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In Oberhaching braut eine Brauereigenossenschaft ein Heimatbier und belebt damit die Gemeinschaft vor Ort. Die Gartenbauzentrale Main-Donau eG versorgt weite Teile Süddeutschlands mit frischem Gemüse. Und im Naturpark Ammergauer Alpen verköstigt eine Schaukäserei Einheimische wie Touristen mit hochwertigen Käsespezialitäten. Drei verschiedene Genossenschaften, drei verschiedene Geschäftsmodelle. Doch eines eint sie: Sie sind erfolgreich, weil sie den Wunsch der Verbraucher nach regionalen Lebensmitteln erfüllen. Wie machen sie das?

Brauereigenossenschaft Oberhaching: Bier schafft Nähe

An das Gründungsfest der Brauereigenossenschaft Oberhaching im April 2016 denkt Florian Schärpf noch heute gerne zurück. Mit 500 Besuchern war der Gemeindesaal rappelvoll, knapp 300 Menschen zeichneten Anteile und am Ende gab es kein Bier mehr. „Die Feier war ein absolutes Highlight“, sagt der Vorstand.

Zwei Jahre später ist die Freude am Heimatbier in Oberhaching, einer Gemeinde südlich von München mit mehr als 13.000 Einwohnern, ungebrochen. Schon bald wird die Genossenschaft ihr 500. Mitglied begrüßen. Und viel früher als gedacht, nämlich im zurückliegenden Geschäftsjahr, schrieben die Brauer eine schwarze Null. Das liegt daran, dass den Oberhachingern ihr Bier schmeckt: 2017 wurden rund 60.000 Flaschen geleert – das entspricht 3.000 Kästen á 20 Flaschen. Mittlerweile umfasst ihr Angebot fünf Sorten: Kellerbier, Weißbier, Maibock, Dunkelbock und Helles.

Brauereigenossenschaft Oberhaching
Prost: Die Vorstände und Aufsichtsräte der Brauereigenossenschaft Oberhaching um Florian Schärpf (li.) beim Gründungsfest im April 2016.
Brauereigenossenschaft Oberhaching
Hier packt jeder an: Ehrenamtliche helfen dabei, die Bierkästen mit dem Logo zu bekleben.
Brauereigenossenschaft Oberhaching
Eines der Motive aus der Marketing-Kampagne „Bier und Heimat bedeuten für mich…“.
Brauereigenossenschaft Oberhaching
Auf zahlreichen Veranstaltungen präsent: Die Brauereigenossenschaft Oberhaching auf dem GVB-Verbandstag 2016.

Um ein gutes Bier zu brauen, legen sich die Genossen, die allesamt ehrenamtlich tätig sind, ins Zeug. „Nur aus Heimatverbundenheit kauft keiner unser Bier. Wir müssen die Menschen schon mit dem Geschmack überzeugen“, sagt Schärpf. Und das ist gar nicht so einfach: Beim Bierbrauen verändern Nuancen wie die Qualität des Hopfens oder die Dauer des Gärprozesses den Geschmack. Während Großbrauereien diesen Effekt minimieren, indem sie die verschiedenen Sude in Megatanks mixen, ist das Produkt von kleinen Brauereien stets anders. Schärpf: „Viele Menschen sind gewohnt, dass ein Bier immer gleich schmeckt. Um zu erklären, warum das bei uns nicht so ist, war viel Aufklärungsarbeit nötig.“

„Wir wollen nicht in Konkurrenz zu den großen Brauereien treten oder ein Szenegetränk herstellen. Wir wollen die Gemeinschaft im Ort stärken und Menschen aller Altersklassen und sozialer Herkunft einbinden.“

