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Basel III – von internationalen Vereinbarungen zu geltendem Recht

Am 1. Juli übernimmt Deutschland die Präsidentschaft im Rat der EU-Mitgliedsstaaten. Rund 160 Millionen Euro lässt sich die Bundesrepublik ihren Vorsitz im zweiten Halbjahr 2020 kosten. Dass eine solche Summe investiert wird, zeigt: Es geht um wichtige Entscheidungen. Dazu gehört die Übernahme der finalisierten Basel III-Eigenkapitalregeln für Banken in europäisches Recht. Die EU-Kommission will dazu noch im Frühjahr einen Gesetzesvorschlag vorlegen. Für die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken entscheidet sich dann, wieviel Eigenkapital sie in Zukunft für ihre Geschäfte vorhalten müssen.

Die internationalen Bankenaufseher hatten schon im Jahr 2017 eine grundlegende Überarbeitung des sogenannten Kreditrisiko-Standardansatzes (KSA) vereinbart. Ihnen ging es darum, die Kapitalanforderungen noch besser mit dem zugrunde liegenden Risiko der Anlagen in Einklang zu bringen. Im Anschluss daran untersuchten die europäischen Aufseher in einer zweijährigen Vorbereitungsphase, wie die internationalen Regeln in EU-Recht übertragen werden könnten.

Eine sorgfältige Vorbereitung ist wichtig, weil sich die Struktur der europäischen Volkswirtschaften deutlich von jenen anderer Wirtschaftsräume unterscheidet: Die Wirtschaft hierzulande ist stark von mittelständischen Unternehmen geprägt. Auch spielt die – in den Vereinigten Staaten übliche – Verbriefung von Hauskrediten in unseren Breitengraden kaum eine Rolle. Hinzu kommt, dass die eigentlich für international tätige Banken konzipierten Basel III-Regeln in der Europäischen Union auch für regionale Kreditinstitute gelten. Ihr Kapitalbedarf könnte laut einer Auswirkungsstudie der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) um über fünf Prozent steigen. Für die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken würde das einen Mehrbedarf in dreistelliger Millionenhöhe bedeuten.

Die finalisierten Basel III-Regeln müssen deshalb in der EU so umgesetzt werden, dass die Kreditversorgung für Mittelstand und Hauskäufer weiterhin reibungslos funktioniert. Während der deutschen Ratspräsidentschaft wird es darum gehen, das in der Abstimmung der Mitgliedsstaaten untereinander sicherzustellen. Welche Auswirkungen die finalisierten Basel III-Regeln im Detail auf die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken haben, lesen Sie hier.

Einlagensicherung – Gesetzesinitiative endlich zurückziehen

Daneben wird sich die deutsche Ratspräsidentschaft – wie ihre zehn Vorgänger – mit einem Relikt aus der Anfangszeit des früheren Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker beschäftigen: Der Idee eines einheitlichen EU-Einlagensicherungssystems, das im Brüsseler Jargon „EDIS“ genannt wird. Seit dem Start der Initiative im Herbst 2015 konnten sich weder die Mitgliedsstaaten noch die Europaabgeordneten auf eine gemeinsame Haltung zum Kommissionsvorschlag einigen. Selbst die in der Bundesregierung unabgestimmte Initiative von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der im Herbst 2019 den europäischen Partnern weitreichende Zugeständnisse zur Verwirklichung von EDIS anbot, verpuffte wirkungslos. Dass die Kommission den einheitlichen Sicherungsmechanismus im Anhang ihres Arbeitsprogramms für das Jahr 2020 immer noch mit der Priorität „hoch“ mitschleppt, ist deshalb schwer nachvollziehbar. Die Ratspräsidentschaft sollte darauf hinwirken, dass die Kommission ihren Vorschlag endlich zurückzieht.

Finanzieller Verbraucherschutz – Bundesregierung muss Wort halten

Zum Auftakt der Ratspräsidentschaft plant die EU-Kommission, ihre Vorschläge zur Überarbeitung der EU-Finanzmarktregelwerke MiFID II und MiFIR vorzulegen. Für Banken und Anleger stehen diese Kürzel sinnbildlich für Verbraucherschutzregeln, die ihrem Anspruch oftmals nicht gerecht werden: Die mit MiFID II verordnete Aufzeichnungspflicht für telefonische Wertpapierorders stößt weiterhin bei zahlreichen Bankkunden auf Unverständnis. Zusätzlich verkompliziert wird der telefonische Wertpapierkauf durch die obligatorische Vorab-Kosteninformation.

