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Kontakte knüpfen, Erfahrungen austauschen und Neues aus Politik und Wissenschaft zur Energiewende hören: Diese Gelegenheit bot der Tag der bayerischen Energiegenossenschaften 2024 Anfang März im ABG Tagungszentrum in Beilngries, und rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen das Angebot gerne an. Veranstalter war der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) in Kooperation mit der Akademie Bayerischer Genossenschaften (ABG).

Vertreten waren neben den bayerischen Energiegenossenschaften auch zahlreiche bayerische Volks- und Raiffeisenbanken, der GVB, der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) sowie weitere Institutionen und Unternehmen, die sich mit der Energiewende beschäftigen. Moderiert wurde die Veranstaltung vom GVB-Energieexperten Daniel Caspari sowie von Udo Löw, Leiter Prüfung und Betreuung Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften beim GVB. Die gebündelte Expertise und die verschiedenen Perspektiven ermöglichten es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, sich zielgenau zu informieren und Ideen auszutauschen. So brachte das Netzwerktreffen für jede einzelne Person einen individuellen Mehrwert.

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Der Tag der bayerischen Energiegenossenschaften in der Video-Zusammenfassung. Video: Florian Christner und Karl-Peter Lenhard (Schnitt), Genossenschaftsverband Bayern

Rahmenbedingungen für die Energiewende zu 100 Prozent aus heimischen erneuerbaren Energien

Nach einer Begrüßung durch GVB-Vorstand Alexander Leißl skizzierte Michael Stöhr, Physiker und Energieexperte sowie Mitglied bei Scientists for Future, die Rahmenbedingungen einer Energieversorgung zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen. Es sei theoretisch schon jetzt möglich, Deutschland komplett mit erneuerbaren Energien zu versorgen, allerdings müssten dafür viel grüner Wasserstoff und E-Fuels aus Ländern mit einem hohen Sonnen- und Windanteil importiert werden. Dafür gebe es bisher aber weder ausreichend Produktionskapazitäten noch die Infrastruktur für den Transport. Zudem sei die Umwandlung von erneuerbarem Strom in Folgeprodukte wie Wasserstoff, grünes Gas (synthetisches Methan) oder eben grüne Kraftstoffe immer mit einem hohen Energieverlust verbunden.

Der Schlüssel für eine Energieversorgung zu 100 Prozent aus heimischen erneuerbaren Quellen seien Energiesparmaßnahmen sowie der weitere schnelle Ausbau von Photovoltaik und Windkraft. Beispielsweise könnten freie Flächen für Biotope mit PV- und/oder Windkraftanlagen verwendet werden. Stöhr plädierte dafür, bei der Energiewende vor allem auf Sonne und Wind zu setzen. PV- und Windkraftanlagen würden die vorhandenen Flächen am effizientesten zur Energiegewinnung nutzen. Zum Vergleich hatte Stöhr beispielhaft ausgerechnet, wie weit ein Auto mit dem Energieertrag pro Hektar Fläche kommt. Ein Verbrenner, der mit Rapsöl betrieben wird, kommt mit der Energie von einem Hektar Rapsfeld 26.250 Kilometer weit. Steht auf der gleichen Fläche ein Windpark und der Strom wird von einem Elektrofahrzeug genutzt (Elektrofahrzeuge sind laut Stöhr vier Mal effizienter als Verbrenner), beträgt die Reichweite 3,7 Millionen Kilometer, bei einer PV-Anlage auf der Fläche sind es sogar 6,7 Millionen Kilometer Reichweite pro Hektar. Zudem ließen sich bei PV-Anlagen und Windparks die Flächen weiter zur Lebensmittelproduktion nutzen oder in Biotope verwandeln, um die Biodiversität zu erhalten.

