Käsegenuss: Gourmets aus Nah und Fern schätzen die Spezialitäten der Bio-Schaukäserei Wiggensbach. „Profil“ hat dem Erfolgsgeheimnis der Genossenschaft nachgespürt.
Herr Kraus, Goldsteig hat sich der „Oft länger gut“-Kampagne des Start-ups „Too Good To Go“ angeschlossen. Diese soll Verbraucher darauf hinzuweisen, dass Produkte auch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums einwandfrei genießbar sein können. Warum machen Sie bei der Kampagne mit?
Andreas Kraus: Vor allem aus drei Gründen. Erstens möchten wir die Menschen ganz praktisch dazu animieren, nicht nur auf das Mindesthaltbarkeitsdatum zu schauen, sondern zu prüfen, ob das Produkt noch gut ist. Zweitens leisten wir einen Beitrag dazu, Verpackungsmüll zu reduzieren. Das liegt in der Natur der Sache: Wer Produkte vorzeitig wegwirft, muss mehr nachkaufen und steigert dadurch automatisch seinen Verpackungsabfall. Drittens setzen wir uns ganz allgemein für eine höhere Wertschätzung von Lebensmitteln ein. Wir hoffen, dass sich die Verbraucher mit den Produkten auseinandersetzen, wo sie herkommen, wie sie entstehen und wer sie herstellt.
Die „Oft länger gut“-Kampagne
Nach Zahlen des Bundesernährungsministeriums werden in Deutschland jährlich zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Die Hauptlast tragen die Privathaushalte: Rund 6,1 Millionen Tonnen beziehungsweise 52 Prozent des Abfalls fällt bei ihnen an. Statistisch gesehen wirft jeder Bundesbürger etwa 75 Kilo Lebensmittel im Jahr weg.
Einer der Gründe, warum Menschen Lebensmittel entsorgen, ist das überschrittene Mindesthaltbarkeitsdatum. Dabei sind viele der Produkte eigentlich noch gut. Das aus Kopenhagen stammende Start-up „Too Good To Go“ hat deshalb im November 2019 die „Oft länger gut“-Kampagne gestartet. Teilnehmende Lebensmittelhersteller drucken das entsprechende Label sowie in vielen Fällen den Slogan „Schauen – riechen – probieren“ auf ihren Produkte neben dem Mindesthaltbarkeitsdatum ab. Die Hinweise sollen die Menschen animieren, die Lebensmittel nicht blind wegzuwerfen, sondern kritisch zu überprüfen, ob diese noch genießbar sind.
Das Hauptgeschäft von „Too Good To Go“ ist eine App, in die Bäckereien, Supermärkte, Restaurants und Hotels ihre überschüssigen Lebensmittel zu vergünstigten Preisen für Selbstabholer einstellen können. Das Start-up ist in 14 europäischen Ländern sowie in den US-Städten New York City und Boston aktiv.
Welche Produkte von Goldsteig eignen sich für „Oft länger gut“ und woran können Konsumenten erkennen, ob sie diese unbedenklich verzehren können?
Kraus: Vor allem unsere Emmentaler- und Almdammer-Spezialitäten sind häufig länger haltbar als im Mindesthaltbarkeitsdatum angegeben. Dieses zeigt ja lediglich an, bis zu welchem Zeitpunkt wir für einen perfekten Geschmack, Geruch und Aussehen garantieren können, sofern die Kühlkette eingehalten wird. Der Käse selbst kann häufig mehrere Tage danach ohne Bedenken gegessen werden. Ob er noch gut ist, kann man gut mithilfe der eigenen Sinne herausfinden. Deshalb steht auf den Verpackungen auch der Hinweis „Schauen – riechen – probieren“. „Oft länger gut“ ist natürlich nur als Vorschlag zu verstehen. Wer sich unsicher ist, oder eine Auffälligkeit am Produkt bemerkt, sollte es zur Sicherheit lieber entsorgen.
Gibt es auch Milcherzeugnisse, die sich nicht für „Oft länger gut“ eignen?
