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Eine Milliarde Menschen weltweit sind Mitglied einer Genossenschaft. Allein in Deutschland sind es 22 Millionen und in Bayern 2,9 Millionen. Zahlen, die Friedrich Wilhelm Raiffeisen wahrscheinlich selbst beeindruckt hätten. Die Genossenschaftsorganisation feiert heuer den 200. Geburtstag ihres Urvaters – Grund genug für GVB-Präsident Jürgen Gros, das Jahrespressegespräch der genossenschaftlichen Waren- und Dienstleistungsunternehmen im Freistaat mit der Frage einzuleiten: Was würde uns Raiffeisen heute sagen?

„Raiffeisens Ideen wurden als Weltkulturerbe anerkannt, während die Theorien von Karl Marx auf dem ideologischen Schrottplatz von Nordkorea liegen.“

GVB-Präsident Jürgen Gros

„Die Attraktivität der Genossenschaftsidee ist ungebrochen und hat weltweite Kreise gezogen. Darauf wäre Raiffeisen stolz“, sagte Gros in München vor einem Dutzend Journalisten. Ebenso würde es ihn mit Genugtuung erfüllen, dass die Genossenschaftsidee 2016 von der UNESCO in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde. Ganz anders ist es einem weiteren Sozialreformer ergangen, der dieses Jahr ebenfalls 200 geworden wäre: Karl Marx. Dessen Theorien finden sich heute lediglich auf dem „ideologischen Schrottplatz Nordkoreas“ wieder, wie Gros bemerkte.

Dass Raiffeisens Ideen leben, zeigt sich nicht nur an den Mitgliederzahlen, sondern auch an den Neugründungen. 19 Genossenschaften nahm der GVB 2017 in seine Reihen auf, wie der Verband beim Pressegespräch bekannt gab. Sie kümmern sich zum Beispiel um die Trinkwasserversorgung von ländlichen Gemeinden, brauen Heimatbier, ermöglichen betreutes Wohnen oder versorgen Ortschaften mit Heizenergie und schnellem Internet.

„Die Bürger engagieren sich in Genossenschaften, um auf privatwirtschaftlicher Basis gesellschaftliche oder wirtschaftliche Versorgungslücken zu schließen. So verbessern sie die Lebensverhältnisse vor Ort und machen ihre Heimat attraktiver“, sagte Gros. Auf diese Weise leisteten Genossenschaften einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der regionalen Wirtschaft in Bayern.
 

Nahwärmenetz Sulzdorf eG

Die unterfränkische Genossenschaft will ein Nahwärmenetz aufbauen und 23 Haushalte im Ortsteil Sulzdorf der Gemeinde Stadlauringen anschließen. Dafür soll die Abwärme einer bestehenden Biogasanlage genutzt werden.

SAPV Südfranken eG

Die umfassende Versorgung einer Palliativ-Station zum Patienten nach Hause bringen: Das will die SAPV Südfranken eG in den Landkreisen Roth und Weißenburg-Gunzenhausen. Die Genossenschaft bietet medizinische, pflegerische sowie psychosoziale Dienste für Schwerstkranke und ihre Angehörige – und das in ihrem gewohnten Umfeld daheim.

Institut für Hochschulsoftware Bamberg eG

Die Genossenschaft entwickelt Softwarelösungen für die Hochschulverwaltung. Das Leistungsspektrum umfasst die Konzeption, Entwicklung, Einführung und den Betrieb von Anwendungssystemen inklusive Schulung und technische Begleitung. www.ihb-eg.de

Maschinengemeinschaft Kreis Tirschenreuth (MKTec) eG

Kosten senken und Betriebe entlasten – das ist das erklärte Ziel des Oberpfälzer Unternehmens. Knapp 20 Landwirte haben dazu eine Maschinengemeinschaft in der Rechtsform eG gegründet. Sie ermöglicht es ihren Mitgliedern, land- und forstwirtschaftliche Maschinen wie Schlepper und Güllefass gemeinsam zu nutzen.

