Bankenpaket I: Die EU-Gesetzgeber machen den Weg frei für eine differenziertere Regulierung von Kreditinstituten. Der Genossenschaftsverband Bayern hatte sich dafür intensiv eingesetzt.
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Im Dezember 2018 haben sich Europaparlament und EU-Staaten grundsätzlich über umfangreiche Änderungen der Bankenregulierung – insbesondere bei der Capital Requirements Regulation (CRR) und der Capital Requirements Directive (CRD) – geeinigt. Ein wesentlicher Meilenstein für die Genossenschaftsbanken ist die stärkere Verankerung der Proportionalität direkt in der CRR/CRD. Dies ist das Ergebnis jahrelanger Interessenvertretung durch den Genossenschaftsverband Bayern (GVB), andere Bankenverbände und der deutschen Aufsicht. Die neuen Regeln sehen unter anderem Vereinfachungen bei den Offenlegungspflichten und Meldeanforderungen für „kleine und nicht komplexe Institute“ vor. Was bedeutet das für die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken? „Profil“ gibt im Folgenden einen Überblick über die bislang bekannten Details.
Definition „kleine und nicht-komplexe Institute“
Erstmals werden „kleine und nicht-komplexe Institute“ in der CRR allgemeingültig definiert. Eine Einstufung soll zukünftig über folgende quantitative und qualitative Kriterien, die kumulativ vorliegen müssen, erfolgen:
- Die Bilanzsumme darf 5 Milliarden Euro nicht überschreiten. Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass der jeweilige Mitgliedsstaat den Schwellenwert noch herabsetzen kann.
- Nichthandelsbuchinstitut: Das Handelsbuchvolumen muss unterhalb von 50 Millionen Euro beziehungsweise 5 Prozent der Bilanzsumme liegen.
- Geringes Derivategeschäft: Das gesamte Derivategeschäft darf 5 Prozent der Bilanzsumme nicht überschreiten und nur bis zu 2 Prozent des Derivategeschäfts dürfen mit Handelsabsicht abgeschlossen werden.
- Das Institut muss den vereinfachten Anforderungen für die Erstellung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen unterliegen.
- Mindestens 75 Prozent der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Instituts müssen aus Geschäften mit Gegenparteien aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) erfolgen.
- Es dürfen keine internen Modelle (IRB-Ansatz) zur Risikomessung verwendet werden.
Offenlegung
Im Rahmen der Offenlegung wird zusätzlich zwischen Instituten unterschieden, welche an einer Börse gelistet sind oder nicht. Kleine und nicht komplexe Institute, die nicht an einer Börse gelistet sind, wie der Großteil der Volksbanken und Raiffeisenbanken, müssen zukünftig nur noch Schlüsselparameter (Zusammensetzung Eigenmittel und Eigenmittelanforderungen, Eigenkapitalquoten, Leverage Ratio, LCR, NSFR) jährlich offenlegen. Diese Institute müssen somit keine Informationen über die Geschäftsstruktur, die Vergütung oder das Risikomanagement bekannt geben.
Meldewesen
Im Bereich des Meldewesens soll die EBA ein Mandat erhalten, die Reportingkosten der Institute zu erheben und Vorschläge zu unterbreiten, wie diese Kosten - insbesondere von kleinen und mittleren Instituten - zumindest um 10 Prozent, idealerweise aber um 20 Prozent gesenkt werden können. Dabei soll die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) insbesondere überprüfen, ob der Meldeturnus der Eigenmittelmeldung, der Leverage Ratio, der Großkreditmeldung und der Asset Encumbrance für kleine und nicht komplexe Institute herabgesenkt werden kann beziehungsweise ob die Banken bei Unterschreitung bestimmter Schwellenwerte gänzlich von der Meldung der Asset Encumbrance befreit werden können. Die EBA soll bis spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten der CRR II entsprechende Vorschläge ausarbeiten. Die Ergebnisse werden somit voraussichtlich im Frühjahr 2020 veröffentlicht. Darauf basierende vereinfachte Meldebögen soll die EBA zwei Jahre nach Inkrafttreten der CRR II veröffentlichen.
Integriertes Reporting-Rahmenwerk
Die Bestrebungen des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) zur Entwicklung eines integrierten europäischen Reporting Frameworks (ERF) soll in der CRR II verankert werden. Ziel des ERF ist ein über alle europäischen Länder hinweg standardisiertes Datenverarbeitungskonzept, welches der Erfüllung der statistischen Daten- und Meldeanforderungen, aber auch der aufsichtsrechtlichen Meldungen (unter anderem COREP) dienen soll. Das ERF soll auf BIRD (Banksʼ Integrated Reporting Dictionary) aufgebaut werden. BIRD stellt eine technische Beschreibung für eine zentrale Referenz-Datenbank (Datawarehouse) dar. Es enthält technische Vorgaben für Inputdaten und Transformationsregeln zur Befüllung der Meldepositionen.
Vorteile eines solchen standardisierten Rahmenwerks sind zum Beispiel die Reduktion von Implementierungskosten. Kritisch zu hinterfragen ist aber die Vereinbarkeit von Proportionalität und national abweichenden Meldeanforderungen in ein solch standardisiertes Rahmenwerk. Die EBA soll nun innerhalb eines Jahres eine Machbarkeitsstudie für ein integriertes Reporting-Rahmenwerk erstellen und dabei auf den Vorarbeiten des ESZB aufbauen. Diese Studie ist ergebnisoffen. Bei positiver Analyse der Machbarkeitsstudie soll die EBA anschließend einen Vorschlag für ein harmonisiertes Meldewesen für die Bankenunion machen, auf dessen Basis die Europäische Kommission einen Gesetzesvorschlag erarbeiten soll. Dieses Projekt ist mittelfristig ausgelegt.