Kraus: Beim Mozzarella verzichten wir auf den Hinweis. Er ist deutlich empfindlicher als andere Käsesorten und verdirbt dementsprechend leichter. Das passiert vor allem bei höheren Temperaturen im Sommer, wenn beispielsweise der Einkauf länger im Auto liegen bleibt.
Die Kampagne soll zu einem bewussteren Umgang mit Lebensmitteln anregen. Was sollte aus Ihrer Sicht zusätzlich passieren, damit die Wertschätzung – insbesondere für tierische Produkte wie Käse – wieder steigt?
Kraus: Mich treibt schon länger die Frage um, wie wir bei den Verbrauchern ein neues Bewusstsein für Milchprodukte erzeugen können. Denn Umfragen zeigen uns, dass den Menschen einerseits die Produkte schmecken, andererseits aber gerade die jüngere Generation regelmäßig zu Alternativen greift. Umso mehr freut es mich, dass die relevanten Akteure der deutschen Milchwirtschaft eine gemeinsame Branchenkommunikation beschlossen haben und künftig bundesweit in Erscheinung treten. Wir als Goldsteig begrüßen das ausdrücklich und beteiligen uns entsprechend. Hauptziel der Aktion ist es, den Ursprung der Milchproduktion wieder in den Vordergrund zu rücken. Die Kampagne soll den Verbrauchern zeigen, welche Leistungen nötig sind, damit die Ware in den Supermarktregalen stehen kann. Dazu erfahren sie beispielsweise, welchen Beitrag Tier, Umwelt und Mensch beisteuern, was entlang der Wertschöpfungskette passiert oder warum Milchprodukte gesunde und verantwortungsvoll hergestellte Nahrungsmittel sind.
„Wir veröffentlichen im Laufe dieses Jahres erstmals einen Nachhaltigkeitsbericht.“
Die Ziele der „Oft länger gut“-Kampagne – Müll vermeiden und mehr Wertschätzung für Lebensmittel – passen gut zur heutigen Zeit, in der das Thema Nachhaltigkeit immer mehr in den Fokus rückt. Welche weiteren Anstrengungen unternimmt Goldsteig in diesem Bereich?
Kraus: Wir setzen uns seit Jahren für nachhaltiges Wirtschaften und einen schonenden Umgang mit Ressourcen ein. Beispielsweise haben wir den Verbrauch und den Umfang von Verpackungs- und Folienmaterial erheblich reduziert, dadurch sparen wir jedes Jahr hunderte Tonnen Plastik ein. Außerdem gibt es seit rund zehn Jahren eine Kooperation mit einem Biomasseheizwerk, das unseren gesamten Bedarf an Primärenergie abdeckt. In diesem Bereich arbeiten wir also CO2-neutral. Das Siegel „Ohne Gentechnik“ konnten wir bereits 2012 einführen und seit 2017 dürfen die Mitglieder nur noch Futtermittel aus Deutschland oder Europa verwenden. Kurze Zeit später haben wir den Einsatz von Glyphosat verboten. Ich denke also, dass wir im weiten Feld Nachhaltigkeit auf einem sehr guten Weg sind und diesen auch in Zukunft konsequent weitergehen. Um unsere Bemühungen transparent aufzuzeigen, veröffentlichen wir im Laufe dieses Jahres erstmals einen Nachhaltigkeitsbericht.
Goldsteig hat viele Jahre mit Monika Gruber als Botschafterin geworben, nun haben Sie sich für einen neuen Markenauftritt entschieden. Warum?
Kraus: Goldsteig war schon immer stark im Lebensmitteleinzelhandel vertreten, allerdings mit einem hohen Anteil an Discount-Ware. Damit uns die Verbraucher als eigenständige Marke wahrnehmen, haben wir ab 2010 unsere Vertriebs- und Marketingstruktur komplett neu aufgestellt. Dazu gehörte beispielsweise ein neues einheitliches Verpackungsdesign oder die von Ihnen angesprochene Werbepartnerschaft mit Monika Gruber. Das hat sehr gut funktioniert und wir haben es geschafft, uns völlig neu zu platzieren. Mittlerweile treten wir im Einzelhandel als starke Marke auf. Nun sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr die Einzelprodukte in den Fokus rücken, sondern die Dachmarke Goldsteig stärken möchten. Deshalb setzen wir in Zukunft auf einen neuen und emotionalen Markenauftritt mit den Schlagworten Regionalität, Transparenz und Nachhaltigkeit. Die Aktivitäten konzentrieren wir dabei zum einen auf den sogenannten Point of Sale sowie zum anderen auf das Internet. Im Netz bespielen wir vor allem die sozialen Medien, YouTube und Smart TVs.