Florian Schärpf, Vorstandsmitglied bei der Brauereigenossenschaft Oberhaching

In den nächsten Jahren möchte die Genossenschaft ihren Absatz kontinuierlich ausbauen – allerdings nur in Oberhaching. „Unser Ziel, mit dem wir vor zwei Jahren gestartet sind, gilt weiterhin: Wir wollen nicht in Konkurrenz zu den großen Brauereien treten oder ein Szenegetränk herstellen. Wir wollen die Gemeinschaft im Ort stärken und Menschen aller Altersklassen und sozialer Herkunft einbinden“, sagt Schärpf. Dazu vernetzt sich die Genossenschaft mit den rund 80 lokalen Vereinen. Ob der Alpenverein seine Jahresfeier ausrichtet, der Fußballverein ein Grillfest, die Volkshochschule einen Tanzabend oder die Gemeinde eine Lesung: Mittlerweile gibt es bei einem Großteil der Veranstaltungen vor Ort das Oberhachinger Bier zu trinken. Dadurch lernen Menschen aus den verschiedensten Gruppen das Produkt kennen und die Brauerei kann mit einem festen Absatz planen.

Die Genossenschaft will aber auch den Zugereisten in der Gemeinde ein Angebot machen. Denn nicht jeder ist sportlich aktiv, in einer Glaubensgemeinschaft verankert oder kommt über seine Kinder in Kontakt mit anderen Eltern. Wer ohne solche Anknüpfungspunkte neu in einen Ort kommt, tut sich manchmal schwer, Bekanntschaften zu schließen. „Aber mit Bier kann fast jeder etwas anfangen“, sagt Schärpf. Ein Mitglied habe ihm erzählt, dass er seit 30 Jahren in Oberhaching wohnt und über sein Engagement bei der Brauerei erstmals Anschluss im Ort gefunden hat.

Um möglichst alle Oberhachinger zu erreichen, hat die Brauereigenossenschaft im vergangenen Jahr die Kampagne „Bier und Heimat bedeuten für mich…“ aufgelegt. Die sechs Motive zeigen die Vorstände und Aufsichtsräte mit ihrem Gesicht und einer individuellen Ergänzung des Slogans, beispielsweise „…Gemeinsamkeit und Genuss!“. Die Idee kam den Verantwortlichen bei der Frage, warum sie sich engagieren. Dabei wurde deutlich, dass jeder Teilnehmer andere Motive verfolgt: Der eine möchte sein eigenes Bier brauen, der andere sucht die Gemeinschaft, der nächste träumt vom eigenen Bräustüberl. „Mit der Kampagne präsentieren wir unsere Vielfalt. Hier ist für jeden etwas dabei“, sagt Vorstand Schärpf.

Schaukäserei Ammergauer Alpen eG schützt „Urvieh“

Das „bayerische Urvieh“ lebt in der Region um Garmisch-Partenkirchen. Die Rede ist vom Murnau-Werdenfelser Rind, einer der ältesten Rinderrassen der Welt. Bestens an Klima und Natur angepasst erfreute es sich jahrhundertelang großer Beliebtheit bei den Bauern. Mittlerweile aber ist es vom Aussterben bedroht – hochgezüchtete Rassen haben das Urvieh verdrängt. Doch es gibt Initiativen, die das Murnau-Werdenfelser Rind schützen wollen. Eine bedeutende Rolle nimmt die Schaukäserei Ammergauer Alpen eG ein. Sie vertreibt seit Anfang des Jahres einen Schnittkäse, der aus der Milch der Kühe hergestellt wird

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Im Gespräch: Klement Fend, Vorstandsvorsitzender der Schaukäserei Ammergauer Alpen eG, erklärt, wie die Genossenschaft zum Schutz des Murnau-Werdenfelser Rinds beiträgt.

