Diese Website verwendet Cookies. Wenn Sie unsere Seiten nutzen, erklären Sie sich hiermit einverstanden. Weitere Informationen

    Anzeige

Anzeige

„Die Finanzstabilität im Blick behalten“

Markus Ferber, Sprecher des Parlamentskreises Mittelstand im Europäischen Parlament, Koordinator der EVP-Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Währung sowie Bezirksvorsitzender der CSU Schwaben:

„Wenn die Europäische Kommission im Zeitplan bleibt, wird die deutsche Ratspräsidentschaft die erste sein, die sich mit dem Paket zur Finalisierung von Basel III beschäftigt. Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte diese Gelegenheit nutzen, um frühzeitig die Weichen für eine verhältnismäßige und passgenaue Umsetzung des Baseler Pakets zu stellen, die den Besonderheiten des europäischen Bankensektors gerecht wird.

Wir haben bei der letzten Überarbeitung der Richtlinie und Verordnung viel für die Verhältnismäßigkeit in der Bankenaufsicht erreicht. Diese Erfolge dürfen durch die Umsetzung des Baseler Pakets keinesfalls infrage gestellt werden. Im Gegenteil: Das Projekt Proportionalität im Bankensektor muss stetig weiterentwickelt werden. Damit das auch mit der Umsetzung des jüngsten Basel-Pakets gelingt, muss die deutsche Ratspräsidentschaft die Diskussion zwischen den Mitgliedsstaaten frühzeitig in die richtige Richtung lenken.

Mehr Verhältnismäßigkeit bedeutet für mich auch, dass man bei Themen wie nachhaltiger Finanzierung nicht über das Ziel hinausschießen darf. Neue Offenlegungspflichten und Compliance-Vorgaben dürfen weder dazu führen, dass Finanzstabilitätsgesichtspunkte ausgeblendet werden, noch, dass kleinere Marktteilnehmer überlastet werden. Am Ende werden die Maßnahmen im Bereich nachhaltige Finanzierung nämlich nur dann ihre Wirkung erzielen, wenn sie vom Markt angenommen werden, für die Marktteilnehmer durchführbar sind und den Verbrauchern einen konkreten Mehrwert bieten.

Im Zusammenhang mit der Diskussion um nachhaltige Finanzierung wird es auch eine Debatte um eine Vorzugsbehandlung von nachhaltigen Investitionen geben, sowohl was die Kapitalunterlegung bei Banken als auch die Behandlung im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts angeht. Hier wird es wichtig sein, dass die deutsche Ratspräsidentschaft ein klares Zeichen für Finanzstabilität setzt.“

„Bodenhaftung ist gefragt“

Tobias Gotthardt, Vorsitzender des Ausschusses für Europaangelegenheiten des Bayerischen Landtags sowie europapolitischer Sprecher der Freie Wähler-Landtagsfraktion:

„Es wird spannend, wenn die Bundesregierung am 1. Juli dieses Jahres in Brüssel das Zepter der EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Allein die Aufgabe, den schwer verspäteten mehrjährigen Finanzrahmen nach dem Wegfall der britischen Beiträge durch den Brexit in Form zu gießen, wäre Herausforderung genug. Vor allem, weil für Deutschland vieles auf dem Spiel steht: Mehrzahlungen in Milliardenhöhe treffen auf die schmerzhafte Kürzung der regionalen Förderung.

Kein leichtes Spiel – ebenso wenig bei der Konferenz zur Zukunft der EU. Die Erwartungen daran wurden und werden weiter hochgeschraubt: Thematische Konzentration, institutionelle Konzeption – bleibt fraglich, ob das Gremium diese Aufgaben aus der Phase des Stillstands heraus zu bewegen weiß. Keinesfalls mit ideenreichen Höhenflügen nach Art des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron – Bodenhaftung ist gefragt, neues Vertrauen der Bürger in ein Europa, das liefert.

Ähnliches gilt für den sagenumwobenen ,Green Deal‘. Was packt Präsidentin Ursula von der Leyen nicht alles unter diese grüne Schleife? Vieles aber wird noch heftige Debatten nach sich ziehen. Allein, wenn die Landwirtschaft 40 Prozent ihres Etats ,vergrünen‘ soll – man kann die Traktoren auf den Straßen förmlich hören. Und die Landwirte verstehen. Nicht anders dürfte es Mittelstand und Genossenschaftsbanken gehen: Mit Taxonomie und ,Sustainable Finance‘ steht ein Monster am Horizont, das die gesamte KMU-Finanzierung infrage und kleine Banken an den Pranger stellt. Kein gutes Omen für eine Ratspräsidentschaft, die viel erreichen muss.

