Diese Website verwendet Cookies. Wenn Sie unsere Seiten nutzen, erklären Sie sich hiermit einverstanden. Weitere Informationen

    Anzeige

Anzeige

Herr Geppert, die Gastronomie gehörte zu den ersten Leidtragenden der Corona-Krise. Wie stellt sich die Situation des Gastgewerbes aktuell dar?

Thomas Geppert: Die Zukunft vieler der 40.000 Unternehmen des bayerischen Gastgewerbes mit seinen 447.000 Erwerbstätigen ist akut bedroht, wenn nicht schnell gehandelt wird. Es geht um die Existenz der „öffentlichen Wohnzimmer“ unserer Gesellschaft. Ohne schnelle und effektive Hilfe sind Insolvenzen programmiert. Zehntausende Arbeitsplätze werden verloren gehen. Unsere Betriebe haben eine große wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung für unser Land – in der Stadt wie in den Regionen. Es besteht akuter Handlungsbedarf!

Mein Eindruck: Die Maßnahmen von Landes- und Bundesregierung machen mich optimistisch, sie reichen jedoch bei Weitem nicht. Und: Die Hilfen müssen jetzt kommen, nicht morgen und nicht übermorgen. Die Betriebe brauchen neben den auf den Weg gebrachten Liquiditätshilfen und der Möglichkeit von Steuerstundungen auch Steuerentlastungen, vor allem die Anpassung des Umsatzsteuersatzes für die Gastronomie auf sieben Prozent.


Was ist das Besondere an der Situation der Gastronomie?

Geppert: Im Gegensatz zu allen anderen Wirtschaftskrisen sind die Umsätze bei unseren Betrieben von einem Tag auf den anderen weggebrochen. Zudem gibt es im Gastgewerbe keinen Nachholeffekt. Das Zimmer, das heute nicht belegt war, das Essen, das heute nicht verkauft wurde, kann nicht nachgeholt werden. Viele Betriebe haben auch keine Liquiditätsspielräume. Gastgewerbliche Betriebe zu retten, hat eine große Bedeutung vor allem im ländlichen Raum: Denn wer ist denn da noch? Ohne diese Betriebe brechen regionale Wirtschaftskreisläufe zusammen.
 

Sie fordern für die Gastronomie einen Nothilfefonds ähnlich dem für Landwirte während der Dürrekatastrophe 2018. Warum diese Forderung, und wie genau soll dieser Fonds aussehen?

Geppert: Die bislang getroffenen Maßnahmen der Bundesregierung sowie der Landesregierungen stellen für viele Betriebe keine wirkliche Hilfe dar. Diese erwarten eine Entschädigung. Denn aufgrund der allgemeinen Verfügungen haben die Betriebe in den letzten Wochen existenziell bedrohliche Umsatzeinbußen erlitten, die meisten Betriebe sind seit Mitte März sogar geschlossen. Das Problem ist: Die Soforthilfen der Länder setzen teilweise voraus, dass erst das private Vermögen geopfert werden muss, bevor die Fördergelder in Höhe von 5.000 bis maximal 30.000 Euro pro Betrieb fließen können. Will heißen: Derjenige, der heute nichts hat, bekommt die Gelder sofort. Wer gut gewirtschaftet hat und zum Beispiel für die Altersvorsorge Gelder zurückgelegt hat, hat das Nachsehen. Dafür gibt es kein Verständnis.

Auch das Anbieten von KfW-Krediten hilft nicht wirklich: Viele Wirte haben bereits hohe Verbindlichkeiten, weitere Kredite gibt es nicht. Es sei denn, der Unternehmer wäre bereit und auch noch in der Lage, sein gesamtes privates Vermögen als Sicherung zur Verfügung zu stellen. Mein Fazit: Der Mittelstand fällt durchs Raster des Schutzschilds. Es kann und darf nicht sein, dass er am Ende der Krise nur mit höheren Kreditverbindlichkeiten dasteht.

Nicht anders sieht es mit Kurzarbeitergeld aus. Nahezu alle Betriebe der Branche haben keine Erfahrung mit der Beantragung von Kurzarbeitergeld. In den Arbeitsagenturen wurden die Kapazitäten für die Bearbeitung der Anträge in den letzten zehn Jahren runtergefahren, weil keine Nachfrage da war. In dieser Konstellation treffen unsere Betriebe vielfach auf völlig übelastete Arbeitsagenturen und erhalten die Auskunft, dass die Erstattung des Kurzarbeitergelds erst Ende April/Anfang Mai oder zum Beispiel erst im Juni erfolgen soll.
 

Was schlagen Sie vor?

Geppert: Die Hilfsmaßnahmen müssen schneller und direkter werden. Warum weist man nicht als zusätzlichen Rettungsweg den Finanzämtern eine Schlüsselrolle zu? Selbstverständlich sollten nicht nur alle Steuervorauszahlungen sofort gestoppt werden. Die Infrastruktur kann vielmehr auch genutzt werden, um liquide Mittel direkt auf die Firmenkonten einzuzahlen. Wer in der Vergangenheit hohe Steuerzahlungen geleistet hat, sollte in der Corona-Krise jetzt einen erheblichen Teil seiner Steuerzahlungen des vergangenen Jahres einfach innerhalb weniger Tage zurücküberwiesen bekommen. So eine „negative Gewinnsteuer“ könnte eine schnelle, unbürokratische und gerechte Liquiditätsversorgung sein. Je nach Dauer der Krise könnte später via ohnehin fälliger Steuererklärung abgerechnet und Einzelfallgerechtigkeit hergestellt werden.


Aktuell übernehmen die öffentlichen Förderanstalten wie die KfW oder die LfA Förderbank Bayern 80 beziehungsweise 90 Prozent des Kreditrisikos bei Corona-Liquiditätshilfen. Wieso reicht das aus Ihrer Sicht für das Gastgewerbe nicht aus?

Geppert: Es reicht nicht aus, weil die Hausbanken eine absolute Sicherheit haben wollen. Um die restlichen Prozentpunkte abzudecken, verlangen die Banken Sicherheiten, die unsere Betriebe oftmals nicht erfüllen können.
 

Sie sprachen anfangs außerdem die Anpassung des Umsatzsteuersatzes an…

Geppert: Keine Frage, die vorstehenden Maßnahmenvorschläge haben absolute Priorität, insbesondere wenn keine Umsätze getätigt werden. Gleichwohl werben wir auch dafür, ein Mut machendes Signal an die überwiegend mittelständischen Unternehmer unserer Branche in dieser Ausnahmesituation zu prüfen. Gute Wirtschaftspolitik zeichnet sich bekanntermaßen auch dadurch aus, dass sie Menschen in Notlagen Perspektiven vermittelt. Mit der in Aussichtstellung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für gastronomische Umsätze könnte ein solches wertvolles Signal gegeben werden. Die Unternehmen hätten dann Spielräume, ihre Verbindlichkeiten zu tilgen und die auflaufenden Umsatzausfälle könnten teilweise kompensiert werden.


Herr Geppert, vielen Dank für das Interview!

Artikel lesen
Topthema