„Schon bei der Gründung 2005 war die Zielrichtung klar: Wir wollen in der Region etwas für die Region tun“, sagt der Vorstandsvorsitzende Klement Fend. Beheimatet ist die Genossenschaft in den Ammergauer Alpen, einer strukturschwachen Region. Überregional sind vor allem Schloss Linderhof, die Benediktinerabtei Kloster Ettal und Oberammergau mit seinen Passionsspielen bekannt. Im August 2017 wurde das Gebiet offiziell zum Naturpark ernannt. „Wir hoffen, dass durch die Auszeichnung mehr Touristen kommen und länger hierbleiben“, sagt Fend. Auch die diesjährige Bayerische Landesausstellung „Wald, Gebirg und Königstraum – Mythos Bayern“ kommt hierher – sie ist von Mai bis November im Kloster Ettal zu besichtigen.

Der Schaukäserei gehören 37 Mitglieder an, aktuell liefern vier Genossenschaftsmitglieder und neun Halter von Murnau-Werdenfelser Kühen ihre Milch. Daraus entsteht vor allem Käse, aber auch Trinkmilch, Butter, Joghurt und Quark. Diese Produkte vermarktet die Genossenschaft auf drei Wegen: Erstens im eigenen „Kasladen“ mit Probierstüberl (Mandlweg 1, 82488 Ettal), wo rund ein Drittel der Menge verkauft wird. Zweitens beliefert die Käserei im Umkreis von rund 40 Kilometern Supermärkte, Hotels und Gastronomiebetriebe und verkauft dort etwa 15 Prozent ihres Käses. Rund die Hälfte der Produktion geht über den Großhandel an den Lebensmitteleinzelhandel in ganz Oberbayern.

Die Schaukäserei sichert Arbeitsplätze in der Region. Derzeit beschäftigt sie 30 Mitarbeiter, darunter einige Bäuerinnen. Im Kasladen arbeiten sie in Teilzeit und schaffen damit ein zusätzliches Einkommen für die Familie. „Wir profitieren von der Identifikation, weil die Mitarbeiter voll hinter den Produkten stehen und aus der bäuerlichen Praxis erzählen können“, sagt Fend. Zudem kommen viele Touristen in die Schaukäserei: Montags bis samstags um 11 Uhr gibt es eine Führung, bei der die Teilnehmer sehen, wie aus Milch Käse wird oder was Molke ist. Insgesamt begrüßt die Käserei pro Jahr rund 100.000 Besucher.

Trotzdem steht die Schaukäserei permanent vor Herausforderungen. Während der Kasladen für einen stetigen Umsatz sorgt, muss die Genossenschaft darauf achten, dass der Lebensmitteleinzelhandel die Produkte abnimmt. Um attraktiv zu bleiben, setzt die Genossenschaft auf Zertifikate. Unter anderem darf sie als erster Betrieb das Siegel „Geprüfte Qualität – Ammergauer Alpen“ verwenden. „Wir messen dem Siegel eine hohe Bedeutung bei. Immerhin wird es vom Bayerischen Ernährungsministerium vergeben und streng kontrolliert. Damit schaffen wir eine hohe Glaubwürdigkeit für die Verbraucher“, sagt Fend. Zum anderen legt die Schaukäserei regelmäßig neue Produkte auf – wie den Urvieh-Käse. Fend: „Wir können nicht 20 Jahre das Gleiche machen. Die Verbraucher wollen Abwechslung.“

Gartenbauzentrale Main-Donau eG setzt auf Frische

Der Boden in der Region um Gundelfingen an der Donau bietet für viele Gemüsesorten optimale Wachstumsbedingungen. Kein Wunder also, dass Menschen dort seit langer Zeit Rettich, Petersilie oder Gelbe Rüben anbauen. Gemüsebauer Werner Hopf, der seinen Hof in dritter Generation bewirtschaftet, verdient damit seinen Lebensunterhalt. Einen Teil der Erzeugnisse verkauft er über seinen Hofladen und auf Wochenmärkten. Der Großteil geht jedoch an die Gartenbauzentrale Main-Donau eG. „Die Genossenschaft bietet den idealen Rahmen, um das Gemüse zu vermarkten“, sagt Hopf, der nicht nur Mitglied, sondern auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender ist.