Man kann der Bundesregierung nur wünschen, dass die Zusammenarbeit im Trio der deutschen, portugiesischen und slowenischen Ratspräsidentschaft reibungslos funktioniert. Absprachen und Arbeitsteilung werden nötig sein, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Dazu ein gehöriges Pfund Realismus und Moderation: Was geht, was geht nicht? Nur die Ziele, die alle tragen, haben am Ende eine Chance. Europa läuft nicht nur auf zwei Kolben, sondern hat viele Zylinder. Als Land im Herzen Europas kann Deutschland Brücken bauen, wenn es will. Und es sollte wollen, denn anders kommen wir nicht vom Fleck.“

„Wir brauchen eine Klimapräsidentschaft“

Henrike Hahn, Grünen-Europaabgeordnete aus München und Beisitzerin des Landesvorstands von Bündnis 90/Die Grünen in Bayern:

„Deutschlands Ratspräsidentschaft ab dem 1. Juli 2020 ist eine große Chance, um leidenschaftlich für eine gemeinsame europäische Politik zu kämpfen und sie zur ,Klimapräsidentschaft‘ zu machen. Die EU und Deutschland müssen sich bei der Weltartenschutzkonferenz und der Klimakonferenz COP 26 in Glasgow vehement für Biodiversität und Klimaschutz einsetzen. Beim EU-China-Gipfel in Leipzig kann gezeigt werden, wie mit einer einheitlichen China-Politik der EU wettbewerbsfähiges und nachhaltiges Wirtschaften zusammengeht. Nur ein geeintes, demokratisches und rechtstaatliches Europa kann ein funktionierender Binnenmarkt für die Wirtschaft sein – dafür müssen die EU und Deutschland vehement einstehen.

Bisher lähmt die rückwärtsgewandte Klimapolitik der deutschen Bundesregierung die EU und kollidiert mit den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens genauso wie mit denen des Green Deal, den die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ausgerufen hat. 50 Prozent der Ausgaben im kommenden mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 der EU sollen klimabezogen sein. Wir brauchen einen sozial ausgestalteten Übergang zur karbonfreien Wirtschaft bis spätestens 2050. Weiterhin muss auch ein Bekenntnis zum starken Euro als internationale Leitwährung und einer starken Bankenunion klar sein.

Wir fordern, dass die Kommission im März eine europäische, ausdrücklich grüne Industrie- und KMU-Strategie vorlegt, die kleine und mittlere Unternehmen (KMU) genauso wie die ressourcen- und energieintensive Industrie wettbewerbsfähig und nachhaltig wirtschaften lässt, sowie die Kreislaufwirtschaft unterstützt. Mit Investitionen in neue Geschäftsmodelle und saubere Technologien soll die EU die Führung bei den erneuerbaren Energien übernehmen. Mit einer europäischen Wasserstoffstrategie können wir Know-how und zukunftsfähige Arbeitsplätze in der EU halten.

KMU sollen gute Finanzierungsmöglichkeiten, Zugang zu Förderprogrammen und EU-weit Erleichterung sowie ausdrückliche Unterstützung bei Ressourcen- und Energieeffizienz erhalten. KMU müssen Klarheit bei gesetzlichen Regelungen haben und gleichzeitig möglichst frei sein von regulatorischen und administrativen Lasten. Handelshürden im Binnenmarkt können mit Digitalisierung angegangen werden: Da, wo Unternehmen mit Behörden zu tun haben, müssen die Kontakte digital, sicher und einfach sein. Die deutsche Ratspräsidentschaft ist eine hervorragende Chance, all diese Ziele mit Nachdruck zu unterstützen.“

„Für ein soziales und solidarisches Europa“

Claudia Tausend, Stellvertretende europapolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion und Vorsitzende der Münchner SPD:

„Wenn Deutschland ab 1. Juli 2020 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, sind zweifellos die Erwartungen und auch die Herausforderungen groß. Als größtem und wirtschaftlich stärkstem Mitglied der Europäischen Union kommt uns – insbesondere nach dem erstmaligen Austritt eines Mitgliedstaates – eine besondere Verantwortung zu für den Zusammenhalt und die Zukunft der EU. Wir müssen bis Ende des Jahres ein Partnerschaftsabkommen mit Großbritannien verhandeln, das uns weiterhin gute Nachbarn und enge Handelspartner bleiben lässt, aber auch kein Einfallstor für unlauteren Wettbewerb durch Steuerdumping oder niedrigere Standards wird. Gleichzeitig müssen wir die Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen, also dem Haushalt der EU, abschließen.

