Ratgeber Steuer: Die Pendlerpauschale wird erhöht und der Soli teilweise abgeschafft. Was hat sich zum Jahreswechsel sonst noch in der Steuergesetzgebung getan? „Profil“ fasst zusammen.
Das Wichtigste in Kürze
- Um Steuerverluste zu unterbinden, hat Deutschland im Einklang mit der EU und der internationalen Staatengemeinschaft eine Meldepflicht für sogenannte „grenzüberschreitende Steuergestaltungen“ eingeführt.
- Dafür wurden in die Abgabenordnung (AO) die Paragraphen 138d bis 138k neu aufgenommen.
- Banken sind unter bestimmten Voraussetzungen dazu verpflichtet, grenzüberschreitende Steuergestaltungen an das Bundeszentralamt für Steuern zu melden.
- Die Auslegung der Regeln im Detail steht noch aus.
- Da die Regeln im Einzelnen sehr komplex und recht unbestimmt sind, bietet der GVB seinen Mitgliedern bei Unklarheiten Unterstützung an.
Die „Panama Papers“ haben gezeigt, wie Reiche und Superreiche Briefkastenfirmen in Steueroasen und andere Schlupflöcher nutzen, um Steuern zu vermeiden. Das hat die internationale Staatengemeinschaft auf den Plan gerufen. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, grenzüberschreitende Steuervermeidungspraktiken und Gewinnverlagerungen gesetzlich zu unterbinden. Bei sogenannten grenzüberschreitenden Steuergestaltungen missbrauchen Unternehmen und vermögende Privatpersonen die Unterschiede der Steuerrechtsordnungen mehrerer Staaten, um steuerpflichtige Gewinne in Staaten mit vorteilhafteren Steuersystemen zu verlagern oder die Gesamtsteuerbelastung zu verringern.
Aktionsplan gegen Gewinnverlagerung
Bereits 2015 – also noch vor den „Panama Papers“ – haben die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die G20-Staaten den sogenannten BEPS-Aktionsplan gegen Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung multinationaler Unternehmen („Base Erosion and Profit Shifting“) erarbeitet. Dieser enthält 15 Empfehlungen für ein international abgestimmtes Vorgehen gegen schädlichen Steuerwettbewerb und gegen aggressive Steuergestaltungen international tätiger Unternehmen.
Missbrauch von Doppelbesteuerungsabkommen verhindern
Mit dem BEPS-Aktionsplan will die Staatengemeinschaft beispielsweise verhindern, dass zwischenstaatliche Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung (Doppelbesteuerungsabkommen) missbraucht werden. Vorteile aus solchen Abkommen sollen grundsätzlich nur dann genutzt werden können, wenn das steuerpflichtige Unternehmen auch tatsächlich in einem der Staaten ansässig ist, die das Abkommen abgeschlossen haben. Denn Unternehmen und Privatpersonen versuchen immer wieder, durch bestimmte Steuergestaltungsmaßnahmen unter den Schutzschirm eines Doppelbesteuerungsabkommens zu schlüpfen (sogenanntes „Treaty Shopping“). So kommen sie in den Genuss von Steuervergünstigungen, zum Beispiel bei der Quellensteuer.
Bis zu 25.000 Euro Bußgeld
Die EU hat die Empfehlungen aus dem BEPS-Aktionsplan im Mai 2018 in die Richtlinie 2018/822 gegossen und damit den „verpflichtenden automatischen Informationsaustausch im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen“ neu gestaltet. Deutschland hat die Richtlinie im Dezember 2019 mit dem „Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen“ in nationales Recht umgesetzt. Mit dem Gesetz wurden die §§ 138d bis 138k in die Abgabenordnung (AO) eingefügt. Die neuen Regeln müssen seit 1. Juli 2020 angewendet werden, obwohl deren konkrete Ausgestaltung nach wie vor offen ist. Demnach müssen alle mitteilungspflichtigen grenzüberschreitenden Steuergestaltungen innerhalb von 30 Tagen an das Bundeszentralamt für Steuern gemeldet werden. Das Gesetz umfasst auch zurückliegende Fälle, die nach dem 24. Juni 2018 initiiert wurden. Bei einem Verstoß kann das Bundeszentralamt ein Bußgeld von bis zu 25.000 Euro verhängen.
Die neuen §§ 138d bis 138k der Abgabenordnung (AO) im Überblick
- § 138d AO: Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen
- § 138e AO: Kennzeichen grenzüberschreitender Steuergestaltungen
- § 138f AO: Verfahren zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen durch Intermediäre
- § 138g AO: Verfahren zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen durch Nutzer
- § 138h AO: Mitteilungen bei marktfähigen grenzüberschreitenden Steuergestaltungen
- § 138i AO: Information der Landesfinanzbehörden
- § 138j AO: Auswertung der Mitteilungen grenzüberschreitender Steuergestaltungen
- § 138k AO: Angabe der grenzüberschreitenden Steuergestaltung in der Steuererklärung
Bund und Länder sind sich noch nicht einig
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat am 14. Juli 2020 den Entwurf eines Schreibens zur „Anwendung der Vorschriften über die Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen“ vorgelegt, mit dem die Anwendung der §§ 138 d ff. AO im Detail geregelt werden soll. Dieser Entwurf gibt den aktuellen Stand der Diskussion zwischen den obersten Finanzbehörden des Bunds und der Länder wieder. Das Schreiben ist noch immer nicht final abgestimmt. Das Bundeszentralamt für Steuern wird sich deshalb bei der Auslegung der §§ 138d ff. AO am Entwurf des BMF-Schreibens orientieren.
Komplexe und unbestimmte Regeln
Basis der neuen Regelungen ist § 138d AO („Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen“). Der Paragraf definiert in Absatz zwei, was als grenzüberschreitende Steuergestaltung anzusehen und damit mitteilungspflichtig ist. Die Regeln sind sehr komplex und recht unbestimmt. Im Wesentlichen besagen sie, dass die Beteiligten in unterschiedlichen Ländern ansässig sein müssen, mindestens ein Kennzeichen nach § 138e AO für eine Steuergestaltung erfüllt wird und „ein verständiger Dritter unter Berücksichtigung aller wesentlichen Fakten und Umstände vernünftigerweise erwarten kann“, dass die Gestaltung in erster Linie darauf abzielt, steuerliche Vorteile zu erlangen.
§ 138e AO („Kennzeichen grenzüberschreitender Steuergestaltungen“) listet die Merkmale solcher Konstrukte auf. Dazu gehören zum Beispiel Vertraulichkeitsklauseln, um gegenüber Intermediären oder den Finanzbehörden zu verschleiern, auf welche Weise ein steuerlicher Vorteil erlangt wird. Auch eine Vergütung, die von der Höhe des steuerlichen Vorteils abhängt, gehört zu den Kennzeichen, ebenso wie eine standardisierte Dokumentation oder Struktur der Gestaltung, die für mehrere Nutzer ohne wesentliche individuelle Änderungen verfügbar ist.
Intermediär oder Nutzer?
Genossenschaften können der Meldepflicht gemäß § 138d AO entweder als sogenannter „Intermediär“ oder als „Nutzer“ unterliegen. Intermediär ist, wer eine grenzüberschreitende Steuergestaltung „vermarktet“, „für Dritte konzipiert“, „organisiert“, „zur Nutzung bereitstellt“ oder „ihre Umsetzung durch Dritte verwaltet“. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers kommen als Intermediäre hauptsächlich Angehörige der steuerberatenden Berufe, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Finanzdienstleister oder sonstige Berater in Betracht. Nutzer ist derjenige, für den die grenzüberschreitende Steuergestaltung bereitgestellt wird, der bereit ist, die grenzüberschreitende Steuergestaltung umzusetzen oder den ersten Schritt zur Umsetzung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung schon gemacht hat. Wie die Meldung zu erfolgen hat, regelt § 138f AO für Intermediäre und § 138g AO für Nutzer.
Keine Bagatellgrenze vorgesehen
Bisher ist keine Bagatellgrenze für die Abgabe der Meldung vorgesehen. Ob eine meldepflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltung vorliegt, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme der Steuerexperten des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Banken sind beispielsweise regelmäßig nicht meldepflichtig, wenn sie gegenüber dem Kunden lediglich Standarddienstleistungen erbringen. Dazu gehören zum Beispiel die Kreditvergabe, Einlagen-, Garantie- und Emissionsgeschäfte, die Anlagevermittlung oder Sortengeschäfte. Das gilt jedoch nicht, wenn die aufgeführte Standarddienstleistung Teil einer Steuergestaltung ist und das jeweilige Kreditinstitut hierüber Kenntnis erlangt.
Fazit
Mit den §§ 138d ff. AO hat der Gesetzgeber eine gesetzliche Grundlage für die Anzeige von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen geschaffen. Insbesondere die Regelungen in § 138d AO als Ausgangspunkt der Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen werfen in der Praxis jedoch eine Vielzahl von organisatorischen und rechtlichen Fragen auf. So müssen die Banken organisatorisch die interne Zuständigkeit für die Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen klären und einen Prozess etablieren, mit dem meldepflichtige Vorgänge erkannt werden können. Rechtlich ist zunächst abzuwägen, ob eine grenzüberschreitende Steuergestaltung überhaupt vorliegt und ob die Bank als Intermediär oder Nutzer auftritt. Darüber hinaus ist eine Zuordnung zu einem Standardgeschäft zu prüfen, das die Bank von der Mitteilungspflicht entbinden würde. Bei Fragen zu diesem komplexen Thema bietet der GVB seinen Mitgliedern gerne Unterstützung an (Kontakt siehe Kasten).
Hendrik Rusniack ist Steuerberater beim Genossenschaftsverband Bayern.
Kontakt zur GVB-Steuerberatung
Die GVB-Steuerberatung unterstützt die Mitglieder des Verbands in allen steuerlichen Fragen, so auch zur Pflicht, dem Fiskus grenzüberschreitende Steuergestaltungen mitzuteilen. Kontakt: steuer[at]gv-bayern.de oder 089 / 2868-3800.