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Eine Gemeinschaft braucht einen Raum. Und ohne ein Wirtshaus, einen zentralen Treffpunkt, wäre ein Dorf nur eine Siedlung. In Pischelsdorf im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm stand 40 Jahre lang die ehemalige Gastwirtschaft leer. Wie in so vielen Ortschaften und Gemeinden in Bayern gab es nach dem Tod der letzten Wirtin, der Fanni, kein Gasthaus mehr, in dem die Dorfbewohner zusammenkommen konnten. Die Pischelsdorfer allerdings haben ihr Dorfheim Fanni gerettet und das 150 Jahre alte Gebäude in Eigenregie wieder hergerichtet („Profil“ berichtete in der Dezember-Ausgabe 2023). Seit Juli 2023 hat das Wirtshaus in Pischelsdorf jeden Freitag geöffnet, im Wechsel gibt es jemanden aus dem Dorf, der die Fanni bewirtschaftet. Und mit der Fanni gibt es im Dorf wieder einen Raum für Begegnungen, Treffen und Versammlungen – ob für Feuerwehrstammtische, Kaffeekranzerl, Trauercafés oder Familienfeiern.

Hubert Neufeld, Filmemacher aus München, ist in Pischelsdorf aufgewachsen. Er hatte in seiner Jugend erlebt, wie im Dorf „eine Leere entstand“, weil es keine Wirtschaft mehr gab. Als die Pischelsdorfer zur Rettung ihrer Fanni eine Genossenschaft gründeten und begannen, das alte Gebäude in ihrer Freizeit in vielen, vielen Arbeitsstunden zu sanieren, entschied der Filmemacher, darüber einen Dokumentarfilm zu drehen. Am Samstag, 11. Januar, um 19:30 Uhr findet die Filmpremiere von Fanni im Cineplex in Pfaffenhofen statt. „Profil“ hat mit dem Regisseur Hubert Neufeld über die Dreharbeiten in Pischelsdorf gesprochen und warum er diese Geschichte in einem Dokumentarfilm aufgreift.

Wie ergab es sich, die Rettung des ehemaligen Wirtshauses in Pischelsdorf filmisch zu begleiten?

Hubert Neufeld: Da ich selbst in Pischelsdorf aufgewachsen bin, war ich über meine Eltern immer gut informiert, was sich rund um die Fanni tat. Fünf Leute haben die Initiative, die Fanni zu retten, losgetreten, mein Onkel und mein Vater waren Teil davon. Bei der ersten Sitzung, als das ganze Dorf zusammengetrommelt wurde, um von den Sanierungsplänen zu erzählen, war ich auch dabei. Schon damals war mein Onkel mit der Idee an mich herangetreten, das Projekt filmisch zu begleiten. Doch ich hatte zunächst abgewunken. Im Januar 2022 starb mein Onkel an den Folgen einer Krebserkrankung. An dem Tag, als er starb, habe ich mich dann dazu entschieden, die Trauer in Energie umzuwandeln und die Realisierung dieses Filmprojekts anzugehen.

Der Regisseur von „Fanni“, Hubert Neufeld

Hubert Neufeld ist ein Filmemacher und Kameramann aus München. Während seines Studiums der Kommunikationswissenschaft startete er mit Musikvideos und bewegte sich dann in Richtung Werbe- und Dokumentarfilm. Mit seiner Produktionsfirma HTN Films produziert Neufeld über die Landesgrenzen hinaus, wobei er bei einem Dreh in Grönland eine seither ungebrochene Passion für die kalten Regionen dieses Planeten entwickelte. Weitere Drehs in Spitzbergen und dem subpolaren Atlantik folgten, bevor dann das bis dato größte Projekt in der Antarktis 2020 startete: „Sounds of the South“ (2021). Protagonist seines Films war der holländische Musiker Ruben Hein, der jetzt im Anschluss bei „Fanni“ für die Musik verantwortlich war.

Wie weit waren die Pischelsdorfer mit der Sanierung des Gebäudes, als Sie zu dem Projekt hinzustießen?