Inwieweit passt der Slogan „Wild unsere Natur. Echt unser Geschmack“ sowie das Label „Wald- und Bauernregion“ zu Goldsteig?
Kraus: Ziel der Kampagne ist es, uns möglichst authentisch und ehrlich zu präsentieren. Dazu möchten wir zeigen, wie unsere Heimatregion ausschaut und was sie alles zu bieten hat. Zu diesem Vorhaben passt das Label „Wald- und Bauernregion“ hervorragend. Schließlich ist der Bayerische Wald die größte Waldlandschaft Mitteleuropas. Und die Bauern – unsere Mitglieder – tragen durch ihre Tätigkeit entscheidend dazu bei, dass die Wald- und Kulturlandschaft lebenswert für die Einheimischen und begehrenswert für Touristen als Urlaubsziel bleibt. Der Slogan „Wild unsere Natur. Echt unser Geschmack“ zielt hingegen auf die ursprüngliche und vielfältige Natur des Bayerischen Walds ab. Diese schafft die Grundlagen für den einzigartigen Geschmack der Goldsteig-Produkte, der nur bei uns entstehen kann.
„Die Kühe wissen nichts vom Lockdown oder von Corona.“
Im Rahmen der Corona-Pandemie ist die Nachfrage der Privatkunden nach Lebensmittel einerseits erheblich gestiegen…
Kraus: In der Tat gab es 2020 eine höhere Nachfrage des Lebensmitteleinzelhandels nach unseren Produkten, vor allem bei den Hamsterkäufen im Frühjahr sowie in der Vorweihnachtszeit.
… andererseits mussten Hotels und Restaurants schließen. Wie hat sich vor diesem Hintergrund das Geschäft von Goldsteig entwickelt?
Kraus: Durch die Lockdowns mussten wir erhebliche Einbußen beim Großhandel verzeichnen. Lassen Sie mich bitte in diesem Zusammenhang mit einem Mythos aufräumen: Dass die Zuwächse im Einzelhandel die entgangenen Umsätze mit Gastronomie und Hotellerie ausgleichen, ist eine Milchmädchenrechnung, um es einmal so deutlich zu sagen. Uns fehlen beispielsweise beim Mozzarella monatlich bis zu 25 Prozent des gewöhnlichen Umsatzes. Der Grund ist simpel: Zu Hause konsumieren die Menschen andere Produkte als etwa im Restaurant. Insgesamt haben wir somit ein schwieriges Jahr 2020 hinter uns, mit dem wir aufgrund der Umstände halbwegs zufrieden sind. Auch der Start in 2021 war und ist durch die unklare Perspektive holprig.
Problematisch ist vor allem, dass man die Kühe nicht in Kurzarbeit schicken kann, oder?
Kraus: Ja, die Kühe wissen nichts von Lockdown oder von Corona. Sie geben weiter ihre gewohnte Menge an Milch ab. Da wir diese derzeit nicht komplett verwerten können, braucht es Alternativen. Die gibt es auch, beispielsweise lassen wir die Milch zu Pulver verarbeiten. Aber das ist nicht unser Kerngeschäft. Weitere Themen – wie können wir die Maschinen trotz geringerer Mengen optimal auslasten, wie viel Personal halten wir vor, wie bereiten wir uns optimal auf das Wiederanlaufen der Gastronomie vor – beschäftigen uns ebenfalls. Wir wollen aber nicht jammern, sondern die Situation so gut wie möglich annehmen. Optimistisch sein, dass es bald wieder voll losgeht und wir wie gewohnt den Groß- und Einzelhandel mit unseren Produkten beliefern können.
Herr Kraus, vielen Dank für das Gespräch!