Energieversorgung auf Quartiersebene am effizientesten

In der Abwägung zwischen Selbstversorgung und überregionalen Versorgungsnetzen plädierte Stöhr für den Mittelweg. Eine Energieversorgung auf Quartiersebene sei laut Studien am effizientesten. Dadurch sei es möglich, Energiequellen anzuzapfen, die Einzelhaushalte nicht nutzen könnten. Zudem sei die Nutzung von Photovoltaik- und Windstrom zur Energieerzeugung deutlich effizienter als beispielsweise Biomasse. Wenn weniger Biomasse zur Energieerzeugung genutzt werde, würden Flächen für eine ökologische Landwirtschaft oder für den Naturschutz frei, so Stöhr.

Finanzierung von Energiewende-Projekten für Banken attraktiv

In der anschließenden Podiumsrunde diskutierten Katharina Habersbrunner, Vorständin der Bürgerenergiegenossenschaft BENG eG, Joachim Scherrer, Vorstand der Bürger Energie Region Regensburg eG, Stefan Jörg, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Landsberg-Ammersee und Vorstandsvorsitzender der VR-BürgerEnergie Landsberg, sowie Christian Haberger, Vertriebsdirektor Firmenkunden der VR-Bank Rottal-Inn, über die Finanzierung von Energiewende-Projekten. „Für uns ist das ein attraktives Geschäft, das wir gerne in die eigenen Bücher nehmen“, sagte Stefan Jörg von der VR-Bank Landsberg-Ammersee. Allerdings bräuchten Energiegenossenschaften zur Finanzierung ihrer Projekte „eine Bank, die dafür brennt“, so Jörg.

Bei der Sicherheitenbewertung braucht es ein Umdenken

Ein großes Thema in der Diskussion war die Sicherheitenbewertung bei Energiewende-Projekten, insbesondere von Nahwärmenetzen. Diese könnten nun mal nicht wie eine normales Haus bewertet werden, wo die Banken häufig pauschal 80 Prozent des Verkehrswerts ansetzen, sagte Christian Haberger von der VR-Bank Rottal-Inn. „Hier müssen manche Banken noch umdenken und bei der Bewertung zum Beispiel viel stärker darauf schauen, ob der Cashflow passt.“ Die Kreditinstitute müssten auch noch besser verstehen lernen, wie die Geschäftsmodelle von solchen Projekten funktionieren. Hier sei eine noch bessere Vernetzung von Energie- und Kreditgenossenschaften wichtig, war sich die Runde einig.

„Genossenschaften sind die insolvenzsicherste Unternehmensform. Das sollte auch bei der Finanzierung berücksichtigt werden“, forderte Katharina Habersbrunner von der Bürgerenergiegenossenschaft BENG eG.  Joachim Scherrer, Vorstand der Bürger Energie Region Regensburg eG kritisierte, dass Darlehen von den Förderbanken KfW und LfA Bayern oftmals teurer seien als normale Bankdarlehen. Das dürfe nicht sein. „Fördermittel müssen günstiger sein als Bankdarlehen“, appellierte Scherrer an die Politik. Zur Sicherheitenbewertung bei Energiewende-Projekten hat eine bundesweite Arbeitsgruppe mittlerweile Leitplanken zur Finanzierung Erneuerbarer Energien erarbeitet. Der GVB hat an der Ausarbeitung der Leitplanken mitgewirkt.

René Groß, Leiter Politik und Recht der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV, informierte über aktuelle energiepolitische und gesetzgeberische Entwicklungen in Berlin, sein Kollege Jonas von Obernitz über das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung. Dieses verpflichtet Kommunen, bis Mitte 2028 für ihr Gemeindegebiet einen Wärmeplan zu erstellen. Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern müssen das bereits bis Mitte 2026 erledigt haben (siehe dazu auch den Beitrag in „Profil“ 3/2024).

Energiewende vor Ort voranbringen: Netzwerktag für Bürgermeister und Kommunalvertreter am 26. April 2024

Die Kommunen spielen eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Energiewende vor Ort. Nach dem Erfolg der ersten Veranstaltung im Dezember 2023 bieten der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) und die Akademie Bayerischer Genossenschaften (ABG) am Freitag, 26. April 2024, ein weiteres Netzwerktreffen für Bürgermeister und Kommunalvertreter an. Im Zentrum steht die Frage, wie die Kommunen gemeinsam mit den Bürgern die Energiewende vor Ort vorantreiben können. Außerdem dient das Treffen dem Austausch mit Vertretern bayerischer Energie- und Kreditgenossenschaften. Die Tagung findet im ABG Tagungszentrum in Beilngries statt. Die Kosten pro Person belaufen sich auf 170 Euro inklusive Verpflegung. Das genaue Programm gibt es auf der Webseite der ABG. Anmeldung per E-Mail an: anke.gabler(at)abg-bayern.de.

