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Es ist immer gut, wenn sich Bankkundinnen und -kunden für neue Angebote begeistern lassen. Wie beim Videoservice, den die Raiffeisenbank Hochfranken West vor rund einem halben Jahr in den Geschäftsstellen Leupoldsgrün und Sparneck eingerichtet hat. „Eine langjährige Kundin war bei ihrem ersten Besuch ganz überrascht, dass sie auf dem Monitor keine Computer-Animation sieht, sondern die Mitarbeiterin live zu ihr spricht, mit der sie jahrelang Kontakt hatte. Das hat sie richtig gefreut, seitdem nutzt sie den Dienst gerne und regelmäßig“, sagt Vorstand Jürgen Wiesel.

Mit dem digitalen Bankschalter, der unter der Marke „ProRegion Mein Service“ läuft, reagiert die Raiffeisenbank Hochfranken West auf ein Dilemma. Denn einerseits schätzen es die Kundinnen und Kunden nach wie vor, wenn es vor Ort eine Filiale gibt. Andererseits suchen sie diese nicht mehr regelmäßig auf, sondern erledigen ihre Bankangelegenheiten überwiegend digital. Die Kosten für den Unterhalt der Geschäftsstelle stehen zunehmend nicht mehr im Verhältnis zum Erlös. „Der Videoservice stellt eine wirtschaftlich tragfähige Lösung dar, um die Filialen weiter zu betreiben und Kundennähe sowie persönliche Beratung aufrechtzuerhalten. Außerdem schonen wir unsere Personalressourcen, da wir mehrere Standorte zentral bedienen können“, betont Wiesel.

Anliegen von Angesicht zu Angesicht besprechen

Das Verfahren läuft so ab: In der Geschäftsstelle gibt es einen separaten Raum mit Videostele. Die Tür lässt sich bei Bedarf schließen. Betritt eine Kundin oder ein Kunde den Raum, wird die Lichtschranke ausgelöst. Die Mitarbeiterinnen aus dem Kundendialogcenter (KDC) bekommen ein Signal und schalten sich auf den Monitor der Videostele. So können die Kunden von Angesicht zu Angesicht eine Überweisung aufgeben, einen Dauerauftrag ändern oder ein Konto eröffnen. Da Scanner, Kamera und Unterschriftenpad in das Gerät integriert sind, kann die Raiffeisenbank Hochfranken West mit dem Terminal nahezu alle Serviceleistungen wie am klassischen Schalter abbilden. Beratungsgespräche wie etwa zur Geldanlage, zur Hausfinanzierung oder zur Altersvorsorge finden weiterhin persönlich in der Filiale statt.

Technische Basis für den Videoservice ist das System „Video Concierge“ von Ratiodata, dem Systemhaus-Partner der Atruvia. Es gibt auch andere Lösungen (siehe folgender Kasten). Warum sich die Bank für den Video Concierge entschieden hat? „Das System lässt sich ohne zusätzliche Schnittstelle implementieren, problemlos über die bestehende Datenleitung zur Atruvia betreiben und medienbruchfrei in das Banksystem agree21 einbinden“, fasst Wiesel zusammen. Der Vorstand erhofft sich zusätzliche Vorteile, wenn die Bank das Terminal an die Omnikanalbank anbindet. Spätestens 2023 soll das KDC als eigene Vertriebseinheit mit Kundenzuordnung und Videoberatung agieren. „Die dafür notwendigen Prozesse lassen sich allesamt über agree21 KDC abbilden“, sagt Wiesel.

Technische Plattformen für die Serviceberatung per Video

Es gibt mehrere Dienstleistungsunternehmen aus der genossenschaftlichen FinanzGruppe, die technische Plattformen für die Serviceberatung per Video entwickelt haben. Dazu gehört der „Video Concierge“ von Ratiodata, um den es in diesem Beitrag geht. Eine weitere Lösung stellt die tellma GmbH, eine  hundertprozentige Tochter der VR Bank Augsburg-Ostallgäu, zur Verfügung. „Profil“ hat in den Ausgaben 12/2020 und 03/2019 ausführlich über „tellma“ berichtet. Die VR Bank Südpfalz hat das Angebot „VR-SISy“ entwickelt, das „Profil“ ebenfalls in der Ausgabe 12/2020 vorgestellt hat.

