Papierlos: Die EU bringt die MiFID Quick-fixes auf den Weg. Kundeninformationen sollen möglichst elektronisch versendet werden. „Profil“ informiert über die wichtigsten Änderungen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Merkblätter zu Geschäftsleitern (Vorständen) und Aufsichtsräten von Banken erläutern unter anderem, wie die BaFin die im Kreditwesengesetz (KWG) verankerten Anforderungen an die Qualifikation von Geschäftsleitern und Aufsichtsräten auslegt.
- Neu ist das Qualifikationsmerkmal „Unvoreingenommenheit“ für Geschäftsleiter und Aufsichtsräte von Banken.
- Die Anzeigefrist bei der (beabsichtigten) Bestellung von neuen Geschäftsleitern und neu bestellten Aufsichtsräten reduziert sich von vier auf zwei Wochen.
- Durch eine Änderung des KWG hat die BaFin nun auch das Recht, mit Geschäftsleiterkandidaten, Geschäftsleitern und bereits bestellten Aufsichtsräten Interviews zu führen.
- Der GVB unterstützt die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken bei Fragen zum Aufsichtsrecht und zu den neuen Merkblättern.
Am 29. Dezember 2020 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowohl das neue „Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB“ (48 Seiten) als auch das neue „Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB“ (71 Seiten) auf ihrer Webseite veröffentlicht. Die Merkblätter haben den Zweck, Banken und anderen Unternehmen unter der Aufsicht der BaFin darzulegen, wie die Aufsichtsbehörde die Vorschriften aus den einschlägigen Fachgesetzen zur Bestellung von Geschäftsleitern und Aufsichtsräten auslegt. Dazu gehören – wie schon aus den Titeln der Merkblätter hervorgeht – insbesondere das Kreditwesengesetz (KWG) sowie das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) und das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB).
An der in den Merkblättern erläuterten Verwaltungspraxis der BaFin können sich die zuständigen Organe der Banken bei der Bestellung neuer Geschäftsleiter und Aufsichtsräte und bei der Erfüllung der Anzeigepflichten orientieren. Der Begriff „Geschäftsleiter“ stammt aus dem KWG, während im Genossenschaftsgesetz die Rede vom „Vorstand“ ist. Beide Begriffe sprechen im Regelfall die gleiche Personengruppe an, also die Vorstände bayerischer Kreditgenossenschaften. Die nunmehr veröffentlichten Neufassungen der Merkblätter bedeuten keine Kehrtwende in der Auslegung der einschlägigen Vorschriften durch die BaFin. Sie beinhalten aber eine Reihe von Änderungen, die sich auf Volksbanken und Raiffeisenbanken auswirken, wie zum Beispiel kürzere Anzeigefristen.
Qualifikation von Geschäftsleitern
Wer Geschäftsleiter beziehungsweise Vorstand einer Bank werden will, muss bestimmte Bedingungen erfüllen. Für diese Aufgabe ist nach § 25c KWG nur qualifiziert, wer fachlich geeignet, zuverlässig und zeitlich ausreichend verfügbar ist sowie die Vorgaben zur Mandatshöchstzahlbegrenzung beachtet.
Als neues Unterkriterium zur Zuverlässigkeit wurde nun die „Unvoreingenommenheit“ eingeführt. Ein Geschäftsleiter muss sich also aktiv für seine Aufgaben einsetzen und in der Lage sein, eigene, vernünftige, objektive und unabhängige Entscheidungen und Urteile zu fällen. Er muss zudem den Mut, die Überzeugung und die Stärke haben, die von anderen Geschäftsleitern vorgeschlagenen Entscheidungen zu hinterfragen und sich dem Gruppendenken zu widersetzen.
Qualifikationsanforderungen an Geschäftsleiter gemäß § 25c KWG
Fachliche Eignung
- Theoretische Kenntnisse
- Praktische Kenntnisse
- Leitungserfahrung
Zuverlässigkeit
- Es dürfen keine Vermögens-, Steuer-, Geldwäsche- oder besonders schwere Straftaten beziehungsweise Ähnliches vorliegen
- Es dürfen keine dauerhaften und ungeminderten Interessenkonflikte vorliegen
- NEU: Unvoreingenommenheit
Zeitliche Verfügbarkeit
Die Vorgaben der Mandatshöchstzahlbegrenzung sind zu beachten.
