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Die Genossenschaftsbanken feiern dieses Jahr den zweihundertsten Geburtstag von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, einem ihrer Gründungsväter. Raiffeisen steht wie kaum eine andere Persönlichkeit für den Ursprung der Ortsbank im ländlichen Raum. 1864 entstand auf seine Initiative hin der Vorläufer der heutigen Kreditgenossenschaften: die „Darlehenskasse Heddesdorf".

Diese erste genossenschaftliche Ortsbank war eine Antwort auf die damaligen Nöte der Landbevölkerung, die Armut und den Hunger. Das Institut sammelte Ersparnisse der Bevölkerung ein und reichte die Gelder als Kredite an lokale Bauern oder Handwerker aus. Das Beispiel machte Schule. Und mit dieser simplen Transformationsleistung trugen die Ortsbanken schließlich maßgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung des ländlichen Raums in Deutschland bei.

Kreditvergabe sorgt für Wachstum und Beschäftigung

Die Zeiten, in denen mancher Städter die ländlichen Regionen belächelte, sind vorbei. Klar, die Lage ist nicht überall rosig. Manche strukturschwache Region leidet unter Bevölkerungsschwund und Arbeitslosigkeit. Doch in Summe bietet der ländliche Raum heute vielerorts eine hohe Lebensqualität - und er ist ein erstaunlich gewichtiger Wirtschaftsstandort, wie der Blick nach Bayern zeigt: Mehr als die Hälfte der knapp 13 Millionen Einwohner des Freistaats lebt „auf dem Land". Rund 2,5 Millionen Erwerbstätige sind dort beschäftigt, denn nicht wenige Mittelständler - dazu zählen auch viele der bayerischen „Hidden Champions" - unterhalten ihren Firmensitz abseits der großen Ballungszentren. Genau dort wird fast die Hälfte des bayerischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. Und genau das ließe sich ohne Ortsbanken gar nicht finanzieren.

Die Wirtschaftsstruktur im ländlichen Raum ist kleinteilig und vielfältig. Neun von zehn Betrieben dort sind sogenannte KMUs, also kleine und mittlere Unternehmen. Damit passen sie gut zu den dezentral aufgestellten genossenschaftlichen Regionalbanken. Man kennt sich: Die Institute begleiten ihre Firmen- und Gewerbekunden häufig seit Jahrzehnten. Aktuell summiert sich allein der von den bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken an Unternehmen ausgereichte Kreditbestand auf mehr als 46 Milliarden Euro. Sie machen auf diese Weise Investitionen möglich, die das Wachstum ankurbeln und für mehr Beschäftigung sorgen - auch und vor allem auf dem Land.

Hohe Bedeutung für Landwirtschaft und Handwerk

Mittlerweile kommt im Freistaat jeder fünfte Euro, den bayerische Firmen als Darlehen aufgenommen haben, von den Volks- und Raiffeisenbanken. Das belegt deren Bedeutung für die Unternehmensfinanzierung.

Traditionell arbeiten sie stark mit Handwerk und Landwirtschaft zusammen. In manchen Regionen sind neun von zehn Landwirten Kunde bei einer Genossenschaftsbank. In den vergangenen Jahren haben die Banken ihren Marktanteil im Firmenkundengeschäft kontinuierlich ausgebaut. Sie konnten auch in anderen Branchen wie dem verarbeitenden Gewerbe, dem Dienstleistungs- und Bausektor ihre Position stärken. Allein vergangenes Jahr weiteten die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken den Bestand an Firmenkundenkrediten um 3 Milliarden Euro aus, was einer Wachstumsrate von mehr als 7 Prozent entspricht.

Von der Unternehmensgründung zur Nachfolgeregelung

Ortsbanken sind gefragte Finanzierungspartner in den ländlichen Gebieten. Dabei begleiten sie die Betriebe in allen Phasen ihres Lebenszyklus, angefangen mit der Betriebsgründung. So haben die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken im Jahr 2017 Anschubfinanzierungen der LfA Förderbank Bayern in Höhe von rund 200 Millionen Euro an Existenzgründer vermittelt.

Auf der anderen Seite unterstützen die Institute die Firmeninhaber dabei, die Nachfolge zu regeln. Allein im Freistaat stehen bis 2021 knapp 30.000 Unternehmen zur Übergabe an, darunter auch zahlreiche Betriebe außerhalb der Städte. Der entscheidende Vorteil des Kundenberaters einer Ortsbank: Er kennt seine Kunden und weiß, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, das sensible Thema anzusprechen.

