Strategiefrage: Für Bayerns Kreditgenossenschaften ist die Rückkehr der Zinsen auf Sparguthaben ein Schritt in die Normalität – trotzdem gibt es viele Aspekte zu bedenken.
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Frau Hassenjürgen, lange Zeit waren klassische Sparprodukte wie das Sparbuch oder Festgeld aufgrund der Niedrigzinsphase wenig attraktiv. Mit der Zinswende sind auch die Zinsen auf Passivprodukte wieder deutlich gestiegen. Wie reagieren die Menschen in Deutschland auf diese Entwicklung?
Katrin Hassenjürgen: Durch den Zinsanstieg interessieren sich die Sparer wieder sehr viel stärker für Sparprodukte, Wertpapiere als Alternative geraten aus dem Fokus. Dazu muss man wissen, dass Passivprodukte als Form der Geldanlage bei den Deutschen schon immer deutlich beliebter waren. Nur rund 20 Prozent der Deutschen besitzen aktuell Wertpapiere. Dies ist aus unserer Sicht in der risikoaversen Einstellung begründet, die für die allermeisten Deutschen das Leitmotiv bei der Geldanlage ist. Aber auch das mangelnde Wissen und die Unsicherheit im Zusammenhang mit Wertpapieren lässt die Anleger lieber auf die klassischen und vermeintlich einfachen Sparprodukte zurückgreifen. In der Niedrigzinsphase waren diese gänzlich unattraktiv und sie wurden auch von den Banken kaum mehr vertrieben. Anleger mussten sich aus diesem Grund vermehrt mit Wertpapieren auseinandersetzen. Interessanterweise ist in diesen Jahren auch die Nutzung der Schließfächer sprunghaft angestiegen. Nach der Rückkehr der Zinsen erleben wir ein neues Interesse an Passivprodukten wie zum Beispiel dem Tagesgeld. Wer aktuell Neuanlagen plant, entscheidet sich am ehesten für Tagesgeld und Sparanlagen.
„Bei Anlageprodukten wie Tages- oder Festgeldern ist die Wechselbereitschaft der Anleger bei attraktiven Zinsangeboten durchaus hoch.“
Wie zinssensibel sind die Menschen hierzulande?
Hassenjürgen: Bei den meisten Deutschen steht dem Interesse an Gewinnen nach wie vor eine hohe Risikoaversion gegenüber. Spekulative Anlagen wie beispielsweise in Kryptowerte werden, auch wenn sie noch so hohe Renditechancen versprechen, aufgrund des latenten Risikos des Totalverlusts nur von einer kleinen und eben an der Spekulation interessierten Zielgruppe erwogen. Insofern ist das Gros der Anleger bereit, die geringeren Renditechancen der Sparprodukte aufgrund der Sicherheit in Kauf zu nehmen. Bei Anlageprodukten, die als sicher eingestuft werden, wie beispielsweise Tages- oder Festgeldern, ist die Wechselbereitschaft der Anleger bei attraktiven Zinsangeboten allerdings durchaus hoch. Dies führt zu einem aktuell sehr wettbewerbsintensiven Markt innerhalb der Sparprodukte. Wir sehen, dass die Anleger den Markt durchaus beobachten und bei attraktiven Zinsen verschiedener Anbieter auch entsprechend reagieren.
Die Inflation belastet viele Bürgerinnen und Bürger. Wie viele Menschen sind überhaupt in der Lage, monatlich Geld auf die hohe Kante zu legen? Hat sich die Anzahl zuletzt verändert?
Hassenjürgen: Der Anteil der regelmäßigen Sparer in der Bevölkerung ist in den vergangenen Jahren auf relativ konstantem Niveau geblieben und hat sich zuletzt nicht verändert. Etwa sieben von zehn Bürgern legen aktuell monatlich Geld beiseite. Unsere Studien zeigen außerdem, dass der Großteil der Sparer auch in der Zukunft genau so viel wie bisher sparen möchte. Die große Unsicherheit über die zukünftigen Preisentwicklungen und die Inflation aus dem letzten Jahr scheint nun überwunden, die Sparer blicken wieder optimistischer in die Zukunft.
„Der als nötig erachtete Sparbetrag übersteigt nicht nur die real gesparte Summe, sondern auch den möglichen Sparbetrag deutlich.“
Wie hoch ist die Sparquote und bei welcher Summe liegt der durchschnittliche Sparbetrag?
Hassenjürgen: Im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) haben wir der Bevölkerung in einer Studie zum Thema Sparverhalten der unterschiedlichen Generationen genau diese Frage gestellt. Es zeigt sich: Im Durchschnitt legt die Bevölkerung monatlich 174 Euro zur Seite. Insgesamt könnten die Menschen bis zu 189 Euro monatlich auf die hohe Kante legen, ohne ihren Lebensstil einschränken zu müssen. Diese Zahlen haben sich übergreifend im Vergleich zu vorherigen Jahren kaum verändert. Allerdings zeigt sich, dass die Befragten den eigentlich für notwendig erachteten Sparbetrag im Schnitt mit 228 Euro angeben. Das heißt: Der als nötig erachtete Sparbetrag übersteigt nicht nur den realen Sparbetrag, sondern auch den möglichen Sparbetrag deutlich. Außerdem haben wir festgestellt, dass die Entwicklung zwischen den Generationen sehr unterschiedlich ist.