Wasserversorgung Lampenricht eG

Von einer GbR mbH zur eG: die Trinkwasserversorgung in Lampenricht im Landkreis Schwandorf liegt seit dem vergangenen Jahr in Genossenschaftshänden. Um als Wasserversorger zum Beispiel bei Haftungsfragen Rechtssicherheit zu haben, entschieden sich die Beteiligten für die eG.

Bio-Schaukäserei Wiggensbach eG

Die Oberallgäuer Genossenschaft produziert Käsespezialitäten aus regionaler Heumilch. Acht Landwirte gründeten 2003 zunächst das Unternehmen als GmbH. 2017 firmierte sie zur eG um. Ziel war es, aus den bisherigen Lieferanten Partner zu machen und die Betriebe wirtschaftlich und sozial mehr zu fördern. www.schaukaeserei-wiggensbach.de

Nahwärmenetz Otting eG

85 engagierte Bürger gründeten die schwäbische Genossenschaft, um die Ottinger Haushalte mit Energie und schnellem Internet zu versorgen. Die Wärmeerzeugung soll dabei über Hackschnitzel aus der Region erfolgen. www.nahwaerme-otting.de

Wald-Dienst-Leistung eG

Die Wald-Dienst-Leistung eG mit Sitz in Altusried ist aus der Waldbesitzervereinigung Kempten hervorgegangen. Die Oberallgäuer Genossenschaft ist im Holzeinkauf und -verkauf tätig. Zudem erstellt sie für Waldbesitzer Waldwertschätzungen und nimmt Pflanzenbestellungen auf.

BAW Bayerische Akademie für Wirtschaftskommunikation eG

Die Münchner Genossenschaft ist eine Qualifizierungsstätte für Experten und angehende Fachleute im Bereich Marketing. Bei Präsenzveranstaltungen sollen die Teilnehmer ein verlässliches Netzwerk aufbauen können, das als Karrieresprungbrett und Wissenstransfer dient. www.baw.academy

Brauereigenossenschaft Ismaning eG

Ein Bier für alle Ismaninger brauen: Dieses Ziel verfolgt die Brauereigenossenschaft Ismaning. 25 Bierliebhaber aus der oberbayerischen Gemeinde gründeten dazu im vergangenen Jahr die eG. 600 Besucher feierten das Gründungsfest im Juni. www.ismaninger.de

Bürgerenergie Chiemgau eG

Engagierte Bürger aus den Chiemgauer Gemeinden Aschau, Bernau und Frasdorf gründeten eine Genossenschaft, um Klimaschutzprojekte zu realisieren. Neben Photovoltaikanlagen betreibt sie ein erdgasbetriebenes Blockheizkraftwerk im Hallenbad Bernamare. Mit der Anlage reduziert die Genossenschaft die Energiekosten und trägt so zum Erhalt des Familienbads bei. https://www.bürgerenergie-chiemgau.de/ Artikel im Profil: www.profil.bayern/01-2018/praxis/buergerenergie-heizt-badewasser/

Energiegenossenschaft Hohenbrunn-Riemerling eG

Die Genossenschaft aus dem Südosten Münchens möchte Anlagen zur Strom-, Wärme- bzw. Kälteerzeugung errichten und betreiben. Zudem will das Unternehmen Versorgungsnetze und Speicheranlagen unterhalten oder sich an ihnen beteiligen. www.eg-hr.de

GAB München – Gesellschaft für Ausbildungsforschung und Berufsentwicklung eG

Die Genossenschaft betreibt ein Forschungs- und Beratungsinstitut im Bereich der beruflichen Bildung. Sie sieht sich als Plattform, um die Leistungen und das Know-how ihrer Mitglieder aus unterschiedlichen Fachrichtungen zusammenzubringen. So können sie Projekte gemeinschaftlich bearbeiten. www.gab-muenchen.de

