Diese Website verwendet Cookies. Wenn Sie unsere Seiten nutzen, erklären Sie sich hiermit einverstanden. Weitere Informationen

    Anzeige

Anzeige

 „Hier sind Ihre drei Semmeln, das macht 1 Euro und 47 Cent“, sagt die junge Verkäuferin in einer Bäckerei.

„Ich habe kein Bargeld dabei, kann ich mit meiner Uhr bezahlen?“, fragt die Kundin.

„Sehr gerne“, entgegnet die Verkäuferin und gibt den Betrag in das Kassenterminal ein. Anschließend hält die Kundin ihre Uhr an das Gerät und gibt ihre PIN ein. Ein Pieps und das Terminal druckt den Beleg aus.


Szenen wie diese können in den Geschäften und Restaurants im Geschäftsgebiet der VR-Bank Neu-Ulm in Zukunft häufiger vorkommen. Der Grund: Das Kreditinstitut bietet seinen Kunden seit Kurzem an, mit einer Armbanduhr zu bezahlen. „Watch2Pay“ heißt sie. Das Geldhaus ist die erste Bank, die den Service in Deutschland zur Verfügung stellt.

Der Zahlungsverkehr ist im Umbruch. Weltweit begleichen immer mehr Menschen ihre Rechnungen bargeldlos, indem sie Karten oder das Smartphone nutzen. Vorreiter der Entwicklung sind Länder wie Schweden, Indien oder Australien. In Deutschland setzen die Menschen nach wie vor bevorzugt auf Scheine und Münzen. Doch alternative Bezahlverfahren holen auf: Laut Bundesbank sank der Wert der Barzahlungen – gemessen am Umsatz – vergangenes Jahr erstmals unter die Schwelle von 50 Prozent. Vor allem Debitkarten wie die Girocard haben an Bedeutung gewonnen.

Auch die Kunden der VR-Bank Neu-Ulm nutzen das bargeldlose Bezahlen. Dafür bietet das Kreditinstitut verschiedene Möglichkeiten an: Die Girocard kontaktlos, die digitalen Karten in der VR-BankingApp – oder eben die Watch2Pay. „Es gibt definitiv Interesse an alternativen Bezahlmöglichkeiten. Deshalb machen wir unseren Kunden verschiedene Angebote, aus denen sie das für sich passende wählen können“, sagt der stellvertretende Marketingleiter Wolfgang Kaimer. Er geht davon aus, dass sich der Trend zum unbaren Bezahlen verstärken wird.

Externer Inhalt

Nach Ihrer Einwilligung werden Daten an YouTube übertragen.

Thomas Melcher von der VR-Bank Neu-Ulm zeigt „Profil“-Redakteur Christof Dahlmann, wie die „Watch2Pay“ funktioniert. Video: Christof Dahlmann und Karl-Peter Lenhard, GVB.

Die Watch2Pay der VR-Bank Neu-Ulm funktioniert technisch wie eine ganz normale Bankkarte. Unter dem Ziffernblatt lässt sich eine sogenannte Plug-In-Girocard, die das Kreditinstitut bereitstellt, einsetzen. Der verwendete Kartenchip mit Kontaktlos-Funktion hat die Größe einer SIM-Karte für das Handy und ist baugleich zu dem in Girokarten integrierten Chip. Bei beiden kommt der NFC-Nahfunkstandard zum Einsatz.

Um mit der Uhr zu bezahlen, gibt der Verkäufer den Betrag in das Kassenterminal ein. Anschließend hält der Kunde seine Uhr an das Gerät. Letzter Schritt ist die Legitimation mit der PIN, die auch bei Beträgen unter 25 Euro eingegeben werden muss. „Damit erreichen wir, dass das Verfahren besonders sicher ist. Denn durch die PIN-Eingabe kann kein Kunde unbeabsichtigt etwas bezahlen; selbst im unrealistischen Fall, dass er aus Versehen seine Uhr an ein Terminal hält“, sagt Werner Rock. Er ist Leiter des Bereichs Elektronische Bankdienstleistungen bei der VR-Bank Neu-Ulm. Sein Team ist zuständig für das Kartengeschäft, die Zahlungssysteme wie Kartenterminals und das Onlinebanking. „Durch die Bündelung dieser drei Fachthemen können wir so innovative Projekte wie Watch2Pay schnell und einfach in die Umsetzung bringen“, sagt Rock.

Kunden können aus sechs Modellen auswählen

Watch2Pay funktioniert nur mit Uhren, in die sich die Plug-In-Girocard einsetzen lässt. Die liefert das Wiener Unternehmen LAKS, das über den DG Verlag mit der VR-Bank kooperiert. Über die Webseite des Neu-Ulmer Kreditinstituts können die Kunden aus sechs Modellen wählen. Zusätzlich haben sie die Möglichkeit, in den Geschäftsstellen weitere Exemplare aus dem LAKS-Katalog zu bestellen. Die Uhren kosten je nach Modell zwischen 86,90 Euro und 111 Euro. Die Besitzer können die Plug-in-Girocard jederzeit mit wenigen Handgriffen herausnehmen beziehungsweise einsetzen. Die Zeit zeigt der Chronometer unabhängig davon an, ob ein Bezahlchip eingelegt ist.