Neufeld: Der Rohbau war fertig. Erst dachte ich, dass ich schon ziemlich spät hinzukomme. Doch das war nicht so, es gab noch so viel zu tun, bis die Fanni wiedereröffnen konnte. Für mich waren es etwa 50 Drehtage. Mal habe ich bei den Bauarbeiten gefilmt, an anderen Tagen habe ich nur Einzelinterviews geführt. Und dann wieder saß ich drei Stunden am Waldesrand, um schöne Aufnahmen von Rehen oder vom Sonnenaufgang beziehungsweise -untergang zu machen.

In einer Einstellung im Film sieht man in der Ferne den Münchner Olympiaturm. Ist es tatsächlich so, dass man von Ihrem Heimatort Pischelsdorf aus die Großstadt sieht?

Neufeld: Ja, durchaus. Bei Föhnlage sieht man nicht nur den Olympiaturm in München, sondern auch die Berge. Aber darum ging es mir ja bei diesem Bild. Zu zeigen, in welcher Distanz München zu unserem Dorf liegt. Vermeintlich gar nicht so weit weg, aber wenn es um das tägliche sozio-kulturelle Leben geht, dann ist die Distanz zur Großstadt groß – zu groß. Daher braucht es eben etwas, das im Einzugsgebiet liegt. Eine Wirtschaft, die man zu Fuß oder mit dem Radl gut erreichen kann.

In meiner Jugend gab es bei uns in Pischelsdorf nichts, erst im Nachbarort gab es ein Wirtshaus. Als ich dann später vom Studium in Salzburg alle paar Wochen heimgekommen bin, konnte ich beobachten, wie auch dieses Wirtshaus starb. So wurde ich schon damals für die Thematik sensibilisiert, was der Tod eines Wirtshauses für eine Leidensgeschichte darstellt. Dass es auch im Nachbarort keine Wirtschaft mehr gab, war natürlich für das Projekt entscheidend. Dieses Vakuum zu füllen, das entstanden war. Hätte es im Nachbarort noch ein Gasthaus gegeben, hätte man dem keine Konkurrenz machen wollen.

„Der Tod von den Wirtshäusern ist natürlich etwas besonders Tristes“, sagt Ihr Gesprächspartner Gerhard Polt im Film. Wie kam das Gespräch mit Gerhard Polt zustande?

Neufeld: Ein wenig über Umwege, letztlich hat es Michael Well von den Well-Brüdern eingefädelt. Auch Rudolf Neumaier (Geschäftsführer des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege in München, Anmerkung der Redaktion), der auch im Film vorkommt, hatte bei ihm vorgefühlt und für mich gebürgt. Gerhard Polt gibt wenig Interviews, aber das Thema Wirtshaussterben ist ihm sehr ernst und liegt ihm am Herzen. Denn genau in diesen Gaststuben sitzen Polts Protagonisten. Das mag jetzt ein wenig plakativ klingen, aber im Wirtshaus spielt sich das echte Leben ab. Wie der Habitus von den Menschen eines Dorfs ist, das erfährt man beim Besuch der Dorf-Wirtschaft – und wer, wenn nicht Gerhard Polt, weiß das zu schätzen.

Ihre Protagonisten sind es aber auch, die in Ihrem Film das Besondere ausmachen. Menschen, mit all ihren Ecken und Kanten.

Neufeld: Viele kannte ich bisher nur wenig davor. Man hat sich auf der Straße gegrüßt und mal ein bisschen Smalltalk geführt. Erst mithilfe der Kamera habe ich sie alle so richtig kennengelernt – mit ihren Ecken und Kanten. Da hat sich auch herauskristallisiert, wer mir als Filmemacher wie viel geben kann. Nun spielen die größten Rollen im Film eben auch diejenigen, die am meisten vor Ort waren. Ebenso habe ich aber Verständnis dafür, dass unser Architekt Franz Grahammer nicht so gerne vor der Kamera agiert hat, aber hinter den Kulissen eine Rolle gespielt hat.