Kunden vertrauen in die Stabilität der regionalen Institute

Die Ortsbanken unterstützen nicht nur Unternehmer, sondern auch Privatleute, die auf dem Land zu Hause sind, mit einer breiten Palette an Finanzdienstleistungen. Dazu gehören Standards wie die Bargeldversorgung, die mit erheblichen Investitionen der Institute verbunden ist. Dazu zählen aber auch komplexe Beratungen zum Hausbau, zur Altersvorsorge oder Absicherung. Als Allfinanzanbieter bieten die Volks- und Raiffeisenbanken in Bayern ihren Kunden über die eigenen Leistungen hinaus eine breite Palette an Finanzierungs- und Anlageoptionen. Bedarf ist vorhanden: Unternehmen und Sparer haben bei den Genossenschaftsbanken und ihren Partnern im Freistaat mittlerweile Kundengelder in Höhe von mehr als 200 Milliarden Euro angelegt.

Die erheblichen Zuflüsse der vergangenen Jahre kommen zu einem wesentlichen Teil aus dem ländlichen Raum. Das zeigt, wie groß das Vertrauen der Sparer und Anleger in die Stabilität der Ortsbanken ist. Für dieses Vertrauen der Kunden gibt es drei gute Gründe:

  1. Genossenschaftsbanken und Sparkassen unterliegen nicht nur der gesetzlichen Einlagensicherung, sondern unterhalten zusätzlich eine freiwillige Sicherungseinrichtung zum Schutz von Spargeldern. Diese sogenannte Institutssicherung funktioniert wie ein Frühwarnsystem, das existenzielle Schwierigkeiten bei angeschlossenen Instituten von vornherein verhindert. Seit nunmehr 80 Jahren musste kein Sparer einer Genossenschaftsbank entschädigt werden. Deshalb setzen sich die Institute auch für den Erhalt dieses Präventionsmodells ein. Es ist historisch gewachsen, arbeitet zuverlässig und ist ein Stabilitätsfaktor in der deutschen Finanzwirtschaft.
  2. Ortsbanken verfügen in der Regel über eine tragfähige und auskömmliche Kapitalbasis. So haben die Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland allein zwischen 2008 und 2017 ihr Kernkapital nach Berechnungen der Bundesbank um 125 Prozent erhöht. Sie zählen damit zu den stabilsten Instituten in ganz Europa. Wenn der wirtschaftliche Aufschwung - wie von vielen Konjunkturexperten vorhergesagt - andauert, haben die Ortsbanken ein ausreichendes Kapitalpolster, um eine steigende Kreditnachfrage zu bedienen. Sollte sich die Konjunktur wider Erwarten eintrüben, sind sie ebenfalls ausreichend kapitalisiert, um die Kreditversorgung aufrechtzuerhalten. Das haben sie in den Jahren der Finanzkrise eindrücklich nachgewiesen.
  3. Ortsbanken sind näher am Kunden als alle anderen Institute. Das liegt an ihrem weitverzweigten Netz an Geschäftsstellen. Das liegt aber auch daran, dass Regionalbanken ihre Entscheidungen dezentral vor Ort und nicht von fernen Konzernzentralen aus treffen. Auf diese Weise können die Banken ihr Angebot an den Bedürfnissen der regionalen Wirtschaft ausrichten.

Abgeführte Steuern finanzieren die kommunale Infrastruktur mit

Das Geschäftsmodell der genossenschaftlichen Ortsbank funktioniert seit nunmehr bald 160 Jahren. Das zeigt sich auch daran, dass sie im langfristigen Vergleich mit Großbanken und anderen Institutsgruppen die ertragsstärksten Banken sind. 2016 betrug ihre Eigenkapitalrendite gut 8,6 Prozent und damit doppelt so viel wie der Durchschnitt. Dieser wirtschaftliche Erfolg kommt den ländlichen Gebieten direkt zugute: Schließlich sind Ortsbanken zuverlässige Steuerzahler.

Allein die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken haben für das Jahr 2016 rund 420 Millionen Euro an den Fiskus überwiesen. Davon ging fast die Hälfte als Gewerbesteuern direkt an die Städte und Gemeinden. Für 2017 wird der Betrag ähnlich hoch ausfallen. Das ist eine wichtige Quelle für die Finanzierung der flächendeckenden Daseinsvorsorge durch die Kommunen.

Ortsbanken sind Arbeitgeber und Sponsoren

Ihre Heimatregionen stärken die Ortsbanken zusätzlich, indem sie Arbeitsplätze schaffen. Bayernweit stellen die Volks- und Raiffeisenbanken knapp 32.000 qualifizierte Jobs zur Verfügung, davon entfällt eine erhebliche Anzahl auf die ländlichen Regionen. Das stärkt die Kaufkraft und trägt zu positiven Wohlstandseffekten bei.

Darüber hinaus übernehmen die genossenschaftlichen Ortsbanken Verantwortung, indem sie regelmäßig für soziale Einrichtungen, Sportvereine oder Kultur spenden. Dabei bedienen sich mittlerweile viele Institute der Crowdfunding-Plattform „Viele schaffen mehr". Über diese stellen Einrichtungen aus der Region ihre Projekte vor, Privatpersonen spenden und die jeweilige Genossenschaftsbank rundet die Summe auf. Deutschlandweit kamen auf diese Weise bereits über 12 Millionen Euro für mehr als 3.000 Projekte zusammen.