Inwiefern? Spart zum Beispiel die „Generation Z“ anders als die „Baby Boomer“?
Hassenjürgen: Nach der BVR-Studie haben sich das Sparvolumen und die Sparfähigkeit innerhalb der Generation Z, also Personen zwischen 18 bis 24 Jahren, zuletzt tatsächlich signifikant verschlechtert. 2023 ist für diese Bevölkerungsgruppe pro Monat nur noch ein Sparvolumen von maximal 105 Euro möglich, während im Jahr zuvor noch bis zu 138 Euro möglich gewesen wären. In der Realität spart die Generation Z im Jahr 2023 sogar nur noch 86 Euro pro Monat. Wenn man dazu den Wertverlust im Zuge der Inflation berücksichtigt, legt die Generation Z gut ein Drittel weniger zurück als noch im Vorjahr. Bei den Baby Boomern, also Personen ab 55 Jahren und älter, zeigt sich eine gegenteilige Entwicklung: Deren Sparvolumen und Sparfähigkeit hat sich im gleichen Zeitraum verbessert.
Welche Motivation und Empfindung haben die Menschen, wenn sie Geld sparen?
Hassenjürgen: Kantar-Studien zeigen, dass für den Großteil der Bevölkerung beim Sparen Ziele wie die Altersvorsorge, der Erwerb von Immobilien sowie der Aufbau von Rücklagen für größere Anschaffungen oder Notfälle im Vordergrund stehen. Daher ist es nachvollziehbar, dass eine hohe Risikoaversion bei der Geldanlage in Deutschland vorherrscht – niemand möchte Gefahr laufen, das hart erarbeitete Geld für die Rente durch Spekulationen zu verlieren. Für die große Mehrheit der Sparer sind daher die tatsächlichen und auch die subjektiv gefühlten Risiken der Geldanlage bei der Auswahl der Anlageform für das Ersparte entscheidend.
„Die Zinswende hat sich am deutlichsten bei der Geldanlage in Form des Tagesgeldkontos positiv ausgewirkt.“
Welche Sparprodukte sind vor diesem Hintergrund aktuell beliebt und welche Trends machen Sie aus?
Hassenjürgen: Nachdem die Deutschen bei der Geldanlage nach wie vor das Risiko scheuen, stehen Passivprodukte wie erwähnt wieder stärker im Fokus als Wertpapiere. Das Tagesgeldkonto profitiert dabei am meisten von der Zinswende. Seit 2022 wird es nach längerer Stagnation wieder deutlich stärker nachgefragt. Dazu tragen die Banken bei, die das Tagesgeld in ihren Kampagnen im vergangenen Jahr stark in den Fokus gerückt haben. Bei den anderen Sparprodukten sind die Trends aktuell noch nicht so deutlich zu erkennen – allerdings zeigt sich, dass zumindest der vorherige langanhaltende Abwärtstrend nicht weiter anhält.
Welche Entwicklungen gibt es aktuell beim Wertpapiersparen?
Hassenjürgen: Bei den Wertpapieranlagen haben sich Fonds und darunter vor allem ETFs etabliert. Sie erfreuen sich bei den Anlegern mittlerweile großer Beliebtheit. Die Anlage in einem Index-Fond beispielsweise macht die Entscheidung für die Anleger vergleichsweise einfach, weil sie sich nicht mit den unterschiedlichen Risiken und Chancen einzelner Wertpapiere auseinandersetzen müssen. Solche Fonds vermitteln den Anlegern aufgrund des impliziten Risikoausgleichs im Portfolio ein Stück mehr Sicherheit oder zumindest Stabilität. Mit einem Sparplan kann man zudem automatisiert sparen und muss sich nicht mehr ständig mit der Anlage befassen. Dies zeigt sich auch in den tatsächlichen Anlageentscheidungen: Rund ein Drittel der Wertpapier-Besitzer legt in Wertpapier-Sparplänen an und präferiert die Anlage in einen Fonds-Sparplan. Solche Konstrukte machen auch die Geldanlage in Wertpapiere einfach und attraktiv und repräsentieren aktuell das größte Wachstumssegment unter den wertpapierbasierten Geldanlagen.
Frau Hassenjürgen, vielen Dank für das Gespräch!
Katrin Hassenjürgen interessiert sich bereits seit vielen Jahren dafür, Kunden im Bereich Finanzdienstleistungen besser zu verstehen. Seit 2019 ist sie Teil von Kantar, einem weltweit führenden Anbieter von Marktforschung, Datenanalyse und Beratungsleistungen. Für Kantar betreut Katrin Hassenjürgen aktuell übergreifend Preis- und Produktoptimierungsprojekte insbesondere für die genossenschaftliche FinanzGruppe. Ein tiefes Verständnis für das Thema Kundenzufriedenheit rundet ihr Profil ab.