Wichtig ist für uns als SPD, dass sich ein soziales und solidarisches Europa gegen Lohn- und Sozialdumping stellt. Wir brauchen dafür einen Rechtsrahmen für Mindestlöhne und Grundsicherungssysteme in den Mitgliedsstaaten der EU. Außerdem werden wir die EU-Ratspräsidentschaft dafür nutzen, eine gerechte Besteuerung von Großunternehmen herzustellen, insbesondere in der Digitalwirtschaft. Diese Maßnahmen stärken auch den deutschen Mittelstand, weil der Wettbewerb für alle in der EU fairer wird. Wir unterstützen auch die EU-Kommission beim Mammutprojekt des ,European Green Deal‘: Hier ist uns wichtig, dass die Investitionsfonds gerade kleinen und mittleren Betrieben offen stehen – sie sind der Motor des sozial-ökologischen Wandels in der EU.

Insbesondere für kleine und mittlere Betriebe im exportstarken Deutschland drohen durch Handelskonflikte große Gefahren. Die US-Regierung beispielsweise hat bei ihren vor Kurzem erhobenen Strafzöllen explizit Produkte von europäischen Mittelständlern ausgewählt. Der Handelsstreit mit den USA, der sich bis Mitte des Jahres noch zu verschärfen droht, wird ein weiteres Augenmerk der deutschen Ratspräsidentschaft sein, wie auch die Aufhebung der de-facto Blockade der Welthandelsorganisation WTO und die Gespräche über ein Investitionsabkommen mit China, die hoffentlich bis zum Herbst in Deutschland zum Abschluss kommen.“

„Mittelständische Strukturen erhalten“

Florian Hahn, Europapolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Stellvertretender Generalsekretär der CSU:

„Große Erwartungen werden an Deutschland in dieser wichtigen Phase geknüpft. Aus Sicht der Bundesregierung stehen die Bekämpfung des Klimawandels, die Gestaltung der digitalen Agenda, ein wettbewerbsfähiges Europa und eine effektive und handlungsfähige europäische Außen- und Sicherheitspolitik im Mittelpunkt. Daneben dürften aber auch die Verhandlungen zum mehrjährigen EU-Finanzrahmen sowie die Gestaltung des künftigen Verhältnisses zum Vereinigten Königreich zu zentralen Aufgaben während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft werden. Dies sind die großen Themen.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt diese thematische Ausrichtung, wird bei der Ausgestaltung allerdings auch darauf achten, eigene Akzente zu setzen. Weiterer Bürokratieabbau, Förderung junger Unternehmen, Datenschutz und Bürgerfreundlichkeit sind einige der Stichworte. Wir brauchen ein ,Entfessellungspaket‘ auf europäischer Ebene. Durch übertriebene Regelungsdichte und komplizierte Regelungen – auch auf EU-Ebene – ist das Leben von Bürgern und die Tätigkeit von Unternehmen und Behörden unnötig erschwert worden. Hier braucht die EU eine Vereinfachungsinitiative, damit die notwendigen Innovationen schnell in die Tat umgesetzt werden können.

Und bei aller Euphorie um den europäischen Klimapakt dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass eine leistungs- und wettbewerbsfähige Wirtschaft die notwendige Voraussetzung ist, um die Umgestaltung zur Klimaneutralität zu realisieren. Hierbei müssen auch mittelständische Strukturen nach wie vor ihren Platz haben. Bei den Verhandlungen zum EU-Finanzrahmen werden wir uns dafür einsetzen, dass die EU mit einem zukunftsgerichteten Haushalt finanziell gut ausgestattet wird, der einen europäischen Mehrwert schafft und den Zusammenhalt stärkt.

