der kommunale Energieversorger aus dem Fünfseenland koordiniert die Betriebsführung und war auch schon an der Planung des Gilchinger Projekts beteiligt.

Die Expertise der Genossenschaft hat sich im Landkreis Starnberg herumgesprochen. Die Gemeinde Andechs hat die Energiegenossenschaft beauftragt, ein Energiekonzept für das Rathaus, die Grundschule, eine neue Turnhalle und einen neuen Kindergarten zu entwickeln. Dafür veranschlagt Mulert 400.000 Euro. Auch die Gemeinde Herrsching hat schon angeklopft, ebenso eine große Privatschule in der Region. „Dort laufen fünf verschiedene Heizungssysteme, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Da besteht enormes Einsparpotenzial“, sagt Mulert. Nicht zuletzt hilft die Energiegenossenschaft Fünfseenland auch dem Tierheim Starnberg, Energiekosten zu sparen. Dieses erhält ebenfalls ein kleines Blockheizkraftwerk und eine Photovoltaik-Anlage im Contracting-Modell. „Das Vorhaben hat für das Tierheim eine große Bedeutung, weil es die Geldsorgen lindert. Bisher waren die Strom- und Ölkosten ein hoher Ausgabenfaktor, der nun reduziert wird“, sagt Mulert.

Keine Angst vor komplizierten Verträgen

Abgesehen davon, dass die Genossenschaft mit Contracting Geld verdient, sieht Mulert darin eine Chance, die Energiewende im Landkreis Starnberg voranzutreiben und die Bürger zu beteiligen. „Klar können auch andere Contracting-Leistungen erbringen. Aber wir sind vor Ort und kennen die lokalen Handwerker. So können wir gemeinsam etwas bewegen.“ Außerdem hätten die Kommunen einen großen Bedarf, ihre Liegenschaften energetisch zu sanieren, so Mulert. Ihnen fehlten dafür aber die Kapazitäten. „Wir nehmen den Kommunen Leistungen ab, wo sie zunehmend überfordert sind.“ Jan Haas von der Gemeinde Gilching bestätigt das. „Unsere Planer sind mit anderen Projekten mehr als ausgelastet. Ohne die Energiegenossenschaft hätten wir die energetische Modernisierung des Schulzentrums nicht stemmen können.“

Anderen Energiegenossenschaften, die noch wenig Erfahrung mit Contracting haben, rät Mulert, erst einmal mit kleinen Projekten anzufangen, um sich Expertise anzueignen und mit Fachplanern zu vernetzen. Der Vorsitzende erkennt in diesem Bereich eine Marktlücke. „Mit Energie-Contracting können Genossenschaften sehr schnell eine Dienstleistung anbieten, die vielen Bürgern vor Ort zu Gute kommt.“ Wichtig sei außerdem ein guter Draht zu den Kommunen, so Mulert. Und zu guter Letzt: „Keine Angst vor komplizierten Verträgen. Mit den richtigen Fachleuten bekommt man alles in den Griff.“

Der GVB berät

Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) berät und unterstützt die bayerischen Energiegenossenschaften in rechtlichen, steuerlichen und fachspezifischen Angelegenheiten. Dazu gehören unter anderem die Themen Technologieauswahl, Anlagendimensionierung, Wirtschaftlichkeitsberechnung, Preisgestaltung sowie Energie-Audits und Energie-Managementsysteme. Ansprechpartner ist Daniel Caspari. Er ist unter energie-gvb(at)gv-bayern.de oder 089 / 2868-3577 erreichbar.

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