Gasthaus im Quartier eG

Das erste genossenschaftlich geführte Gasthaus Münchens versteht sich als Ort der Begegnung für die Anwohner des neuen Viertels Domagkpark und der Parkstadt Schwabing. Es bietet täglich wechselnde Gerichte aus vorwiegend biologischen und regionalen Zutaten. www.gasthausdomagk.de

PsIGa – Pflanzenschutz-Beratung eG

Die Genossenschaft mit Sitz in Ingolstadt betreibt ein webbasiertes Pflanzenschutz-Informations- und Beratungssystem für Gartencenter. Deren Mitarbeiter können damit Kunden die richtigen Tipps bei Schädlingsbefall im Haus- und Kleingartenbereich geben. www.hswt.de/forschung/forschungsprojekte/gartenbau/psiga.html

Senioren-Wohnen-Mitterskirchen eG

Altersgerecht, barrierefrei und rundum versorgt: Die Genossenschaft im niederbayerischen Landkreis Rottal-Inn möchte Immobilien gemeinschaftlich erwerben und auf die Bedürfnisse von Senioren abstimmen. Dazu gehören Betreuungs- und Pflegedienstleistungen, garantierte Nahversorgung sowie soziale und kulturelle Aktivitäten.

Wasserversorgung Kailing eG

Die Genossenschaft aus dem südlichen Bayerischen Wald hat sich zum Ziel gesetzt, Haushalte und Betriebe des Orts mit Trinkwasser von höchster Qualität und dabei kostengünstig zu versorgen. Dazu will sie Anlagen zur Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung von Wasser errichten und betreiben.

Wasserversorgung Thurnreuth eG

Von der Gewinnung über die Aufbereitung bis hin zur Verteilung: In Thurnreuth im Landkreis Passau ist die Trinkwasserversorgung seit 2017 Sache einer Genossenschaft. Sie ist Nachfolgerin der bisherigen Wassergemeinschaft in der Gemeinde, die aufgelöst wurde.

BWO Energie eG

Die Fernwärmeversorgung in der Region vorantreiben, das ist das Ziel der BWO Energie eG aus dem baden-württembergischen Landkreis Sigmaringen. So hat sie eine Biogasanlage in einem Ortsteil von Ostrach errichtet. Mit der anfallenden Wärme werden bäuerliche Betriebe und Privathäuser beheizt. www.bwo-energie.de

Die gesellschaftliche Bedeutung des genossenschaftlichen Modells erkennt auch die Bundesregierung an. Sie hat im Koalitionsvertrag angekündigt, „Genossenschaften als nachhaltige und krisenfeste Unternehmensform in den unterschiedlichsten Wirtschaftsbereichen stärken“ zu wollen. Diese seien maßgeblich für eine erfolgreiche Wirtschaft und den Wohlstand von morgen. Gros begrüßte diese Position ausdrücklich und fügte hinzu: „Der GVB wird die Koalition daran messen, ob sie dieses Ziel erreicht.“

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Video-Mitschnitt: Die Geschäftsentwicklung der genossenschaftlichen Waren- und Dienstleistungsunternehmen in 1:55 Minuten.

Umsatz steigt auf neue Bestmarke

Die Geschäftszahlen der 1.067 genossenschaftlichen Waren- und Dienstleistungsunternehmen in Bayern bestätigen deren Bedeutung für die Wirtschaft im Freistaat. Mit ihren rund 18.000 Mitarbeitern erzielten sie vergangenes Jahr einen Gewinn von 247,8 Millionen Euro und erreichten damit nahezu das sehr gute Vorjahresergebnis in Höhe von 252,2 Millionen Euro. Den Umsatz steigerten die Betriebe um 627 Millionen Euro (5,3 Prozent) auf die neue Bestmarke von 12,5 Milliarden Euro. Dieses Wachstum ist insbesondere auf die deutlich verbesserte Marktlage der Milchwirtschaft zurückzuführen, wie Gros erläuterte. So stiegen die Auszahlungspreise für konventionelle Milch im Jahresdurchschnitt 2017 um 29 Prozent auf 37 Cent je Kilogramm an. Ebenfalls erfreulich entwickelten sich vergangenes Jahr die Umsätze der ländlichen und der gewerblichen Genossenschaften.

