Effizient: Die Raiffeisenbank Roth-Schwabach hat ihre Kreditakten digitalisiert. Wie sich so ein Projekt erfolgreich umsetzen lässt, erklärt Produktionsleiter Frank Staub.
Manchmal dauert es etwas, bis die Zeit reif ist für ein absolut sinnvolles Projekt. Diese Erfahrung machte die Raiffeisenbank Deggendorf-Plattling-Sonnenwald. „Bereits kurz nach der letzten Fusion unseres Hauses mit der Raiffeisenbank Sonnenwald im Juli 2017 haben wir uns genauer mit der Digitalisierung unseres Altbestands an Kreditakten und der Einführung eines Dokumentenmanagementsystems beschäftigt“, berichtet Andreas Maier, Leiter Kredit-Marktfolge bei der Kreditgenossenschaft. Die Kosten seien auf einen mittleren sechsstelligen Betrag geschätzt worden. Das und andere Gründe hätten damals den Ausschlag gegeben, das Vorhaben nicht weiter zu verfolgen. „Im Jahr 2020 zeigten uns jedoch die Corona-Pandemie und der Lockdown, wie wichtig es ist, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter flexibel und ortsunabhängig einsetzen zu können“, berichtet Maier. Daher startete die Bank ein Projekt zur Einführung des Dokumentenmanagementsystems (DMS) der Atruvia. Parallel digitalisierte sie die Passivunterlagen in Eigenregie.
Was noch fehlte, war die Digitalisierung der Kreditakten. Damit beschäftigte sich die Bank ab Herbst 2022 im Projekt „DMS-Aktiv“. Projektleiter waren Andreas Maier und Sebastian Venus, Leiter Organisation und EDV-Technik bei der Raiffeisenbank Deggendorf-Plattling-Sonnenwald. Als Projektmitglieder waren aufseiten der Bank zudem Harald Saller und Sabrina Urban (Kredit-Marktfolge), Andreas Rotkopf (Firmenkunden-Beratung) und Christoph Ükert (Wohnbau-Beratung) eingebunden. Günther List aus der Revision begleitete das Projekt.
5.400 Kreditakten mit einer Million Blatt Papier digitalisiert
Das Vorhaben war umfangreich, wie Maier berichtet. Es wurden rund 5.400 Kreditakten aus dem Altbestand mit insgesamt rund einer Million Blatt Papier digitalisiert. Der Nutzen des Projekts ist jedoch langfristig angelegt: „Durch die Digitalisierung des Kreditantragsprozesses werden rund 50.000 Blatt Papier im Jahr eingespart. Wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen für die rechtssichere digitale Unterzeichnung von Kredit- und Sicherheitenverträgen endlich geschaffen würden und dies alle Kunden nutzen, könnten wir wohl nochmals rund 50.000 Blatt Papier im Jahr einsparen“, sagt der Leiter Kredit-Marktfolge.
Die Digitalisierung der Kreditakten übernahm der Scandienstleister SAGA aus Düsseldorf. In einem gemeinsamen „Akten-Workshop“ legten Bank und Dienstleister im Vorfeld mithilfe einer Whitelist und einer Blacklist fest, welche Unterlagen gescannt werden sollen und welche aussortiert werden können. „Eine alte Bilanz braucht kein Mensch mehr, die kann problemlos entsorgt werden“, gibt Maier ein Beispiel. Die Methode habe gut funktioniert. „Wir haben die digitalisierten Akten in Stichproben auf Vollständigkeit geprüft. Außer Kleinigkeiten ist uns nichts aufgefallen.“
Verschiedene Angebote prüfen
Zahlreiche Anbieter und Berater bieten Leistungen rund um die Digitalisierung von Bankdokumenten an, aus dem genossenschaftlichen Lager zum Beispiel die Ratiodata (siehe dazu auch den Beitrag „Eine Investition, die sich rechnet“ in „Profil“ 01/2021). Der Genossenschaftsverband Bayern empfiehlt seinen Mitgliedern daher, verschiedene Angebote zu prüfen, und gegebenenfalls andere Banken nach ihren Erfahrungen zu fragen.
