Praxisbeispiel I: Drei bayerische Energiegenossenschaften beteiligen sich am Wasserstoff-Modellprojekt HyBayern in Pfeffenhausen bei Landshut. Was erhoffen sie sich davon?
Reckertshausen ist ein Ortsteil der Stadt Hofheim im unterfränkischen Landkreis Haßberge, rund 30 Kilometer nordöstlich von Schweinfurt gelegen. Bereits seit 2010 gab es mehrere Anläufe, nördlich des Orts einen Solarpark zu errichten. Doch die bisherigen Investoren zögerten, unter anderem wegen der hügeligen Topographie des Geländes. Damit alle Solarpaneele genügend Sonne abbekommen, müssen die Reihen dort lichter angeordnet werden. Das schmälert den Ertrag. Außerdem liegt der Einspeisepunkt in das allgemeine Stromnetz rund fünf Kilometer von dem Standort entfernt. Je größer die Distanz zum Einspeisepunkt ist, desto höher sind die Kosten, um den Solarpark an das Netz anzubinden.
Die EnergieGenossenschaft Inn-Salzach (EGIS eG) traute sich das Projekt trotzdem zu. Denn moderne Photovoltaik-Anlagen sind dank des technischen Fortschritts deutlich effizienter geworden, sodass sich auch Projekte an Standorten lohnen, die früher nicht wirtschaftlich zu betreiben waren. Ende Januar 2022 hat sie den Bürgersolarpark Reckertshausen schließlich in Betrieb genommen. Die Anlage besteht aus den beiden Freiflächenanlagen „Hühnerellern“ und „Haßberge“. Als Glücksfall erwies sich für die EGIS eG jedoch ein neues Fördermodell, um Anreize für die Verbindung von Solar- oder Windkraftanlagen mit Energiespeichern zu schaffen. „Die Innovationsausschreibung der Bundesnetzagentur, mit der 2021 erstmals solche Kombianlagen gefördert wurden, war für uns der Game-Changer“, betont Pascal Lang, Vorstandsvorsitzender der EGIS eG.
Ökostrom für 2.600 Haushalte
Der Solarpark Reckertshausen weist eine Maximalleistung von insgesamt zehn Megawatt auf. Die Freiflächenanlage Hühnerellern steuert rund 6,8 Megawatt bei, die Freiflächenanlage Haßberge rund 3,5 Megawatt. Insgesamt wurden 23.000 Hochleistungsmodule auf einer Fläche von rund 13 Hektar verbaut. Damit können rechnerisch 2.600 Haushalte mit Ökostrom versorgt werden. Die Investitionssumme liegt bei 14 Millionen Euro.
Die EGIS eG erhielt von der Bundesnetzagentur den Zuschlag, die beiden Projekte in Reckertshausen als Photovoltaik-Speicher-Kombikraftwerke auszuführen. Die Umsetzung ging schnell, da der Flächennutzungsplan bereits stand und auch die Baugenehmigung vorlag. „Das hat den Prozess geschätzt um rund ein Jahr verkürzt. Wir mussten den Bebauungsplan nur geringfügig ändern und beispielsweise den Speicher ergänzen“, erklärt Lang. Auch die Bauarbeiten verliefen weitestgehend reibungslos. Lang geht deshalb davon aus, dass der Solarpark Reckertshausen das erste Projekt aus der Innovationsausschreibung 2021 ist, das umgesetzt wurde. „Wir sind damit sozusagen Deutschlands innovativster Solarpark“, bekräftigt der Vorstandschef der Genossenschaft.
Energiespeicher entlasten das Stromnetz
Innovativ sind vor allem die Batteriespeicher des Solarparks mit einer Leistung von insgesamt 7,2 Megawattstunden. Diese hat das Unternehmen MaxSolar aus Traunstein entwickelt, mit der die EGIS eG regelmäßig zusammenarbeitet. MaxSolar hat den Solarpark zudem gebaut und anschließend an die Genossenschaft übergeben, die den Park nun betreibt.