Präsentation zum Pressegespräch

Die genossenschaftlichen Waren- und Dienstleistungsunternehmen in Bayern haben das Geschäftsjahr 2017 mit einem guten Ergebnis und einem starken Umsatzplus abgeschlossen.
Die genossenschaftlichen Waren- und Dienstleistungsunternehmen in Bayern haben das Geschäftsjahr 2017 mit einem guten Ergebnis und einem starken Umsatzplus abgeschlossen.
Die genossenschaftlichen Waren- und Dienstleistungsunternehmen in Bayern haben das Geschäftsjahr 2017 mit einem guten Ergebnis und einem starken Umsatzplus abgeschlossen.
Die genossenschaftlichen Waren- und Dienstleistungsunternehmen in Bayern haben das Geschäftsjahr 2017 mit einem guten Ergebnis und einem starken Umsatzplus abgeschlossen.

Im angelaufenen Geschäftsjahr zeichnet sich kein erneuter Umsatzsprung ab. Das liegt insbesondere daran, dass sich die Erlössituation bei den Milchgenossenschaften eingetrübt hat. Als Gründe dafür nannte Gros die sinkenden Butter- und Milchfettpreise, Überkapazitäten bei Magermilchpulver und die ausgeweitete Produktion in europäischen Staaten wie Irland und Polen. In diesem Marktumfeld, das mit volatilen Preisen einhergeht, komme den Milchgenossenschaften eine wichtige Funktion zu, hob der GVB-Präsident hervor. Denn sie bieten den Landwirten Planungssicherheit und schützen sie vor unberechenbaren Marktschwankungen. „Und sie sorgen dafür, dass die Milch vom Hof kommt“, so Gros. Das habe sich nicht zuletzt bei der Insolvenz der Berliner Milcheinfuhr-Gesellschaft Mitte März gezeigt. Auch mit genossenschaftlicher Hilfe sei es gelungen, die Milch der Erzeuger abzuholen und zu verarbeiten.

GVB lehnt Eingriffe in Milchlieferbeziehungen ab

Die zuletzt immer wieder geäußerten Forderungen nach Eingriffen in die privatwirtschaftlichen Lieferbeziehungen (siehe Kasten) zwischen Erzeugern und genossenschaftlichen Molkereien lehnt der GVB vehement ab. „Genossenschaften schützen ihre Mitglieder vor den Folgen unberechenbarer Marktentwicklungen“, sagte Gros. Zudem hätten es die Landwirte als Mitglieder der Betriebe selbst in der Hand, die Abnahmekonditionen nach demokratischen Regeln zu gestalten und anzupassen. Diese privatwirtschaftlichen Beziehungen staatlich zu steuern, würde nicht dazu beitragen, Preisschwankungen zu glätten. Vielmehr würde dadurch die stabilisierende Wirkung der Genossenschaften aufs Spiel gesetzt. Gros: „Auch in der Politik sollte man Raiffeisens Idee Rechnung tragen und auf dem Milchmarkt weiter auf die Eigenverantwortung und Gestaltungskraft der Genossenschaftsmitglieder vertrauen. Das hat sich seit mehr als hundert Jahren bewährt.“

Unnötig und kontraproduktiv

Die Bayerische Staatsregierung hat angekündigt, in die Milchlieferbeziehungen zwischen Erzeugern und Genossenschaftsmolkereien eingreifen zu wollen. So teilte das Landwirtschaftsministerium Mitte April mit, gesetzliche Vorgaben prüfen zu lassen und bei der nächsten Agrarministerkonferenz eine entsprechende Beschlussvorlage einzubringen. Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) hält das für unnötig sowie kontraproduktiv und sprach sich in einer Pressemitteilung strikt gegen politische Maßnahmen aus.

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