Qualifikation von Aufsichtsräten
Auch die Mitglieder von Aufsichts- und Verwaltungsorganen müssen nach § 25d KWG umfassende aufsichtsrechtliche Anforderungen erfüllen. Statt der fachlichen Eignung wie bei Geschäftsleitern wird bei ihnen allerdings „nur“ Sachkunde gefordert. Aufsichtsräte müssen also in der Lage sein, die Geschäftsleiter der Bank zu kontrollieren und die Geschäfte der Bank zu überwachen. Sie müssen aber dennoch genauso zuverlässig sein und über hinreichend Zeit für ihre Überwachungsaufgaben verfügen. Genauso wie Vorstände müssen Aufsichtsräte nunmehr die „Unvoreingenommenheit“ als Unterkriterium zur Zuverlässigkeit mitbringen. Die Fähigkeit, Entscheidungen kritisch hinterfragen zu können, bezieht sich bei ihnen sowohl auf die Kollegen im Aufsichtsrat als auch auf die Geschäftsleiter.
Qualifikationsanforderungen an Aufsichtsräte gemäß § 25d KWG
Sachkunde
Zuverlässigkeit
- Es dürfen keine Vermögens-, Steuer-, Geldwäsche- oder besonders schwere Straftaten beziehungsweise Ähnliches vorliegen
- Es dürfen keine dauerhaften und ungeminderten Interessenkonflikte vorliegen
- NEU: Unvoreingenommenheit
Zeitliche Verfügbarkeit
Die Vorgaben der Mandatshöchstzahlbegrenzung sind zu beachten
Anzeigepflichten
Bei Geschäftsleitern sind die „Absicht“ und der „Vollzug“ der Bestellung durch den Aufsichtsrat gegenüber der BaFin je gesondert anzuzeigen. Die Absicht liegt vor, wenn der Aufsichtsrat einen entsprechenden Beschluss zu einem Kandidaten gefasst hat. Der Vollzug ist gegeben, wenn der Kandidat seine Tätigkeit als Geschäftsleiter aufgenommen hat. Bei Aufsichtsräten ist nur die Bestellung als solche anzeigepflichtig. Die BaFin-Merkblätter sehen nunmehr vor, dass die Einreichungsfrist dieser Anzeigen grundsätzlich von vier auf zwei Wochen reduziert wird, nachdem die „Absicht“ beziehungsweise der „Vollzug“ der Bestellung vorliegen. Somit müssen die Banken sich insbesondere bei der Zusammenstellung der den Anzeigen beizulegenden Unterlagen noch mehr beeilen.
Recht auf Interviews
Ende Dezember 2020 traten einige Änderungen am KWG in Kraft, die der Gesetzgeber mit dem sogenannten Risikoreduzierungsgesetz (RiG) beschlossen hatte (eine Übersicht über die im RiG beschlossenen Gesetzesänderungen gibt „Profil“ in Ausgabe 12/2020). Durch die KWG-Novelle hat die BaFin nunmehr das Recht, mit Geschäftsleiterkandidaten und Geschäftsleitern sowie mit bereits bestellten Aufsichtsräten Interviews zu führen. Auf diese neue Regelung nehmen auch die Merkblätter Bezug. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass die BaFin von diesem Recht flächendeckend Gebrauch macht.
Weitere Aspekte
Die neuen Merkblätter enthalten noch zahlreiche weitere Änderungen, deren Auswirkungen jedoch für eine gewöhnliche Kreditgenossenschaft nicht wesentlich sein dürften. Derzeit laufen noch Gespräche zwischen den Spitzenverbänden der deutschen Kreditwirtschaft und der BaFin, um offen gebliebene Fragen zu klären.
Generell sind die Anforderungen an die Qualifikation von Geschäftsleitern und Aufsichtsräten sehr hoch, das dazugehörige Anzeigewesen wird tendenziell immer komplizierter. Auch für den weiteren Jahresverlauf sind weitere Änderungen zu erwarten. So sollen zum Beispiel neue Formulare eingeführt werden. Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) steht den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken bei aufsichtsrechtlichen Fragen rund um die Qualifikation und Bestellung von Geschäftsleitern und Aufsichtsräten gerne zur Seite (Kontakt siehe Kasten).
Marius Götke ist Senior Referent für Aufsichtsrecht beim Genossenschaftsverband Bayern. Er ist unter mgoetke(at)gv-bayern.de oder 089 / 2868-3856 zu erreichen.
Kontakt zum GVB
Bei Fragen zur Qualifikation und Bestellung von Geschäftsleitern und Aufsichtsräten helfen die Spezialisten für Bankaufsichtsrecht des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) gerne weiter. Kontakt für Verbandsmitglieder: bankaufsichtsrecht(at)gv-bayern.de oder 089 / 2868-3861. Über kurzfristige Neuerungen zu bankaufsichtlichen Themen (Kreditwesengesetz, BaFin-Merkblätter, Eigenkapitalregulierung CRR, etc.) informiert der Verband im Mitgliederbereich der GVB-Webseite.