Deutschland plant eine dezentrale Ratspräsidentschaft, wie es dies schon im Jahre 2007 erfolgreich praktiziert hat. Das heißt, es werden offizielle Veranstaltungen nicht nur am Regierungssitz, sondern im gesamten Bundesgebiet stattfinden, denn die Ratspräsidentschaft darf nicht an den Bürgern vorbeigehen.“

„Aufbruch zum Europa der Erfinder“

Nicola Beer, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und Stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP:

„Deutschland übernimmt ab Juli den EU-Ratsvorsitz in einem denkbar wichtigen Moment des europäischen Zeitgeschehens. Der erste Vorsitz einer EU der 27 Mitgliedsstaaten. Von Europa wird erwartet, dass es nach innen attraktiv ist, nach außen eine größere Rolle spielt, um für Sicherheit und Stabilität zu sorgen. Gleichzeitig hinterlässt der Brexit eine beträchtliche Lücke, nicht nur mit Blick auf den EU-Haushalt, sondern auch sicherheitspolitischer Natur. Deutschland kommt in den sechs Monaten an der Spitze der EU auch deshalb eine besondere politische Verantwortung zu. In einer erstmals verkleinerten EU brauchen wir eine ambitionierte deutsche Ratspräsidentschaft für ein starkes, souveränes und krisenfestes Europa.

Dazu gehört, die drängenden Herausforderungen nicht weiter aufzuschieben, sondern an Lösungen zu arbeiten und sie zügig umzusetzen. Ein glaubwürdiges gemeinsames Auftreten in der Außen- und Sicherheitspolitik, eine funktionierende europäische Asyl- und Migrationspolitik sowie mehr Investitionen in Forschung und Infrastruktur, darunter auch tatsächlich wirksame Maßnahmen des Green Deals, müssen unter einem ehrgeizigen deutschen Vorsitz endlich vorankommen.

Der in der deutschen Ratspräsidentschaft zu verabschiedende mehrjährige Finanzrahmen hat diese Prioritäten widerzuspiegeln und ist erstmals mit einem Rechtsstaatsmechanismus zu verknüpfen: Nur wer die europäischen Regeln einhält, kann mit der vollen Ausschüttung der für ihn vorgesehenen EU-Gelder rechnen. Dabei ist ein unabhängiges, rechtsstaatliches Verfahren unabdingbar, das jeden Anschein politischer Motivation vermeidet, zum Beispiel durch die Ertüchtigung der Grundrechte-Agentur für diese Aufgaben.

Liegengebliebene Aufgaben abzuarbeiten, ist jedoch nicht ausreichend. Deutschland sollte den Ehrgeiz haben, entscheidende Impulse für ein Europa der Erfinder zu setzen. Es geht um nicht weniger als den Aufbruch zu einer europäischen Technologieführerschaft. Nur wer international an der Spitze steht, hat die Kraft, weltweite Standards zu setzen. Standards, die auf unseren gemeinsamen Werten beruhen. Auch als Antwort Richtung USA und China. Künstliche Intelligenz wird absehbar einer der wichtigsten Motoren für Innovation sein. Das Fördern der Automatisierung intelligenten Verhaltens und des maschinellen Lernens, nicht das Überregulieren muss deshalb Leitschnur sein.

Und auch hier gilt: Kleine und mittlere Unternehmen machen die Wirtschaft groß. Sie sind das unverzichtbare Rückgrat der europäischen Wirtschaft, für Innovation, Wachstum und Jobs. Hier finden sich unsere World Champions – und neue stehen in den Startlöchern. Jegliche EU-Regelung muss daher mittelstandstauglich sein: Was ein Mittelständler nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand umsetzen kann, darf nicht beschlossen werden. Zudem gilt es, KMU bei Forschung und Entwicklung stärker zu unterstützen und Rahmenbedingungen für Gründer zu verbessern. Horizont Europe und der dafür jüngst durch die Kommission ins Leben gerufene European Innovation Council (EIC) sind dabei wichtige Instrumente.

Europa ist nur so souverän und stark, wie der eigene politische Reformwille ist. Die Konferenz zur Zukunft Europas ist daher unerlässlich, um den notwendigen neuen Aufbruch zu gestalten. Im Dialog mit den Bürgern. Mit zeitnahen Ergebnissen. Nur mit Mut zu grundlegenden Reformen an Institutionen und Arbeitsweise der Europäischen Union kann Europa wieder jene Attraktivität erlangen, die Austrittsgedanken überflüssig macht und jeden Mitgliedsstaat der EU 27 überzeugt: nicht außerhalb, sondern in und mit der EU liegt unsere Stärke. Geopolitisch, innovativ, wettbewerbsfähig. Ein Europa, das schützt und inspiriert. Nicht weniger groß darf die Ambition einer deutschen Ratspräsidentschaft sein.“

Artikel lesen
Topthema