Aus Sicht der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken sollten Anleger selbst entscheiden dürfen, ob sie auf eine Vorab-Kosteninformation bestehen, auf sie verzichten oder deren Übersendung erst nach Abschluss eines Wertpapiergeschäfts wünschen. Auch bei der Sprachaufzeichnung sollte ein Verzicht möglich sein. Anlegerschutz ist wichtig, er darf jedoch nicht dazu führen, dass Kunden entmündigt werden.

Nach intensiver Überzeugungsarbeit spricht sich inzwischen auch das Bundesfinanzministerium für Verbesserungen aus. Während der Ratspräsidentschaft wird Deutschland die Positionierung der Mitgliedsstaaten koordinieren – eine bessere Ausgangslage, um die Verbesserungsvorschläge in Brüssel einzubringen, ist kaum vorstellbar.

Nachhaltigkeit im Finanzwesen – auf den Mittelstand achten

Ein weiteres Schwerpunktthema der Ratspräsidentschaft wird die EU-Agenda für ein nachhaltiges Finanzwesen („Sustainable Finance“) sein. In Rekordgeschwindigkeit hat die EU in den vergangenen zwei Jahren ein komplett neues Regulierungswerk aus der Taufe gehoben. Ziel der Maßnahmen ist nichts weniger als der grundlegende Umbau der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit. Den Hebel setzt die EU beim Finanzwesen an: Finanzierungsströme sollen in nachhaltige Zwecke umgeleitet werden.

In einem ersten Schritt wurde eine europäische Definition des Nachhaltigkeitsbegriffs beschlossen. Darauf aufbauend will die EU-Kommission im Frühjahr 2020 einen Aktionsplan mit Folgemaßnahmen vorlegen. Auch der umstrittene „Grüne Unterstützungsfaktor“ – eine Absenkung der Eigenkapitalanforderungen an Banken für grüne Kredite –  steht wieder zur Diskussion: Die EU-Kommission hatte wiederholt mit einer Einführung geliebäugelt.

Zielführend ist der Faktor freilich nicht: „Grüne“ Anlagen sind nicht notwendigerweise risikoärmer als herkömmliche Finanzierungen. Ein Abschlag bei den Kapitalanforderungen käme deshalb einer Instrumentalisierung der – ihrem Grundgedanken nach stabilitätsstiftenden – Finanzmarktregulierung für politische Zwecke gleich. Nicht nur die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken, sondern auch die Bundesregierung hatte den grünen Unterstützungsfaktor daher abgelehnt. Sollte die EU-Kommission die Idee wieder aufgreifen, wäre es an der deutschen Ratspräsidentschaft, den Vorschlägen einen Riegel vorzuschieben.

Als Teil der Sustainable Finance-Agenda hat die EU-Kommission außerdem angekündigt, dass sie die Berichts- und Offenlegungspflichten für Unternehmen ausweiten will. Um dem Finanzsektor die nötigen Nachhaltigkeitsdaten zu liefern, soll künftig eine größere Zahl an Unternehmen über die Nachhaltigkeit ihrer Geschäftstätigkeit berichten müssen. Bisher waren lediglich Genossenschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern im Rahmen der CSR-Berichterstattung dazu verpflichtet.

Wenn die Kommission ihre Pläne wahr macht, wären in Zukunft weitaus mehr kleine und mittlere Regionalbanken und mittelständische Unternehmen zur Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten verpflichtet. Auch das Set der zu veröffentlichenden Kennzahlen könnte ausgeweitet werden. Weitere Anforderungen an Finanzinstitute resultieren aus der laufenden Überarbeitung der Aufsichtsanforderungen. Ob im Kreditmanagement, bei der Unternehmensführung oder in der Beratung – Nachhaltigkeitsaspekte werden in den kommenden Monaten und Jahren verstärkt Einzug in die aufsichtsrechtlichen Standards erhalten.

Für die mittelständische Bankenstruktur in Deutschland wird das eine Belastungsprobe: Mit Sustainable Finance rollt eine neue Regulierungswelle auf die Institute zu. Auch die Unternehmen jenseits des Finanzsektors – und damit selbstverständlich auch Genossenschaften aus sämtlichen Branchen – sind mit neuer Bürokratie konfrontiert, wenn für Finanzierungszwecke künftig Nachhaltigkeitsnachweise erbracht werden müssen. Schlimmstenfalls könnten sogar Betriebe, die nicht ins EU-Nachhaltigkeitsschema passen, vom Zugang zu Finanzmitteln abgeschnitten werden. Eine wesentliche Aufgabe der deutschen Ratspräsidentschaft wird es deshalb sein, die Flut neuer Vorschriften einzudämmen und die Regeln mittelstandsfreundlich zu gestalten.