Durch den digitalen Bankschalter konnte die Raiffeisenbank ihre Servicezeiten deutlich ausbauen. Das ist ein zentraler Vorteil. Bereits vor der Corona-Pandemie hatte das Institut die Öffnungszeiten der beiden Filialen in Leupoldsgrün und Sparneck auf zwei Tage pro Woche und insgesamt je zwölf Stunden reduziert. Nun ist die Bank wieder von montags bis freitags erreichbar, insgesamt 37,5 Stunden. „Das stellt einen echten Mehrwert für unsere Kunden dar“, bekräftigt Wiesel.

Persönliche Einladungen an alle Kunden verschickt

Zur Einführung hat die Bank alle Kundinnen und Kunden der beiden Geschäftsstellen persönlich angeschrieben und eingeladen, den neuen Service kennenzulernen. Ziel war es, die Akzeptanz zu erhöhen und Berührungsängste zu nehmen. „Wir haben ausschließlich positive Rückmeldungen erhalten. Gerade die ältere Kundschaft schätzt die leicht zu bedienende Technik. Und der jüngeren Zielgruppe zeigen wir unsere Kompetenz im Bereich der digitalen und innovativen Lösungen“, sagt Wiesel. Mediale Aufmerksamkeit gab es zudem bei der Inbetriebnahme der Videostele. Dabei testeten der ehemalige Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich, der Landrat des Landkreises Hof, Oliver Bär, sowie die Leupoldsgrüner Bürgermeisterin Annika Popp das System.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts wurden in einer zweitägigen Schulung für den Einsatz vor der Kamera fit gemacht. Dabei erlernten sie sowohl die Technik als auch das richtige Auftreten vor der Kamera, etwa in welcher Lautstärke sie sprechen müssen oder welcher Blickwinkel ideal ist, um eine natürliche Gesprächssituation herzustellen. Zudem hat der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) die Bank mit der Leistung „Organisationsstrukturen in der Omnikanal-Bank“ unterstützt („Profil“ berichtete, die Leistung selbst ist im MuV-Manager buchbar). Ziel des Workshops war es unter anderem, eine umfassende Personalentwicklungsstrategie aufzubauen und individuelle Laufbahnberatungen für alle Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen. Wiesel: „Die Unterstützung war sehr hilfreich.“

Die Bank baut den Service aus

Da der digitale Bankschalter gut ankommt, will das Kreditinstitut drei weitere Geschäftsstellen an das System anbinden. Die Umstellung soll im Laufe dieses Jahres erfolgen. „Wir wollen unsere Marke ,ProRegion MeinService‘ ausbauen, um unseren Mitgliedern und Kunden weiterhin von montags bis freitags eine persönliche und bequeme Kontaktmöglichkeit anzubieten“, sagt Wiesel. Zudem kann sich der Vorstand vorstellen, die Lösung auf zwei Wegen auszubauen. Erstens ist es denkbar, die Plattform für andere Unternehmen, Behörden oder Ärzte zu öffnen. „Unser Geschäftsgebiet ist ländlich geprägt, die Wege sind weit. Es hätte daher Charme, wenn man beispielsweise gleichzeitig seine Bankgeschäfte erledigen und anschließend den Personalausweis verlängern könnte“, sagt Wiesel. Zweitens eruiert die Raiffeisenbank, ob sie den digitalen Bankschalter außerhalb ihrer Filialen ausrollt. Ein abgetrennter Bereich in einem Dorfladen wäre dafür eine Möglichkeit.

„Eine genaue Planung ist das A und O“

Anderen Volksbanken und Raiffeisenbanken, die mit dem Gedanken spielen, einen Videoservice aufzubauen, rät Wiesel dazu, das Projekt nicht zu unterschätzen. Vor allem die zeitlichen und personellen Ressourcen sollten in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. „Das A und O ist eine genaue Planung. Schließlich gibt es viele Prozesse, die in der Bank umgestellt werden müssen, etwa die Kassensysteme. Wenn alles sauber geplant ist und konsequent abgearbeitet wird, kann das Projekt gut gelingen. Hilfreich war für uns zudem die Begleitung durch den GVB und der Kontakt zu anderen Banken, die Erfahrung mit dem Videoservice gesammelt haben“, betont Wiesel.

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