Die Grundstimmung des Films prägt aber auch die Musik. Vor allem der Titelsong, der musikalisch Altes und Neues verbindet.

Neufeld: Den holländischen Musikers Ruben Hein kannte ich von meinem Vorgänger-Film „Sounds of the South“, er war der Protagonist dieses Films. Diese Kooperation habe ich nun in meinem neuen Film aufrechterhalten. Ruben ist kein Bayer, er hat von mir aber viele konkrete Klangbeispiele bekommen und dann baukastenartig die Musik zusammengestellt. Den Titelsong prägen verschiedene Ebenen, einmal gibt es da die modernen Versatzstücke, dann die Ebene mit den bayerischen Blasmusik-Instrumenten, die Katrin Czerny eingespielt hat.

Die Gemeinschaft braucht einen Raum. Oder wie Gerhard Polt es formuliert, das Wirtshaus ist wie das Forum der Italiener, die Piazza, nur eben überdacht. War es daher einfach, eine Genossenschaft zur Rettung der Fanni zu gründen?

Neufeld: Die Gründung der Genossenschaft hat gewiss dazu beigetragen, dieses Gefühl zu stärken: Wenn viele mithelfen, kann etwas Besonders geschaffen werden. Zudem haben alle Mitglieder der Genossenschaft einen finanziellen Beitrag geleistet. Dieses Geld in der Summe hat allen eine gewisse Sicherheit gegeben, gerade auch als eine Förderung wegen behördlichen Versäumnissen nicht zustande gekommen ist. Bei der Versammlung wurde ausführlich erläutert, was eine Genossenschaft ausmacht, das haben alle gut verstanden. Und es fühlt sich einfach gut an, Teil davon zu sein und zu wissen, dass einem durch die Gründung einer Genossenschaft vieles leichter gemacht wird.

Sind Sie selbst auch Mitglied in der Genossenschaft?

Neufeld: Ja, das bin ich. Mit 500 Euro geht es bei uns ja auch nicht nur um einen symbolischen Anteil. Mit diesem Betrag wollten wir sichergehen, im Zweifel auch die ganze Innenausstattung des Wirtshauses finanzieren zu können.

Das genossenschaftliche organisierte Dorfheim Fanni

Ende der 1980er-Jahre schloss die Tafernwirtschaft Riedmair, die zuletzt von der Wirtin Franziska „Fanni“ Riedmair betrieben wurde. Einige engagierte Pischelsdorfer überzeugten 2019 die Erben, das Gebäude in der Dorfmitte der Gemeinde zu verkaufen. Ab Mai 2021 sanierte die Dorfgemeinschaft unter Bauherrschaft der Gemeinde und unterstützt durch Fachfirmen das Gebäude und leistete dabei rund 3.300 ehrenamtliche Arbeitsstunden. Die Genossenschaft Dorfheim Fanni wurde im Sommer 2022 gegründet. Seit der Wiederöffnung im Juli 2023 wird das Wirtshaus von Mitgliedern der Genossenschaft organisiert. Freitags hat die Wirtschaft von 18 bis 24 Uhr geöffnet. Genossen und Genossinnen wechseln sich damit ab, wer für die Bewirtung zuständig ist. Außerdem dient die Fanni als Veranstaltungsraum für Hochzeiten und Taufen, aber ebenso für Bürgerversammlungen, Wahl-Sonntage oder Filmvorführungen. Regelmäßig wird das Dorfheim auch genutzt, um ein Trauercafé oder Kreativtreffs anzubieten.

„Drop Out Cinema“, der Verleih, der Ihren Film vermarktet, ist auch eine Genossenschaft. Zufall oder Absicht?

Neufeld: Als Regisseur bin ich immer dankbar, wenn sich ein Filmverleih für meinen Film entscheidet. Ich habe bei der Bewerbung selbstverständlich dazugeschrieben, dass die Gründung einer Genossenschaft dazu beigetragen hat, das Wirtshaus im Dorf zu retten. Das mag schon hilfreich gewesen sein, dass der Verleih den Film genommen hat.