EU-Agrarpolitik mit bestehenden Strukturen in Einklang bringen

Die Landwirtschaft soll ebenfalls ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten. Noch im März will die Kommission eine „Farm to fork“-Strategie vorlegen – frei übersetzt: vom Hof bis zum Teller. Damit ist gemeint, dass vom Landwirt über den Agrarhandel bis zur Veredelung sämtliche Stufen der Produktionskette in die Nachhaltigkeitsstrategie einbezogen werden. Die Ziele sind hoch gesteckt: Die Behörde will nicht nur den Klimaschutz forcieren, sondern auch den Natur- und Artenschutz stärken und die Bio-Landwirtschaft ausweiten. Lebensmittel sollen nicht nur nachhaltig produziert werden, sondern auch für Verbraucher erschwinglich bleiben.

Auch die Verschwendung von Agrarerzeugnissen ist der Kommission ein Dorn im Auge. Die Strategie birgt große Herausforderungen: Strengere Umwelt- und Qualitätsanforderungen für die Produzenten führen zu geringeren Erntemengen, was höhere Preise für die Endverbraucher nach sich zieht. Wenn neue Umwelt- und Klimaschutzvorgaben den Strukturwandel in der Landwirtschaft verschärfen, leidet darunter die Zukunftsfähigkeit ländlicher Regionen.

Dieser Fallstricke ist sich die EU-Kommission bewusst. Dennoch müssen sich Genossenschaften im Agrarsektor auf weiterhin steigende Nachhaltigkeitsanforderungen einstellen. Es ist davon auszugehen, dass die Farm to fork-Strategie noch keine Gesetzesinitiativen enthält. Entsprechende Vorschläge werden wohl nachgereicht. Für die deutsche Ratspräsidentschaft wird es in der zweiten Jahreshälfte darum gehen, bis dahin vorliegende Gesetzesvorschläge der Kommission daraufhin kritisch zu überprüfen, ob sie den Strukturen der hiesigen Landwirtschaft gerecht werden.

Auch die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU wird ein wichtiges Thema der deutschen Ratspräsidentschaft. Die Vorschläge der EU-Kommission liegen seit 2018 auf dem Tisch. Weil sich die Verhandlungen jedoch ziehen, ist für den Zeitraum zwischen dem Auslaufen der aktuellen GAP und dem Inkrafttreten der GAP-Reform eine Übergangsregelung geplant. Die EU-Kommission hat einen Zeitraum von einem Jahr vorgeschlagen. Es sollte allerdings sichergestellt sein, dass den Akteuren ausreichend Zeit bleibt, sich auf die veränderten Bedingungen einzustellen.

Die eigentlichen GAP-Verhandlungen sind eng verknüpft mit dem EU-Haushalt, dem sogenannten „mehrjährigen Finanzrahmen“. Geht es nach der Kommission, soll das darin enthaltene Agrarbudget um fünf Prozent sinken. Erst nach einer Einigung beim Finanzrahmen ist mit einem Durchbruch bei der GAP zu rechnen. Somit ist davon auszugehen, dass die GAP-Verhandlungen unter deutscher Ratspräsidentschaft auf die Zielgerade gehen werden. Für die bayerische Landwirtschaft ist es wichtig, dass zeitnah Klarheit über das künftige Förderregime geschaffen wird.

Neben den Förderbedingungen der GAP (Säule I) wird in Brüssel auch über die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Agrarmärkte verhandelt (Säule II). Hier sollte die stärkere Marktorientierung der GAP fortgeführt und gleichzeitig der kleinteiligen Struktur der bayerischen Landwirtschaft Rechnung getragen werden. Eingriffe in genossenschaftliche Strukturen muss die deutsche Ratspräsidentschaft unbedingt verhindern.

Der GVB bringt sich ein

Egal ob GAP, EDIS oder Basel III – die Agenda für die zweite Jahreshälfte ist voller Themen, die für Bayerns Genossenschaften von hoher Relevanz sind. Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) steht laufend im Austausch mit politischen Entscheidungsträgern und bringt die genossenschaftlichen Anliegen ein.
 

Daniel Fischer ist Senior Referent Wirtschaftspolitik beim Genossenschaftsverband Bayern.

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