Agri-PV bietet Chancen für die Landwirtschaft

Stephan Schindele, Leiter Produktmanagement Agri-PV bei der BayWa r.e. AG, informierte über die Chancen von Agri-Photovoltaik. Bei Agri-PV werden die Solarmodule auf einer Fläche so aufgestellt, dass diese auch landwirtschaftlich genutzt werden kann, etwa als Kuh- oder Schafweide oder zum Anbau von Feldfrüchten. Agri-PV sei komplexer als reine Freiflächen-Photovoltaik, weil zwei Nutzer unter einen Hut gebracht werden müssten. Aber es lohne sich, denn in der Summe sei der Ertrag höher als bei einer Einzelnutzung der Fläche, betonte Schindele.

Aber auch in anderer Hinsicht seien die Vorteile von Agri-PV mannigfaltig. Landwirte könnten ihr Einkommen diversifizieren und so möglicherweise den Betrieb trotz schwieriger Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft erhalten. Die PV-Module würden den Boden wirksam vor Austrocknung und Erosion schützen. In den Bereichen direkt unterhalb der PV-Module erhöhe sich die Biodiversität. Nutztiere wie Kühe und Schafe würden unter den Modulen willkommene Schattenplätze finden – in Zeiten des Klimanwandels und immer heißerer Temperaturen ein wichtiger Wohlfühlfaktor für die Tiere.

Gleich zu Beginn seines Beitrags war Schindele grundsätzlich geworden. In der Definition der UN-Nachhaltigkeitsziele gebe es eine klare Hierarchie, sie stünden nicht im gleichberechtigten Dreieck aus Ökonomie, Sozialem und Ökologie. „Ein funktionierendes Ökosystem ist die Grundlage für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung, ein fruchtbarer Boden und die Landwirtschaft sind die Lebensgrundlage für unser Leben“, betonte der Manager der BayWa r.e. Nur wenn die Natur dauerhaft funktioniere und erhalten bleibe, könne man auch mit ihr Geschäfte machen. Dafür sei es wichtig, aus der eigenen Komfortzone herauszufinden, auch bei Agri-PV. „Agri-PV ist technisch, rechtlich und wirtschaftlich möglich. Es fehlt nur noch die Umsetzung“, sagte Schindele. Energiegenossenschaften und Landwirte seien ein starkes Team, um solche Projekte durchzuziehen. Sie könnten regionale Lösungen anbieten und die Kompetenzen sowie Synergien vor Ort nutzen.

Archäologische Funde vorsichtshalber mit einkalkulieren

Eine ganze Reihe weiterer Vorträge rundeten den Tag der bayerischen Energiegenossenschaften ab. So ist die Bürger-Energie Altertheim eG dabei, eine zweite Windenergieanlage umzusetzen. Vorstand Alfred Grimmer berichtete über den Fortschritt.

Julian Decker ist Geschäftsführer von In Terra Veritas. Er erläuterte, wie Genossenschaften am besten vorgehen, um bei Energiewende-Projekten Behinderungen durch denkmalrechtliche Auflagen zu vermeiden. In ganz Bayern seien archäologische Bodendenkmale und damit Auflagen vom zuständigen Denkmalamt sehr wahrscheinlich. Es sei daher sinnvoll, sich rechtzeitig um eine Grabungsfirma zu kümmern. So könnten die Grabungen mit zeitlichem Puffer durchgeführt werden, um den Zeitplan für das Energiewende-Projekt nicht zu gefährden. Auch ein auf das Projekt zugeschnittenes Grabungskonzept könne sehr hilfreich sein. Denkbar sei etwa die Aufteilung der Flächen in mehrere Grabungszonen, die dann bei negativem Befund schnell freigegeben werden können, während andere Zonen weiter untersucht werden. Franz Reitberger vom Bayerischen Landesamt für Umwelt stellte zudem den Energieatlas Bayern und seine vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten vor.