Am Samstag, 11. Januar, ist „Fanni“ in Pfaffenhofen zu sehen. Danach geht es für Sie auf Kinotour in Bayern.

Neufeld: Ich freue mich sehr, dass mein Film „Fanni“ an so vielen Orten zu sehen sein wird. Wir haben eine lokale Geschichte mit universeller Aussage. Jeder kann sich darin sehen. Wir alle haben schon solche Fanni-Gebäude in Orten vereinsamt stehen gesehen. Das können verwaiste Wirtshäuser oder auch Kinos sein. Das sind Orte, die man beleben kann. Orte, die Gemeinschaft schaffen können.

„Es gibt nichts ohne Risiko“ heißt es im Film.

Neufeld: Klar, es mag um ein materielles Risiko gehen. Aber für die Initiatoren ging es auch um ein anderes Risiko: Sie haben mit ihrer Ehre, mit ihrem Ansehen gebürgt, dass sich all die Energie, die sie da reinstecken, am Ende auch lohnt. Dass sie sich nicht in etwas verrennen. Im wahrsten Sinne des Wortes haben die Pischelsdorfer viel investiert. Und der Film zeigt, dass sie nicht nur die Bedeutung erkannt haben, ein Wirtshaus zu beleben, sondern die Wiederbelebung auch durchgezogen haben! Wie oft wird nur geredet und nichts passiert. Jeder weiß, wie es gehen könnte, aber keiner macht es. Das war in Pischelsdorf anders!

Wann und wo der Dokumentarfilm „Fanni oder Wie rettet man ein Wirtshaus?“ läuft

Oberbayern

  • Pfaffenhofen: Sonntag, 12. Januar 2025, 15 Uhr, Cineplex Pfaffenhofen
  • Rottach-Weißach: Mittwoch, 15. Januar 2025, 19:30 Uhr, Kino am Tegernsee
  • München, Freitag, 17. Januar 2025, 18:30 Uhr, Monopol München
  • Stegen: Samstag, 18. Januar 2025, 19:30 Uhr, Kino Stegen am Ammersee
  • Penzing: Mittwoch, 22. Januar 2025, 19:30 Uhr, Cineplex Penzing
  • Germering: Donnerstag, 23. Januar 2025, 19:30 Uhr, Cineplex Germering


Niederbayern

  • Vatersdorf: Freitag, 24. Januar 2025,  19 Uhr, Der neue Geschichtsboden Vatersdorf


Oberpfalz

  • Wörth: Donnerstag, 16. Januar 2025, 19:30 Uhr, Donau-Lichtspiele Wörth


Schwaben

  • Aichach: Sonntag, 19. Januar 2025, 19:30 Uhr, Cineplex Aichach
  • Königsbrunn: Sonntag, 26. Januar 2025, 19:30 Uhr, Cineplex Königsbrunn
  • Memmingen: Mittwoch, 29. Januar 2025, 19:30 Uhr, Cineplex Memmingen
  • Meitingen: Donnerstag, 30. Januar 2025, 19:30 Uhr, Cineplex Meitingen


Unterfranken

  • Kitzingen: Dienstag, 4. Februar 2025, 19:30 Uhr, Das Roxy Kitzingen
  • Würzburg: Mittwoch, 5. Februar 2025, 20 Uhr, Central im Bürgerbräu Würzburg


Mittelfranken

  • Fürth: Donnerstag, 6. Februar 2025, 19:30 Uhr, Cineplex Fürth
  • Großhabersdorf: Freitag, 7. Februar 2025, 19:30 Uhr, Lichtspiele – Kino zum Wohlfühlen Großhabersdorf
  • Schwabach: Samstag, 8. Februar 2025, 19:30 Uhr, Luna-Theater Schwabach
  • Neustadt an der Aisch: Sonntag, 9. Februar, 19:30 Uhr, KinoNEA
  • Eckental: Montag, 10. Februar, 19:30 Uhr, Casino Lichtspiele Eckental


Offiziell startet der Film dann am 24. April 2025 im Kino.

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