Nachhaltigkeit: Der ökologische Umbau der Wirtschaft darf nicht zu Lasten der Finanzstabilität gehen, warnen der Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick und der Europaabgeordnete Markus Ferber.
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EU-Kommission zur Nachhaltigkeit in der Finanzberatung
„Durch die Beratung spielen Wertpapier- und Versicherungsvermarkter eine zentrale Rolle bei der Neuausrichtung des Finanzsystems auf Nachhaltigkeit. Diese Intermediäre müssen die Anlageziele und die Risikotoleranz ihrer Kunden vor der Beratung beurteilen, um geeignete Finanzprodukte zu empfehlen. Die Präferenzen der Kunden zu nachhaltigen Finanzprodukten werden in der Beratung jedoch oft nicht ausreichend berücksichtigt (…). Aus diesem Grund sollten die Unternehmen die Präferenzen ihrer Kunden bei ökologischen, sozialen und Governance-Faktoren (ESG) abfragen und berücksichtigen, wenn sie Finanzprodukte empfehlen, d.h. bei der Produktauswahl und der Geeignetheitsfeststellung.“ (S. 6)
Dazu meine ich: „Die Kommission will den Banken vorschreiben, ökologische und soziale Präferenzen ihrer Kunden abzufragen. Das ist überflüssig. Schon heute gehen die Volksbanken und Raiffeisen im Rahmen der genossenschaftlichen Beratung intensiv auf die Belange ihrer Kunden ein. Dabei berücksichtigen sie auch das Thema Nachhaltigkeit. Abgesehen davon: die EU-Kommission hat bislang überhaupt noch keine Definition von „Nachhaltigkeit“ geliefert. Es wäre also voreilig, entsprechende Kriterien ins Pflichtenheft der Finanzberater zu schreiben. Zumal Verbraucher und Banken schon heute unter einer Flut an Vorschriften bei der Wertpapier- und Versicherungsberatung leiden.“
EU-Kommission zur Nachhaltigkeit in der Bankenregulierung und -aufsicht
„Die Kommission wird prüfen, inwieweit Risiken im Zusammenhang mit Klima- und anderen Umweltfaktoren in das Risikomanagement und die mögliche Kalibrierung der Eigenkapitalanforderungen von Banken (…) einbezogen werden können. Ziel wäre es, Nachhaltigkeitsfaktoren zu berücksichtigen. Allerdings nur sofern dies unter Risikogesichtspunkten gerechtfertigt ist. Die Kohärenz und Wirksamkeit der Aufsicht sowie die Finanzstabilität muss gewährleistet sein. Eine Neukalibrierung der Kapitalanforderungen muss auf der Grundlage von Daten und der Bewertung des aufsichtsrechtlichen Risikos erfolgen (…).“ (S. 9)
Dazu meine ich: „Die Kommission zeigt sich einsichtig. Sie hat verstanden, dass ein „grüner Unterstützungsfaktor“ risikobasiert ausgerichtet werden muss. Damit erkennt sie an, dass nachhaltige Finanzierungsprojekte nicht automatisch risikoärmer sind als andere. Klimafreundliche Investitionen dürfen bei der Kreditvergabe nicht aus politischen Erwägungen mit Kapitalerleichterungen bevorzugt werden. Der fragwürdige Unterstützungsfaktor steht jetzt erstmal unter Prüfungsvorbehalt – und das ist gut so.“
Leider droht aber an anderer Stelle überzogene Ökobürokratie: Banken sollen die Risiken aus Klimawandel und Umweltverschmutzung zukünftig in ihrem Risikomanagement berücksichtigen. Wie genau, bleibt im Dunkeln. Gerechnet wird mit neuen Anforderungen unter anderem bei Melde- oder Offenlegungspflichten. Damit würde die EU-Kommission ihre eigenen Pläne zur Entlastung kleinerer Banken von unverhältnismäßiger Regulierung konterkarieren.“
EU-Kommission zu Berichtspflichten von Unternehmen
„Die Unternehmensberichterstattung zu Nachhaltigkeitsthemen ermöglicht es Investoren, die langfristige Wertschöpfung und die Nachhaltigkeitsrisiken von Unternehmen zu bewerten. Seit 2018 (…) müssen Unternehmen im öffentlichen Interesse wesentliche Informationen zu zentralen Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten offenlegen. Die Unternehmen sind bei der Meldung flexibel. In Zukunft muss ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Flexibilität und der Standardisierung der Offenlegung gefunden werden, die notwendig ist, um die für Investitionsentscheidungen benötigten Daten zu generieren. (...) Die Kommission startet daher eine Eignungsprüfung der einschlägigen Rechtsvorschriften.“ (S. 10)
Dazu meine ich: „Erst dieses Jahr sind neue Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in Kraft getreten. Seitdem müssen Unternehmen im öffentlichen Interesse – dazu zählen auch Kreditgenossenschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern – über Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelange berichten. Diese CSR-Berichte (Corporate Social Responsibility, zu Deutsch: Soziale Unternehmensverantwortung) zu erstellen, verursacht einen erheblichen Aufwand. Doch ihr Nutzen hält sich in Grenzen. Der Nachhaltigkeitsbericht ist vielmehr ein weiterer Baustein in der zunehmenden Ökobürokratie, die insbesondere mittelständische Unternehmen belastet. In der anstehenden Überprüfung der Vorgaben sollte die Kommission daher hinterfragen, für welche Unternehmen die Veröffentlichung eines Nachhaltigkeitsberichts angemessen und sinnvoll ist.“
Dr. Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn.