Initiative: Wie läuft die Gründung einer Genossenschaft in der Praxis ab? Dazu hat „Profil“ David Schmidtner von der Bürgerenergie Chiemgau eG und GVB-Gründungsberater Max Riedl gefragt.
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Ein Januartag in München-Bogenhausen: Schon von Weitem weisen mehr als ein Dutzend gelber Kräne den Weg zur Großbaustelle Prinz-Eugen-Park an der Cosimastraße. Bis 2021 entstehen dort rund 1.800 Wohnungen für 4.500 Menschen. In den Rohbauten verputzen die Handwerker Mauern oder verlegen Kabel. Lkw liefern Fertigbauteile für die Balkone. Im hinteren Teil des Quartiers werden die ersten Mehrparteienhäuser bereits bewohnt. Dort haben Mara Roth und Lisa Schäfer ihr provisorisches Büro bezogen.
Die beiden Frauen, die im Lauf des Jahres selbst in den Prinz-Eugen-Park ziehen werden, stehen der im Dezember 2018 eingetragenen GeQo eG – Genossenschaft für Quartiersorganisation vor. Zusammen mit den rund 90 Mitgliedern, vor allem zukünftige Bewohner, setzen sie sich für eine lebendige Nachbarschaft rund um ihr neues Zuhause ein.
„Bei uns engagieren sich viele tolle Menschen mit ganz unterschiedlichen Fähigkeiten. Gemeinsam bringen wir unser Know-how zum Wohl des ganzen Quartiers ein“, sagt Lisa Schäfer. Die Mitbewohner haben zusammen einiges vor: Beispielsweise möchten sie Veranstaltungen für alle Zugezogenen organisieren, die Gemeinschaftsräume verwalten, E-Bikes, Biertische und Bohrmaschinen verleihen, Pakete zentral entgegennehmen und Dienstleistungen wie Babysitten vermitteln. Auf diese Weise wollen sie das Zusammenleben im Quartier so angenehm und praktisch wie möglich machen.
Der erste konkrete Schritt ist der Start einer Online-Buchungsplattform. Mit der können die Bewohner des Prinz-Eugen-Parks beispielsweise Gemeinschaftsräume für einen Yogakurs oder eine Familienfeier reservieren. Die Plattform soll noch im ersten Quartal starten, eine Testversion präsentieren die beiden Vorständinnen Besuchern schon heute stolz auf ihrem Laptop.
„Wir haben früh gemerkt, dass die Rechtsform Genossenschaft für unser Vorhaben optimal ist.“
Die 21 Bauherren der Siedlung hatten vereinbart, dass die Organisation des Viertels in den Händen der Bewohner liegen soll – aus praktischen Gründen wurde es schließlich eine Genossenschaft. „Wir haben früh gemerkt, dass diese Rechtsform für unser Vorhaben optimal ist“, sagt Roth, die sich auf einer Veranstaltung für neue Bewohner spontan dazu entschied, mitzumachen. Durch die demokratische Unternehmensverfassung könnten alle Bewohner gleichberechtigt eingebunden werden. „Uns gefällt, dass jedes Mitglied genau eine Stimme besitzt. Somit können wir gemeinsam entscheiden, wie sich das Quartier entwickeln soll.“
Eine mitgliederstarke Organisation
Der Genossenschaftsverband Bayern e.V. (GVB) vertritt seit mehr als 125 Jahren die Interessen bayerischer Genossenschaften. Zu seinen 1.242 Mitgliedern zählen 236 Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie 1.006 Unternehmen aus Branchen wie Landwirtschaft, Energie, Handel, Handwerk und Dienstleistungen. Sie bilden mit rund 50.000 Beschäftigten und 2,9 Millionen Anteilseignern eine der größten mittelständischen Wirtschaftsorganisationen im Freistaat. (Stand: 31.12.2018)
Die GeQo eG ist nicht die einzige junge Genossenschaft in Bayern. Allein 2018 hat der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) 14 Neugründungen als Mitglied aufgenommen. Insgesamt konnte die Genossenschaftsfamilie im Freistaat in den vergangenen Jahren rund 400 neue Mitglieder begrüßen. Während zwischen 2009 und 2013 vor allem Energiegenossenschaften entstanden sind, gab es in den vergangenen Jahren Neugründungen in den unterschiedlichsten Branchen wie Gesundheit, Soziales, Handwerk oder im Dienstleistungssektor. „Das zeigt, wie lebendig die Genossenschaftsidee ist“, sagt Michael Stappel von der DZ Bank.
Der Analyst weiß, warum sich Gründer für die Rechtsform eG entscheiden. „Zu nennen sind insbesondere die charakteristischen Merkmale wie Selbsthilfe, Demokratie, Regionalität oder Subsidiarität“, sagt er. Keine andere Wirtschafts- und Unternehmensform verbinde diese Eigenschaften. „Das macht Genossenschaften einmalig und sorgt bei bestimmten Herausforderungen für Vorteile gegenüber allen anderen Lösungsansätzen“, so Stappel.
Die Vorteile der Rechtsform Genossenschaft
Die demokratische Unternehmensverfassung
Jedes Mitglied hat eine Stimme – und zwar unabhängig von der Höhe der finanziellen Beteiligung. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass kein Mitglied aufgrund einer höheren Kapitalbeteiligung die anderen Teilhaber überstimmen kann.
Förderung der Mitglieder
Das Ziel jeder Genossenschaft ist es, die Wirtschaft oder die kulturellen respektive sozialen Belange der Teilhaber zu fördern. Auf diese Weise können Mitglieder Leistungen in Anspruch nehmen, die sie alleine in dieser Form nicht erbringen könnten. Überschüsse erhalten die Teilhaber als Dividende zurück. Alternativ werden sie für Investitionen verwendet oder fließen in die Rücklage.
Die Anteile bilden das Eigenkapital
Jedes Mitglied erwirbt beim Eintritt in eine Genossenschaft einen oder mehrere Geschäftsanteile. Diese bilden das Eigenkapital des Unternehmens. Die Genossenschaft finanziert sich aus ihrem Eigenkapital sowie aus den Einnahmen des laufenden Geschäftsbetriebs.
Die begrenzte Haftung
Die Mitglieder einer Genossenschaft haften nur mit ihren Geschäftsanteilen. Ausnahme: Für den Fall einer Insolvenz sieht das Genossenschaftsgesetz die Möglichkeit vor, dass es eine Nachschusspflicht gibt. Damit sollen die Forderungen der Gläubiger bedient werden. Genossenschaften haben jedoch die Möglichkeit, die Nachschusspflicht in ihrer Satzung zu begrenzen oder sogar ausdrücklich auszuschließen.
Zukunftsforscher setzen auf Genossenschaft
Wie vielfältig die Geschäftsmodelle von Genossenschaften sein können, zeigt ein Treffen mit Volker Deville im Januar. Trotz Glatteis und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt ist der Honorarprofessor für Governance und Internationales Management an der Universität Bayreuth pünktlich ins „Haus der bayerischen Genossenschaften“ gekommen. Es ist nicht das erste Mal, dass er das Gebäude des GVB an der Münchner Türkenstraße besucht. Während des Gründungsprozesses der F/L Think Tank eG, dessen Vorstandssprecher Deville ist, war er bereits vor Ort.
„Die Gründungsberater des GVB haben mich mit großer Expertise begleitet. Ihre Unterstützung war so, wie ich sie mir gewünscht habe“, sagt Deville. Das Gespräch mit ihm findet in der Kreativ-Lounge des GVB statt – und passt damit perfekt zum Tätigkeitsfeld der Genossenschaft. Die F/L Think Tank forscht nämlich über das Leben in der Zukunft. Dazu führt sie vor allem Veranstaltungen wie Konferenzen durch. Für Februar organisiert die Genossenschaft zum Beispiel gemeinsam mit der Universität Bayreuth ein Kolloquium, zu dem rund 25 Experten aus ganz unterschiedlichen Fachrichtungen kommen werden. Gemeinsam sprechen sie darüber, wie die Welt im Jahr 2029 aussehen wird. „Durch die Genossenschaft konnten wir ein Diskussionsformat etablieren, bei dem sich die Experten über das Leben in der Zukunft austauschen. Die Rechtsform eG hat sich für unser Vorhaben bewährt“, sagt Deville.
Der Beschluss zur Gründung einer Genossenschaft fiel in einem Ausschlussverfahren. „Unser Kapitalbedarf ist limitiert und wir haben kaum Geschäftstätigkeit. Das spricht gegen eine GmbH. Gleichzeitig wollten wir unsere Sache ernsthaft und nicht als Freizeitvergnügen betreiben. Deshalb war auch der eingetragene Verein nicht ideal. Somit hat sich die Genossenschaft perfekt angeboten“, sagt Volker Deville. Als weiteren Grund führt er an, dass sich die Mitglieder – zehn sind es derzeit – bei einer Genossenschaft sehr gut einbringen und dadurch die Entwicklung des Unternehmens aktiv mitgestalten können.
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Die 2018 neugegründeten Genossenschaften in Bayern
F/L Think Tank eG
Ihre Geschäftsausrichtung macht die neue Genossenschaft bereits im Firmennamen deutlich: Das Kürzel F/L stehen für „future of living“, also die Zukunft des Lebens. Denn neue Technologien verändern alle Bereiche des täglichen Lebens. Die F/L think tank eG hat sich deshalb um Ziel gesetzt, die Komplexität, Vernetzung und Folgen dieser Technologien zu analysieren. Dazu organisiert die Münchner Genossenschaft unter anderem Workshops und entwirft Zukunftsszenarien. Sie arbeitet dabei eng mit Universitäten oder Forschungsinstituten zusammen. Hier geht es zum „Profil“-Artikel.
Genossenschaft zur Stärkung der gesundheitlichen Versorgung im Landkreis Dachau eG
Die medizinische Versorgung im Landkreis Dachau durch ein starkes regionales Netzwerk verbessern – das ist das erklärte Ziel der Genossenschaft. 35 Ärzte, Apotheker, Hebammen und Vertreter von Kliniken sowie Pflegeeinrichtungen haben sich zusammengeschlossen, um eine staatlich geförderte „Gesundheitsregion Plus“ zu etablieren. Dabei konzentriert sich das Unternehmen auf drei Handlungsfelder: regionale Gesundheitsförderung und -versorgung sowie Prävention. „Profil“ berichtet in der aktuellen Ausgabe über die Genossenschaft.
Genossenschaftsbräu Regensburg eG
In Holztraubach, einem kleinen Ort mit 160 Einwohnern zwischen Regensburg und Landshut, wird seit Sommer 2018 am Gerstensaft der Genossenschaftsbräu Regensburg eG experimentiert. Was zunächst als Freizeitspaß der neun Initiatoren begann, wurde zu einem ambitionierten Projekt: ein eigenes Bier herzustellen und zu vermarkten. Die Braukunst eigneten sie sich größtenteils selbst an. Das erste Bier soll im Frühling an ausgewählte Kneipen und Getränkemärkte in der Region verkauft werden. Langfristig möchten die mittlerweile über 60 Mitglieder neben einer eigenen Brauerei auch eine Gaststätte in Regensburg betreiben und dort ihr Bier ausschenken. „Profil“ berichtete im November 2018 über die Genossenschaft.
GeQo eG - Genossenschaft für Quartiersorganisation
Aus dem Quartier – für das Quartier: Die GeQo eG möchte im Neubaugebiet Prinz-Eugen-Park im Münchner Stadtteil Bogenhausen eine Informations- und Anlaufstelle für alle Bewohner des Quartiers schaffen. Dazu entsteht eine Quartierszentrale mit Gemeinschaftsräumen, Gästeappartements und Nachbarschaftscafé. Die Genossenschaft wird darüber hinaus Fahrräder an die Bewohner verleihen, haushaltsnahe Dienstleistungen vermitteln, einen Paket-Shop mit Lieferservice anbieten und Veranstaltungen organisieren, um die Bewohner miteinander zu vernetzen.
ID eG
Die Genossenschaft mit Sitz im oberfränkischen Hirschaid ist ein Zusammenschluss von freien Finanzberatern. Sie versteht sich als IT-Systemdienstleister für ihre Mitglieder und bietet ihnen eine durchgängige Plattform für die Beratung ihrer Kunden. Das Besondere an der Lösung ist, dass die persönlichen elektronischen Daten nicht beim Dienstleister, sondern gebündelt beim Kunden in dessen „digitalen Raum“ liegen.
NAWARO Luttenwang eG, Bioenergie Luttenwang eG, Biogas Luttenwang eG
Gleich drei Energiegenossenschaften auf einen Schlag haben sich 2018 in dem kleinen Ortsteil der oberbayerischen Gemeinde Adelshofen gegründet: die Biogas Luttenwang eG, die NAWARO Luttenwang eG und die Bioenergie Luttenwang eG. Im Mittelpunkt steht eine Biogasanlage, die mittlerweile Strom für rund 1.250 Haushalte produziert. Die Betreiber führten die Anlage zunächst in der Rechtsform GbR. Unter anderem aufgrund der getätigten Investitionen firmierten sie ihr Unternehmen in eine Kleinstgenossenschaft um. Die Abwärme, die die Biogasanlage produziert, wird in ein Nahwärmenetz eingespeist. Um die Landwirte, die Grüngut und Mais für die Biogasanlage zuliefern, ebenfalls mit einzubeziehen, gründeten die Anlagenbetreiber die NAWARO Luttenwang eG. Auf der GVB-Webseite gibt es mehr Informationen über die drei Genossenschaften.
ÖkoRegio eG
Drei Landwirte im oberfränkischen Untersiemau haben sich zur ÖkoRegio eG zusammengeschlossen. Ihr Antritt: Die auf ihren Bauernhöfen erzeugte Biomilch gemeinsam zu vermarkten. Dazu betreiben sie vier Biomilch-Tankstellen in Frischemärkten in der Region. Mittelfristig möchte die Genossenschaft im Sinne von Regionalität und nachhaltiger Landwirtschaft mit weiteren Supermärkten aus der Umgebung kooperieren und noch mehr Biolandwirte aus der Region mit ins Boot nehmen.
Remonte Bräu Schleißheim eG
Im April 2018 haben 23 Bürger die Brauereigenossenschaft „Remonte-Bräu Schleißheim“ gegründet. Die Genossen der oberbayerischen Gemeinde knüpfen damit an eine jahrhundertealte Brautradition an. Denn in Oberschleißheim wurde über 300 Jahre – von 1598 bis 1912 – ein eigener Gerstensaft hergestellt. Da die Genossenschaft noch keine eigene Braustätte besitzt, lässt sie derzeit das Bier nach eigenem Rezept bei der genossenschaftlichen Privat-Brauerei Gut Forsting östlich von München produzieren. Die Redaktion von „Profil“ berichtete im Juni 2018 über die ersten Schritte der Brauerei.
Roxy Kitzingen eG
Drei Bürger aus Kitzingen haben sich zum Ziel gesetzt, das traditionsreiche Programmkino in der unterfränkischen Stadt wiederzubeleben. Dazu gründeten sie die Roxy Kitzingen eG. Die Genossen möchten das Lichtspielhaus, das über zehn Jahre leer stand, abermals zu einem zentralen Kulturgut der Stadt machen. Nach umfangreichen Renovierungs- und Sanierungsarbeiten werden voraussichtlich Ende Februar die ersten Filme in den beiden Kinosälen über die Leinwand flimmern. Mehr zur Kino eG auf der GVB-Webseite.
StreuBräu eG
Noch mehr Heimatbier: Die Genossenschaft mit Sitz in Altenfurt im Südosten von Nürnberg hat ihren Ursprung in der Hausbrauerei von Hans Reißner. Da die Nachfrage nach seinen selbst erzeugten Biersorten im Freundes- und Bekanntenkreis schnell wuchs, stellte er sein Hobby auf eine professionelle Basis. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern gründete er im April 2018 die StreuBräu eG. Zur Gründungsveranstaltung kamen an die 200 Menschen, 100 wurden sofort Mitglied. Inzwischen sind es fast doppelt so viele. Der Name leitet sich von der Straße „Streubuck“ ab. Dort steht das Haus, in dem die ersten Brauversuche unternommen wurden. Mehr zur StreuBräu gibt es in der November-Ausgabe 2018 von „Profil“.
TBSG: Training-Beratung-Servicegemeinschaft TBSG eG (Bremen)
Die Training-Beratung-Servicegemeinschaft ist ein Netzwerk von regional tätigen Anbietern von Trainings- und Dienstleistungsprodukten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie alle bieten unter dem Markennamen „BEITRAINING“ maßgeschneiderte Erwachsenenbildung für Unternehmen an. Die Bezeichnung steht für „Business Education International“. Die Genossenschaft gibt seinen Mitgliedern unter anderem die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch und zum günstigen Einkauf von IT- und Marketing-Dienstleistungen für deren Marktauftritt. Trotz der Verlegung des Unternehmenssitzes nach Bremen hat sich die TBSG aufgrund der guten Zusammenarbeit mit dem GVB während des Gründungsprozesses für eine Betreuung durch den bayerischen Verband entschieden.
Versorgungsnetz Steingaden Fohlenhof eG
32 engagierte Bürger haben die Genossenschaft im Landkreis Weilheim-Schongau gegründet, um gemeinsam ein Nahwärmenetz in der Ortsmitte von Steingaden zu errichten. Die Wärme stammt von einer gemeindeeigenen Hackschnitzelheizung im Ortsteil Fohlenhof. Die Anlage versorgt bereits etliche Gebäude der Gemeinde, ist damit aber noch nicht ausgelastet. Mit der Genossenschaft soll Jahr für Jahr auf weitere 100.000 Liter Heizöl verzichtet werden.
So vielfältig die Geschäftsmodelle der Genossenschaften auch sind, eines haben sie gemeinsam: Immer schließen sich Menschen zusammen, um zusammen zu schaffen, was sich alleine nur schwer oder gar nicht erreichen lässt. Dieser Auftrag steht bereits im ersten Paragraf des Genossenschaftsgesetzes festgeschrieben. Demnach sind Genossenschaften „Gesellschaften (…), deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern“.
Jedes Mitglied bringt seine Fähigkeiten ein
Wer wissen will, welche Kräfte die Mitglieder gemeinsam entfalten können, sollte bei Sandra Kunstwadl nachfragen. Sie erzählt dann von der Sonnwendfeier Ende 2017 in Lustheim, einem Ortsteil von Oberschleißheim. Bei dem Fest gingen die Getränke aus – einer der Gäste half mit selbstgebrautem Bier aus. „Daraus entstand die Idee, ein eigenes Bier zu brauen“, erzählt Kunstwadl.
Kein Jahr später ist aus dem Traum Realität geworden. Seit Herbst gibt es das Bier der Remonte Bräu Schleißheim – dessen Vorständin Kunstwadl ist – im Einzelhandel zu kaufen. Zum Erstausschank kamen 2.500 Gäste. Auch die Zahl der Mitglieder hat alle Erwartungen übertroffen: Statt der erhofften 100 Mitglieder sind es heute mehr als 400 Teilhaber. „Dass sich so viele Menschen für unsere Genossenschaft interessieren, hätten wir niemals für möglich gehalten“, sagt Kunstwadl.
Bis zum ersten Bier war es jedoch ein langer Weg. 15 Enthusiasten trieben die Gründung voran. „Wir waren anfangs eine sehr heterogene Gruppe. Allerdings hatten alle das gemeinsames Ziel vor Augen: Ein Bier von Schleißheimern für Schleißheimer zu brauen. Und für dieses Bürgerprojekt hat die Genossenschaft perfekt gepasst“, sagt Kunstwadl über die Entscheidung für die Rechtsform eG.
Den erfolgreichen Start führt die Vorständin vor allem auf das hohe Engagement der Mitglieder zurück. Einer ist IT-Spezialist und sorgte zum Beispiel dafür, dass die Initiatoren sicher und unkompliziert über das Internet kommunizieren können. Einer der Aufsichtsräte ist vertriebserfahren und kümmerte sich um die Verhandlungen mit den Getränkemärkten und Restaurants vor Ort. Grafiker erstellten Logos und Schriftzüge. Und ein anderes engagiertes Mitglied besaß Erfahrung im Bereich Markenentwicklung und stellte sicher, dass sich die Schleißheimer Bierliebhaber auf gemeinsame Werte und Ziele einigten. „Jeder hat unterschiedliche Fähigkeiten. In unserer Genossenschaft konnten dann alle Mitglieder ihr jeweiliges Know-how gewinnbringend einsetzen. Das Gemeinschafsgefühl, zusammen so ein Projekt gestemmt zu haben, ist überwältigend. Die Genossenschaft war die absolut richtige Entscheidung“, sagt Sandra Kunstwadl.
Gründung nimmt Zeit in Anspruch
Zurück in München-Bogenhausen bei der GeQo. Wenn Mara Roth und Lisa Schäfer von der GeQo an die Gründung der Genossenschaft zurückdenken, verweisen sie ebenfalls auf die vielen neuen Kontakte, die sie geknüpft haben. Gleichzeitig betonen sie, den Prozess nicht auf die leichte Schulter zu nehmen: „Wir sind zwar beide Mitglieder in Wohnungsbaugenossenschaften und kannten daher die Merkmale der Rechtsform. Doch gerade in der Gründungsphase muss man sich genau überlegen, was die Genossenschaft später machen soll. Das nimmt Zeit in Anspruch“, sagt Schäfer.
Zum Abschied schlendern die beiden Frauen durch den Prinz-Eugen-Park. Sie erzählen, was für Veranstaltungen in den Gemeinschaftsräumen geplant sind, wie die Gegend um den Quartiersplatz mit Leben gefüllt werden soll und wo sie selbst bald wohnen werden. „Wir freuen uns, dass jetzt immer mehr Menschen einziehen. Durch die Genossenschaft finden sie hier ein richtig lebendiges Neubaugebiet vor“, sagt Roth.
Genossenschaften gründen
Sie überlegen, eine Genossenschaft zu gründen? Dann sprechen Sie gerne die Gründungsberater des Genossenschaftsverbands Bayern an, die Sie bei Ihrem Vorhaben unterstützen. Mehr Informationen finden Sie auf der Webseite des Verbands.