Die Batteriespeicher werden tagsüber mit Sonnenstrom aus dem Solarpark Reckertshausen geladen. Auf diese Weise kann die Anlage auch nachts oder bei Versorgungsengpässen ins Netz eingespeist werden – Solarstrom um Mitternacht sozusagen. Außerdem wird so das allgemeine Netz entlastet, weil der Sonnenstrom nicht mehr dann eingespeist wird, wenn überall die PV-Anlagen unter Volllast laufen. Ein sehr wichtiger Aspekt für die Stabilität der allgemeinen Stromversorgung. Weil immer mehr Sonnenstrom produziert wird, entsteht mittlerweile regelmäßig ein Überangebot, vor allem zur Mittagszeit. Wenn die Netzbetreiber feststellen, dass das Netz den Sonnenstrom nicht mehr aufnehmen kann, sind sie berechtigt, die Anlagen abzuschalten. Pascal Lang kennt solche Fälle nur zu gut: „Das passiert auch unseren Solarparks immer wieder. Entschädigungen federn den finanziellen Verlust zwar ab, doch natürlich ist es ärgerlich, wenn der Strom aus erneuerbaren Energien verschwendet wird.“
Speicher: Schlüsseltechnologie für CO2-neutrale Energieversorgung
Energiespeicher spielen eine entscheidende Rolle für das Gelingen der Energiewende. „Sie sind für die Versorgungssicherheit bei einer weitgehend CO2-neutralen Energieversorgung die Schüsseltechnologie schlechthin“, betont Jürgen Karl, Professor für Energieverfahrenstechnik an der Universität Erlangen-Nürnberg im Interview mit „Profil“. Während Energiespeicher für Privatverbraucher schon länger eine interessante Ergänzung zur Photovoltaik-Anlage auf dem Dach sind, waren sie für Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen oder Netzbetreiber zu kostspielig. Da sich die Technik inzwischen weiterentwickelt hat und auch die Preise gesunken sind, rückt ein wirtschaftlich rentabler Betrieb in greifbare Nähe. Auch die Bundesnetzagentur fördert zunehmend Energiespeicher, erstmals 2021 durch eine Innovationsausschreibung.
Lang hält Energiespeicher noch aus einem anderen Grund für sinnvoll: Sie könnten die Wertschöpfungsquote von E-Auto-Batterien deutlich erhöhen. Denn diese Batterien halten normalerweise bis zu zehn Jahre, anschließend müssen sie mühsam recycelt werden. Für Energiespeicher reiche die verbleibende Leistung jedoch aus, sagt Lang: „Während Batterien bei E-Autos möglichst schnell laden sollten, ist die Geschwindigkeit für die Stromspeicherung nicht so entscheidend. Deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass ausgemusterte E-Auto-Batterien flächendeckend in Energiespeichern zum Einsatz kommen.“
Genossenschaft sorgt für Bürgerbeteiligung vor Ort
Die Menschen vor Ort konnten sich auf zwei Wegen am Solarpark beteiligen. Einerseits hatten sie die Möglichkeit, Genossenschaftsanteile zu erwerben. Andererseits konnten sie Nachrangdarlehen zeichnen. „Auf diese Weise treiben wir die Energiewende in Bürgerhand voran und binden die Mitglieder langfristig in nachhaltige Projekte ein“, erklärt Lang.
Auch wenn die EGIS eG das Projekt in kurzer Zeit realisiert hat, gab es durchaus Herausforderungen. Energiespeicher sind Neuland für die Genossenschaft. „In Themen wie Wartung, Brandschutz oder Klimatisierung der Anlage mussten wir uns erst einmal einarbeiten. Da haben wir in den vergangenen Monaten viel dazugelernt“, betont Lang. Besprechungsbedarf gab es deswegen auch mit der VR-Bank Rottal-Inn, die der EGIS eG ergänzend zur Bürgerbeteiligung ein Darlehen für den Solarpark Reckertshausen gewährt hat. Unter anderem waren wegen des Batteriespeichers einige zusätzliche Details zur Finanzierung und zur Versicherung des Solarparks abzuklären. „Glücklicherweise haben wir eine gute Kundenbeziehung zur VR-Bank Rottal-Inn, die Vertrauensbasis war also gegeben, um so ein Projekt gemeinsam zu stemmen“, sagt Lang.
Abnehmer des EGIS-Stroms aus dem Solarpark Reckertshausen ist das Schweizer Unternehmen BKW aus Bern, das auch in Deutschland aktiv ist und sich unter anderem auf die Vermarktung von regenerativ erzeugtem Strom spezialisiert hat. Dazu hat die EGIS eG einen langfristigen Stromliefervertrag (Power Purchase Agreement; PPA) mit BKW abgeschlossen. Die Direktvermarktung von Strom über PPA-Verträge sei zwar mittlerweile Standard, doch in Kombination mit Speichern gebe es nur wenige Unternehmen, die entsprechende Leistungen anbieten, sagt Lang. „Letztlich hatten wir mehr Arbeit als gedacht. Wir sind aber sehr froh, dass wir den Solarpark Reckertshausen realisieren konnten. Das zeigt, dass sich auch schwierige Projekte umsetzen lassen, wenn es neue und innovative Vermarktungsmöglichkeiten gibt.“
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