Seit November können Kunden der VR-Bank Neu-Ulm die Uhren erwerben. Bislang liegt der Absatz im zweistelligen Bereich. Aber Werner Rock ist sich sicher, dass Watch2Pay Potential hat. Zur Zielgruppe gehören seines Erachtens insbesondere Menschen über 40 Jahre, die ohne das Internet und Smartphones aufgewachsen sind. „Sie zeichnet aus, dass sie den Wert einer analogen Uhr schätzen, zum Bezahlen keine zusätzliche App installieren möchten und großen Wert auf die Sicherheit des Verfahrens legen“, sagt Rock. Das Kreditinstitut hat vor allem auf der Webseite und über die Social-Media-Kanäle für die Uhr geworben. Zudem setzt es auf Mundpropaganda.

Die drei Vorteile der Bezahluhr

Im Vergleich zum Bargeld oder zum Zahlen mit dem Smartphone hat die Watch2Pay vor allem drei Vorteile. Erstens funktioniert die Uhr selbstständig. Sie muss nicht, wie etwa eine Smartwatch, mit dem Handy verbunden werden. Dadurch ist es zweitens auch nicht nötig, eine gesonderte App zu installieren. Der Chip enthält nur die für den Bezahlvorgang notwendigen Daten und ist nicht mit dem Internet verbunden. Drittens muss die Uhr nicht – wie etwa eine Smartwatch oder ein Handy – über Nacht geladen werden. Die Wartung der Uhr beschränkt sich auf den Austausch der Batterie alle zwei Jahre.

Die Watch2Pay ist keine Eigenentwicklung der VR-Bank Neu-Ulm, sondern stammt von dem Wiener Unternehmen LAKS. In Österreich oder den Niederlanden ist sie schon seit mehreren Jahren auf dem Markt. Werner Rock hat die Uhr erstmals auf dem Kartenforum des DG Verlags gesehen. Auf einem Stand der Messe wurde sie neben alternativen Zahlungsgeräten wie Smartwatches oder Schlüsselanhängern gezeigt. „Mich hat das Konzept sofort überzeugt. Im Anschluss an das Forum habe ich mir beim Vorstand grünes Licht geholt, die Uhr zu testen“, sagt Rock.

Im September 2017 startete die Pilotphase. 30 Bankmitarbeiter hatten sich bereit erklärt, die Uhr in ihrem Alltag zu testen. Ergebnis: Die Watch2Pay funktionierte einwandfrei und sorgte bei den Verkäufern und Kunden in den Läden und Restaurants im Geschäftsgebiet einerseits für Staunen, andererseits für Interesse. Die Bank entschied daraufhin, die Uhr für ihre Kunden auszurollen.

Innovative Dienstleistungen für die Kunden

Die größte Herausforderung bei der Einführung der Watch2Pay war es, die Prozesse in der Bank anzupassen, erklärt Thomas Melcher, der als Fachspezialist im Bereich Elektronische Bankdienstleistungen die Pilotierungsphase mit begleitete. Beispielsweise musste eine neue Bestellstrecke eingeführt werden, damit die Kunden die Uhr auf der Webseite des Instituts kaufen können. Eine technische Umstellung betraf die Geldautomaten. Damit Kunden die PIN der Plug-In-Girocard vor der ersten Verwendung ändern können, erhalten sie diese erst einmal in normaler Girokarten-Form. So können sie die Karte in ein SB-Gerät stecken und ihre PIN ändern. Anschließend müssen sie lediglich die Plug-In-Girocard aus der Vorlage brechen – wie bei einer SIM-Karte fürs Handy – und in die Uhr einsetzen. Mittlerweile ist es möglich, schon beim Bestellprozess die gleiche PIN wie auf der Girokarte zu vergeben.

Mit innovativen Angeboten wie der Bezahluhr will sich die VR-Bank Neu-Ulm von den Wettbewerbern differenzieren. Deshalb erhalten die Mitarbeiter gezielt Freiräume, um neue Ideen zu entwickeln. Zusätzlich wurde eine Innovationswerkstatt gegründet, in der sich rund 15 Beschäftigte engagieren.

Ob das Kreditinstitut mit der Uhr ins Schwarze trifft, bleibt abzuwarten: „Uns ist bewusst, dass sich viele neue Produkte letztlich nicht durchsetzen. Aber man muss auch mal den Mut haben, etwas auszuprobieren. Nur so können wir Vorreiter bei neuen Services sein und unsere Kunden mit innovativen Dienstleistungen begeistern“, sagt Wolfgang Kaimer.

Artikel lesen
Praxis