Regionale Institute bieten als Lotsen Orientierung

Ortsbanken haben sich am Markt bewährt. Dennoch sagen einige Analysten eine Konsolidierungswelle vorher. Eine kürzlich publizierte Studie der Management-Beratung Oliver Wyman prognostiziert ein regelrechtes Bankensterben in Deutschland. In den kommenden fünf Jahren sollen von 1 800 Banken nur noch 150 bis 300 übrig bleiben. Als Grund führen die Berater unter anderem die niedrigen Zinsen, den zunehmenden Wettbewerb und die verschärfte Regulatorik an. Vertreter des ländlichen Raums wie der Deutsche Landkreistag befürchten bereits einen Rückzug der Banken aus der Fläche. Aber ist dieses Szenario realistisch?

Die Konsolidierung geht weiter, aber Zweifel an der Prognose sind trotzdem erlaubt. Die Ortsbank ist ein Zukunftsmodell. Zu dieser Erkenntnis kommen die Experten von Oliver Wyman nämlich auch: Mit der zunehmenden Komplexität von Finanzprodukten können regionale Institute ihren Kunden als „Lotse im Finanzdschungel" helfen, schreiben sie. Als Allfinanzanbieter könnten sie zudem die „Platzhirsche“ auf ihrem lokalen Markt sein.

Diese Entwicklungschancen haben einen wesentlichen Grund: die Verwurzelung im ländlichen Raum. Allerdings bedeutet das nicht, dass sie sich auf ihren Lorbeeren ausruhen können. Die Berater von Oliver Wyman weisen in ihrer Studie auch auf Hausaufgaben hin: Ortsbanken müssen ihre Innovationsfähigkeit weiter steigern, zum Beispiel indem sie eine innovationsfreundliche Unternehmenskultur pflegen.

Investitionen in die Vertriebskanäle sind erforderlich

Die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken wollen ihre Erfolgsgeschichte als Ortsbanken fortschreiben. Dazu passen sie ihre Vertriebskanäle an die veränderten Bedürfnisse der Kunden an. Zunehmend mehr von ihnen wollen zukünftig digital mit ihrer Bank interagieren - auch wenn eine Vielzahl der Bankkunden zu Beratungszwecken weiterhin die Geschäftsstellen besuchen wird. Daher stecken die bayerischen Genossenschaftsbanken pro Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag in den Ausbau ihrer Vertriebswege. Rund ein Viertel der Investitionen entfällt auf die digitalen Kanäle. Dazu gehören Maßnahmen wie zum Beispiel der Aufbau von Kundendialogcentern, über die der Kunde online oder telefonisch Beratung erhält und Bankgeschäfte über reine Serviceleistungen hinaus abwickeln kann.

Darüber hinaus gestalten viele Banken ihre Geschäftsstellen um und optimieren ihr Filialnetz für Angebote, die qualifizierte Beratungsleistungen erfordern. Mit der VR-Banking-App haben die Volks- und Raiffeisenbanken zudem eine Finanz-App entwickelt, die Fintech-Angeboten durch ihre ganzheitliche Ausrichtung überlegen ist. Der entscheidende Vorteil für den Bankkunden: Er muss seine sensiblen Bankdaten nicht mit fremden Unternehmen teilen.

Kooperation im Verbund erhöht die Schlagkraft

Gleichzeitig erhöht die Kooperation im Verbund die Schlagkraft der Genossenschaftsbanken. Wo es sinnvoll und nötig ist, bündeln die Institute ihre Kräfte, um gemeinsam mehr zu erreichen. Das ist der Vorteil der subsidiären und auf Dezentralität ausgerichteten genossenschaftlichen FinanzGruppe. Neue Anwendungen wie beispielsweise der digitale Vermögensverwalter „MeinInvest“ werden von Verbundunternehmen entwickelt und dann flächendeckend bei den Genossenschaftsbanken eingesetzt.

Es ist kein Zufall, dass die Volks- und Raiffeisenbanken kerngesund sind. Ihr Geschäftsmodell trägt - entgegen aller Unkenrufe - auch in Zeiten schwieriger Zinsentwicklungen. Sie haben die letzten Jahre bereits intensiv genutzt, um sich auf gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen einzustellen. Damit sind sie fit für die Zukunft - und bereit dazu, im ländlichen Raum weiterhin für Wachstum und Beschäftigung zu sorgen.

Hinweis: Der Beitrag ist in dieser Form bereits im Magazin „Bank und Markt“ vom 10. April 2018 erschienen.
 

Dr. Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), twittert als @JGros_GVB.

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