Weißenburg-Gunzenhausen: Modellregion für Nahwärmenetze

Am Vortag hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Tags der bayerischen Energiegenossenschaften bereits das Unternehmen Enerpipe in Hilpoltstein sowie das Heizhaus des Nahwärmenetzes Berching besucht. Enerpipe projektiert Wärmenetze und vertreibt die dazu benötigte Anlagentechnik. Christoph Bachmann leitet bei Enerpipe den technischen Vertrieb. Gleichzeitig ist er Vorstand der Nahwärme Dornhausen eG (siehe dazu auch den Beitrag „Wärme für ein ganzes Dorf“ in „Profil“ 5/2020).

Bachmann stellte den Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen als Modellregion für Nahwärmenetze vor. 65 solcher Netze mit 5.000 Anschlussnehmern könne der Landkreis inzwischen vorweisen. Ihre Energie beziehen sie aus Hackschnitzelkesseln, Biogasanlagen, Großwärmepumpen oder aus Prozessabwärme. So sparen sie rund 12,5 Millionen Liter Heizöl pro Jahr ein. Das entspreche rund 500 Lkw-Ladungen, verdeutlichte Bachmann. Das Klima werde dadurch um rund 33.000 Tonnen CO2 pro Jahr entlastet.

Für den effizienten Betrieb eines Nahwärmenetzes brauche es jedoch eine abgestimmte Konzeption auf das jeweilige Projekt. So sei es zum Beispiel wichtig, für jeden Anschlussnehmer den exakten Wärmebedarf zu ermitteln und die Spitzenlast durch Pufferspeicher abzufedern, um die Wärmeversorgung mit möglichst wenig Energieverlusten sicherzustellen. Bachmann plädierte außerdem dafür, bei Wärmenetzen in Zukunft auch alternative Energiequellen zu berücksichtigen. Interessant sei die Sektorenkopplung, also zum Beispiel die Nutzung von überschüssigem Solar- oder Windstrom zur Wärmeerzeugung. Dadurch könnten Lastspitzen abgefedert werden und PV- sowie Windenergieanlagen häufiger am Netz bleiben.

Praktische Tipps aus dem Heizhaus

Praktische Tipps gab es von Christian Meier, Geschäftsführer der Altmühl-Sulz-Energie GmbH, die das Nahwärmenetz in Berching betreibt. Bei der Besichtigung des Heizhauses mit Hackschnitzelkessel (siehe Titelfoto) berichtete er den Teilnehmerinnen und Teilnehmern von der Entsorgung der Asche, die wegen der Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nicht nur aufwändig, sondern auch teuer sei. Werden bei der Schadstoffmessung bestimmte Grenzwerte nicht eingehalten, muss die Asche als Sondermüll auf speziellen Deponien entsorgt werden, die teils Hunderte Kilometer entfernt sind. Eine einmalige Bestimmung der Schadstoffe aus nur einer Schicht aus der Aschentonne könne zur Folge haben, dass die gemessenen Werte nicht dem Jahresdurchschnitt entsprechen. Im Zweifelsfall sind sie höher, weil die Anlage in dieser Zeit zum Beispiel nur im Teillastbetrieb gelaufen ist und nicht alle Stoffe restlos verbrannt wurden.

Um das zu vermeiden, lässt die Altmühl-Sulz-Energie die Schadstoffe nun regelmäßig messen, um am Ende ein reelles Messbild zu haben – natürlich mit der Hoffnung auf bessere Werte und damit eine günstigere Entsorgung. Auf diese Weise lernten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Tag der bayerischen Energiegenossenschaften 2024 nicht nur große Projekte und Diskurse kennen, sondern auch kleine praktische Tipps für den Alltag in einer Energiegenossenschaft. So war die Veranstaltung auch von Anfang an gedacht.

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