Analyse: Automatisierung und Generationenwechsel beschleunigen den Strukturwandel der bayerischen Landwirtschaft. Was heißt das für die ländlichen Genossenschaften?
Als Vollsortimenter für landwirtschaftliche Betriebe vertreiben die Raiffeisen-Handelsunternehmen ein breites Angebot an verschiedensten Gefahrstoffen: Neben Pflanzenschutz- und Düngemitteln sind dies zum Beispiel Reinigungs- und Desinfektionsmittel, Biozide, Schmierstoffe, Farben oder Lacke. Für die ordnungsgemäße und rechtskonforme Lagerung, den Transport und die Abgabe dieser Produkte müssen mehrere Dutzend EU-Richtlinien sowie zahllose weitere Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften, Technische Regeln und Unfallverhütungsvorschriften beachtet werden.
Diese Vorgabenflut macht es den Raiffeisen-Handelsunternehmen schwer, alle Regeln im Auge zu behalten. Selbst die Vollzugsbeamten der Kontrollbehörden verlieren hin und wieder den Überblick, wie die Erfahrung zeigt. Egal, ob die Vorschriften übererfüllt oder aus Unwissenheit missachtet werden: Beides kann für das betroffene Unternehmen sehr kostspielig werden. Bei vorsätzlicher Missachtung der Regeln drohen teilweise sogar mehrjährige Haftstrafen.
Leitfaden kostenfrei herunterladen
Um die Raiffeisen-Handelsunternehmen bei der Einhaltung aller Vorschriften zu unterstützen, hat der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) einen Leitfaden zur ordnungsgemäßen Lagerung und Abgabe von Gefahrstoffen erstellt. Dieser erläutert detailliert und praxisnah sämtliche Aspekte zum Umgang mit Agrar-Betriebsmitteln und Gefahrstoffen. Außerdem enthält er Tipps und Informationen zum Bau und Betrieb von Gefahrstofflagern. Der Leitfaden kann kostenfrei von der Internetseite des DRV heruntergeladen werden.
Das 42-seitige Dokument wurde vom DRV in enger Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft Handel- und Warenlogistik (BGHW), der R+V Versicherung und Spezialisten aus den Raiffeisen-Hauptgesellschaften wie der BayWa AG erarbeitet. Er richtet sich an sämtliche Unternehmen und Personen, die Gefahrstoffe lagern oder abgeben. Zudem soll der Leitfaden auch den Behörden als Orientierung dienen, die den ordnungsgemäßen Betrieb entsprechender Lager und Unternehmen überwachen.
Jeder Teil des Leitfadens ist in sich abgeschlossen und eignet sich für den Einstieg in die Welt der Agrar-Betriebsmittel und ihrer Regelungen – je nachdem, welcher Wissensbedarf gerade besteht. So werden zum Beispiel sämtliche baulichen und organisatorischen Notwendigkeiten erklärt, die bei der Planung und dem Betrieb eines Gefahrstoff-Lagers zu beachten sind: Welche Genehmigungen werden benötigt? Wo liegen die unterschiedlichen Grenzwerte im Baurecht, Wasserrecht, Immissionsschutz, Arbeitsschutz oder in den Abgabevorschriften?
Für Nicht-Juristen verständlich
Vor allem die Verantwortungsträger in den Raiffeisen-Handelsunternehmen sollten das Dokument kennen, damit sie eventuelle Schwachstellen im Umgang mit Gefahrstoffen in ihrem Betrieb erkennen und beseitigen können. Aber auch für alle anderen Mitarbeiter lohnt es sich, das Dokument zur Hand zu nehmen, weil es sie in ihrem Arbeitsalltag unterstützt. Um den Leitfaden zu verstehen, bedarf es keiner juristischen Vorkenntnisse.
Wegen des enormen Umfangs werden viele Sachverhalte im Leitfaden nur im Großen angesprochen. Das erhöht die Übersicht. Details werden in weiteren speziellen Arbeitshilfen aufgezeigt, die direkt im Leitfaden und auch untereinander als PDF-Dokumente verlinkt sind. So stehen sie bei Bedarf per Mausklick sofort zur Verfügung. Zugehörige Druckerzeugnisse wie etwa Betriebsanweisungen für die Lagerung von Gefahrstoffen beziehungsweise von Düngemitteln (Plakat im Format DIN A 2) können im genossenschaftlichen Onlineshop „GenoBuy“ des DG Verlags bestellt werden.
Hilfreich auch für Landwirte
Der Leitfaden kann auch an Dritte weitergegeben werden. Denn Lieferanten und Landwirte sind von den vielen Regelungen genauso betroffen wie die Raiffeisen-Handelsunternehmen selbst. Beispiel Dünger-Lagerung: Ab dem zweiten Schüttgutsack – sogenannten Bigbags – Kalkammonsalpeter muss die „Technische Regel für Gefahrstoffe“ (TRGS) 511 „Ammoniumnitrat“ beachtet werden. Eine Scheune als Lager scheidet damit aus. Im Schadensfall oder bei Missachtung der Regel haftet weder die Versicherung noch wird sich der Staatsanwalt nachsichtig zeigen.
In den Arbeitshilfen werden zahllose Fragen aufgegriffen und ausführlich erklärt – denn auch bei den Vorschriften steckt der Teufel oft im Detail: Für welche Düngemittel gilt das Selbstbedienungsverbot? Woran erkennt man, ob der Ammoniumnitrat-Gehalt eines Mineraldüngers 16 Prozent oder mehr beträgt? An wen darf dieser verkauft werden? Und wie muss die Abgabe dokumentiert werden? In der Arbeitshilfe „Kennzeichnung von Gefahrstoffen“ werden etwa die verschiedenen Piktogramme, Symbole, Signalwörter und Codes erläutert, die bei der Lagerung und dem Vertrieb von Agrar-Betriebsmitteln verwendet werden. Welche Bestimmungen und Restriktionen bei der Abgabe gelten, steht wiederum in eigenen Kompendien, die ebenfalls als PDF-Dokument im Leitfaden verlinkt sind.
Die Arbeitshilfe „Muster-Gefährdungsbeurteilung“ führt den Leser durch die Prozesse des betrieblichen Arbeitsschutzes: Was muss der Betriebsleiter machen, wenn er bestimmte potenziell gefährliche Produkte nicht aus dem Betrieb verbannen kann, beispielsweise, weil es keine Alternativen gibt? Hieraus ergeben sich Betriebsanweisungen und regelmäßige Unterweisungen für die betroffenen Mitarbeiter, die in dem Dokument erläutert werden.
Dr. Michael Reininger ist Experte für Pflanzenschutz, Düngung, Gefahrstoffe und Digitalisierung beim Deutschen Raiffeisenverband (DRV).