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Es ist eine Idee, die wie ein regulatorisches Detail daherkommt, es aber in sich hat: Der Vorsitzende des Single Supervisory Mechanism (SSM), Andrea Enria, hat vorgeschlagen, mittelgroße Banken dem zentralen europäischen Abwicklungsmechanismus zu unterstellen. Damit könnten mittelgroße Banken, die derzeit der nationalen Aufsicht unterliegen, im Falle einer Abwicklung in Zukunft wie systemrelevante Banken behandelt werden, die unter der Aufsicht der EZB stehen.

„Die Pläne wären ein tiefer Eingriff in die Funktionsweise der Bankabsicherung und -abwicklung“

Der Vorschlag Enrias bedeutet auf lange Frist den schleichenden Übergang in ein europäisches Einlagensicherungssystem – quasi durch die Hintertür der Abwicklung. Bereits heute haben die EU-Aufseher umfangreiche Befugnisse bei der Abwicklung systemrelevanter Banken. So können die EU-Aufseher auf das Vermögen der zu liquidierenden Bank zugreifen und zur Abwicklung auch Mittel des europäischen Abwicklungsfonds SRF einsetzen. Die Pläne von Andrea Enria, diese Funktionsweise auch auf mittelgroße Banken zu übertragen, wären ein tiefer Eingriff in die Funktionsweise der Bankabsicherung und -abwicklung innerhalb der Europäischen Union.

Enrias Definition von „mittelgroß“ dürfte sich auf das Rahmenwerk der EZB beziehen. Dort werden Institute, deren konsolidierte Assets sich zu 0,005 bis 0,5 Prozent des gesamten Asset-Volumens innerhalb der EU aufsummieren, als mittelgroß eingestuft. Nach aktuellen EZB-Daten würden Banken ab einem Asset-Volumen von mehr als 1,7 Milliarden Euro bereits als mittelgroß gelten. Damit würden einige der größeren Regionalbanken hierzulande dem Abwicklungsregime auf EU-Ebene unterliegen. Allerdings unterscheiden sich Regionalinstitute mit lokalem Kreditbuch und niedrigem Risikoprofil deutlich von systemrelevanten Banken mit grenzüberschreitender Tätigkeit und Investment-Abteilungen. Diese Geschäftsmodelle in der regulatorischen Abwicklung gleichzusetzen, wäre falsch.

Neben einer Ausweitung des Kreises der Betroffenen erwägt Enria, die regulatorischen Berechtigungen auszudehnen. Demnach sollen in Zukunft Transfers von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten betroffener Institute auf europäischer Ebene ebenso möglich sein wie der Zugriff auf Mittel nationaler Einlagensicherungssysteme.

„Die hohe Resilienz der Regionalbanken in Finanzkrise und Corona-Pandemie zeigt, dass die nationale Aufsicht funktioniert.“

Ein Zugriff europäischer Regulatoren auf nationale Sicherungssysteme zur Abwicklung insolventer Institute ist risikoreich. Das zeigt beispielsweise der Blick auf die genossenschaftliche Institutssicherung. Das Sicherungssystem der genossenschaftlichen FinanzGruppe hat einen stark präventiven Charakter. Der mögliche Ausfall eines Instituts soll durch frühzeitiges Gegensteuern und regelmäßige Stresstests bereits im Vorhinein abgewendet werden. Dadurch erlitt in fast 90 Jahren genossenschaftlicher Institutssicherung kein Kunde den Ausfall seiner Einlagen. Ein derartiges System für die Abwicklung von maroden Banken auf EU-Ebene zu öffnen, bedeutet eine Gefährdung der hervorragenden Einlagensicherung hierzulande und riskiert die Finanzstabilität in der gesamten EU. Daneben ist es fraglich, ob eine EU-Behörde mittelgroße Institute effizienter abwickeln kann als die nationale Aufsicht.

Die hohe Resilienz der Regionalbanken in Finanzkrise und Corona-Pandemie zeigt, dass die nationale Aufsicht funktioniert. Daher sollte dem Subsidiaritätsgedanken Rechnung getragen werden und die Aufsicht für mittelgroße Banken auf nationaler Ebene verbleiben.

Die Überführung mittelgroßer Banken in das Abwicklungsregime auf EU-Ebene wäre ein deutlicher Schritt in Richtung europäische Einlagensicherung. Dieses Projekt bedarf fachlicher und sachlicher Diskussionen und einem politisch legitimierten Prozess. Schrittweise und über den Umweg des Abwicklungsregimes ein paneuropäisches Absicherungssystem zu schaffen, wäre hingegen falsch und wird der Relevanz des Themas nicht gerecht.
 

Dr. Jürgen Gros ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Er twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn.

Florian Rentsch ist Vorsitzender des Vorstands des Verbands der Sparda-Banken.

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