KMU-Korrekturfaktor
Weiterhin sieht die CRR II eine Ausweitung des sogenannten KMU-Korrekturfaktors vor. Konnten bislang Kredite an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bis zu 1,5 Millionen Euro vom KMU-Korrekturfaktor profitieren, soll dies in der CRR II für Kreditbeträge bis zu 2,5 Millionen Euro möglich sein. Kreditbeträge ab 2,5 Millionen erhalten ein Risikogewicht von 85 Prozent und nicht wie bisher 100 Prozent.
sNSFR
Über die Interessenvertretung wurde weiterhin erreicht, dass zukünftig kleine und nicht komplexe Banken eine vereinfachte NSFR (simplified Net Stable Funding Ratio, sNSFR) melden können. Dies soll als Wahlrecht in die CRR II integriert werden. Die Struktur der NSFR wird durch aggregierte Positionen und Laufzeitbänder stark reduziert, wodurch eine schnellere Meldebearbeitung möglich ist. Allerdings wird die umfangreiche Aggregation zulasten der Anrechnungsfaktoren ausfallen, wodurch wird die sNSFR bedeutend konservativer kalibriert sein wird. Hier wird empfohlen, dass die Primärinstitute auf Basis ihrer individuellen Liquiditätspolster überprüfen, ob sie die Meldung einer sNSFR nutzen möchten beziehungsweise können.
Handelsbuch und Marktpreisrisiken
Da 2018 das Basler Papier „Fundamental Review of the Trading Book“ (FRTB, Handelsbuch und Marktpreisrisiken) durch den Basler Ausschuss nochmals überarbeitet wurde, werden die Anforderungen hinsichtlich der Eigenmittelunterlegung von Marktpreisrisiken und Handelsbuchpositionen noch nicht vollständig in die CRR II integriert. Nichtsdestotrotz verlangt der Gesetzgeber eine zusätzliche Meldung der Marktpreisrisiken auf Basis der neuen Berechnungsvorgaben. Dies wird seitens der Interessenvertretung sehr kritisch gesehen, da die vorgezogene Meldepflicht auch eine Umsetzung der Berechnungen voraussetzt. Es bleibt abzuwarten, ob diese vorgezogene Meldepflicht tatsächlich in die finale CRR II übernommen wird. Auch ist noch offen, ob in der CRR II bereits die überarbeitete Abgrenzung von Handels- und Anlagebuchpositionen übernommen wird.
Weiter sollen die höheren Bagatellgrenzen für das Handelsbuch (50 Millionen Euro beziehungsweise 5 Prozent der Bilanzsumme) sowie die Schwellenwerte für die Anwendung eines vereinfachten Marktrisikostandardansatzes (500 Millionen Euro Handelsbuchtätigkeit), des Standardansatzes für Gegenparteiausfallrisiken (SA-CCR, 300 Millionen Euro Handelsbuchtätigkeit) und der Ursprungsmethode (OEM, 100 Millionen Euro) bereits mit der CRR II vorgezogen werden. Die von den Primärbanken hauptsächlich verwendete Marktbewertungsmethode zur Unterlegung von Gegenparteiausfallrisiken wird mit der CRR II nicht mehr möglich sein.
Was ist eigentlich die CRR/CRD?
Die Bankenregulierung in Europa beruht im Wesentlichen auf zwei Gesetzespaketen: der EU-Eigenkapitalverordnung CRR (Capital Requirements Regulation) und der EU-Eigenkapitalrichtlinie CRD IV (Capital Requirements Directive). Beide sind in Deutschland seit Anfang 2014 in Kraft. Das Regulierungspaket CRR/CRD IV setzt die Vorgaben des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht um. Dort hatten sich die führenden Industrienationen der Welt als Reaktion auf die Finanzkrise 2007/2008 auf einen neuen globalen Regulierungsrahmen für Banken (Basel III) mit strengeren Regulierungsstandards geeinigt.
Grundsätzliches Ziel ist es, die europäischen Banken widerstandsfähiger gegen systemische Risiken zu machen, um eine Finanzkrise wie 2007/2008 in Zukunft zu verhindern. Dazu werden die Banken neben vielen weiteren Anforderungen dazu verpflichtet, mehr Eigenkapital und mehr Liquidität vorzuhalten, damit sie Zahlungsausfälle beziehungsweise Mittelabflüsse aus der Bank besser abfedern können. So soll ein Flächenbrand vermieden werden. Allerdings krankt die EU-Eigenkapitalregulierung daran, dass sie Regionalbanken wie die Volksbanken und Raiffeisenbanken mit risikoarmen Geschäftsmodellen mit international agierenden Großbanken über einen Kamm schert. Diesem Missstand soll mit dem nun beschlossenen Bankenpaket abgeholfen werden.
Ein finales CRR II/CRD V-Paket liegt derzeit noch nicht vor. Falls dieses noch vor der Europawahl im Mai 2019 veröffentlicht wird, ist ein Geltungsbeginn ab 2021 wahrscheinlich. Sobald das finale CRR II/CRD V-Paket veröffentlicht wurde, wird der GVB seine Mitgliedsinstitute über weitere Details informieren.
Katrin Giersch ist Referentin in der Abteilung Bankaufsichtsrecht des Genossenschaftsverbands Bayern.