Die Gartenbauzentrale Main-Donau versorgt zahlreiche Supermärkte im süddeutschen Raum mit Gemüse. Im vergangenen Jahr setzte sie über 26.000 Tonnen ab und erwirtschaftete einen Umsatz von rund 26 Millionen Euro. Das Anbaugebiet der 40 Mitglieder konzentriert sich auf zwei Zentren, die rund 170 Kilometer voneinander entfernt liegen: Das schwäbische Gundelfingen und Albertshofen in Unterfranken. Diese ungewöhnliche Aufteilung ist Folge einer Fusion zweier Gartenbau-Genossenschaften zum heute existierenden Unternehmen im Jahr 1998.

Gartenbauzentrale Main-Donau eG.
Bis zum Horizont: Die Salatfelder von Werner Hopf, Mitglied und Aufsichtsrat der Gartenbauzentrale Main-Donau eG.
Gartenbauzentrale Main-Donau eG.
Stark vertreten: Die Genossenschaft ist einer der führenden Produzenten von Wurzelgemüse in Deutschland. Dazu gehören auch Pastinaken.
Gartenbauzentrale Main-Donau eG.
Präsent: Auf den LKWs der Genossenschaft ist das Logo „Albert&Gundel“ aufgebracht.
Gartenbauzentrale Main-Donau eG.
Anlieferung: Im zentralen Lager wird das Gemüse für den Handel verpackt.
Gartenbauzentrale Main-Donau eG.
Beliebt: Tomaten sind einer der Verkaufsschlager.

Eine maßgebliche Rolle bei der Verschmelzung vor 20 Jahren spielte die Überlegung, dem Lebensmitteleinzelhandel ein breites Sortiment anzubieten. Während die Schwaben vor allem auf Freilandgemüse wie Salat, Rettich und Blumenkohl setzen, bauen die Betriebe in Unterfranken hauptsächlich Tomaten und Gurken an, immer mehr davon in Gewächshäusern. „Das Modell funktioniert nach wie vor gut“, sagt Hopf. So setzen viele Supermarktinhaber aus den beiden Anbaugebieten der Genossenschaft auf deren Erzeugnisse und bewerben sie als Heimatprodukte. „Beim Geschmack von Gemüse macht es eben einen Unterschied, ob die Ware direkt geliefert wurde oder mehrere Tage im Lager stand. Frische ist durch nichts zu ersetzen“, sagt Hopf.

Dennoch muss sich die Genossenschaft der Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel stellen. Die wenigen verbliebenen Unternehmen wollen möglichst große Mengen in möglichst einheitlicher Qualität einkaufen. Auf diese Entwicklung reagieren die Mitglieder, indem sie ihr Angebot spezialisieren. Beispiel Rettich: Dieser wächst entlang der Donau. Während ihn früher dennoch nur wenige Gärtner im Sortiment hatten, baut mittlerweile jeder Betrieb diese Pflanze an. Somit lässt sich die Nachfrage gut bedienen. Beim Wurzelgemüse ist die eG sogar einer der Marktführer in Deutschland. Die Genossenschaft unterstützt ihre Mitglieder, indem sie etwa in Kühlhäuser sowie Erntemaschinen investiert und diese zur Verfügung stellt.

Damit die Verbraucher einen Bezug zur Gartenbauzentrale haben, druckt diese auf jedes Etikett den Namen des Erzeugers. Bei eingeschweißten Produkten gibt es sogar häufig ein Foto der Gärtnerfamilie. „Das verleiht den Produkten eine persönliche Note“, sagt Hopf. Zudem hat die Genossenschaft ihre Marketingaktivitäten ausgeweitet. Seit 2017 wirbt sie mit den beiden Zeichenfiguren Albert – der für Albertshofen steht – und Gundel – die Gundelfingen repräsentiert – für ihre Produkte. Das soll dem Gemüse ein Gesicht geben und Verbrauchern Lust auf frische sowie geschmackvolle Erzeugnisse aus der Region machen.

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