Dienstleister sortiert nicht benötigte Unterlagen aus
Bei der Vorbereitung der Kreditakten für das Scannen habe sich die Bank – im Nachhinein betrachtet – zu viel Arbeit gemacht, berichtet Maier. „Wir haben alte Akten aussortiert, die offensichtlich keine laufenden Engagements mehr enthielten, und wir haben auch grundsätzlich schon weit im Voraus damit begonnen, großzügig nicht mehr benötigte Dokumente aus den Akten zu räumen. Das wäre jedoch nicht in diesem Umfang notwendig gewesen, weil wir das über die White- und Blacklist ähnlich gut hätten steuern können.“ Die Angebote der Scan-Dienstleister sehen laut Maier ohnehin meist vor, dass nur die Dokumente bepreist werden, die gescannt werden.
Um den Transport zum Scandienstleister vorzubereiten, beschriftete die Bank die Kreditakten mit der Kundennummer des Leitkreditnehmers. SAGA stellte dafür die Software, die Barcodes, einen Handscanner zur Erfassung der Barcodes, abschließbare Transportbehälter und Plomben zur Versiegelung zur Verfügung. Vor jedem Abholtermin wurden die Behälter mit den Akten bestückt. „Jede Akte wurde dem entsprechenden Transportschrank zugeordnet. Dafür wurden sowohl der Barcode der Akte als auch des Transportschranks mit dem Handscanner eingescannt, um Übertragungsfehler zu vermeiden. Somit war für uns immer klar ersichtlich, welche Akte wann zum Scannen ging. Die Dokumente, die wir weiterhin im Original benötigen, erhielten wir mit der nächsten Abholung in den gleichen Transportschränken wieder zurück“, berichtet Maier.
Ursprünglich hatte die Bank geplant, die Kreditakten analog zum Passivbestand in Eigenregie zu digitalisieren. „Bei der Projektplanung mussten wir jedoch schnell feststellen, dass die Scanner, die wir zur Digitalisierung der Unterlagen im Passivgeschäft angeschafft haben, für die Dokumente im Aktivgeschäft nicht ausreichend waren“, sagt Maier. Dafür seien diese Akten zu vielfältig. Vor allem Pläne und Urkunden weisen häufig Sonderformate auf oder sind mit Siegeln versehen, sodass sie sich nur mit besonderem Aufwand einscannen lassen. Für einen Scandienstleister sei das jedoch kein Problem.
Kreditprozesse papierlos gestaltet
Das Projekt der Raiffeisenbank Deggendorf-Plattling-Sonnenwald hatte dabei von Anfang an zwei Ziele: nicht nur den Kreditaktenbestand zu digitalisieren, sondern auch die Kreditprozesse weitestgehend papierlos zu gestalten. „Wir haben uns als Ziel gesetzt, dass der hauseigene Kurier nur noch aufbewahrungspflichtige Unterlagen wie Sicherheitenverträge oder Urkunden transportieren muss“, erklärt Maier. Wie aber lässt sich das sinnvoll umsetzen? Gleich beim ersten Termin sei das Projektteam auf viele Fragen gestoßen, auf die es nur wenige Antworten hatte.
So gab es zum Beispiel die Sorge, dass bei umfangreichen Unterlagen, wie sie etwa zur Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse notwendig sind, nach der Digitalisierung der Überblick über den Inhalt verloren geht. Maier rät dazu, für solche Fragen einen Spezialisten hinzuzuziehen, um sich nicht im Dickicht der Details zu verheddern. „Wenn wir als Banker alles selbst lösen wollen, stoßen wir auf Probleme, die eigentlich keine sind. Auf Scan-Dienstleistungen spezialisierte Berater kennen hingegen für fast jedes Problem eine einfache Lösung. Außerdem kennen sie die Fallstricke einer falschen oder mangelhaften Digitalisierung“, sagt Maier. Beispielsweise lassen sich eingescannte Dokumente ganz einfach durchsuchen, wenn eine Software für automatische Texterkennung (OCR) installiert wird. „Das ist eine einfache Software-Erweiterung, die verhältnismäßig wenig Geld kostet. Aber man muss wissen, dass es so etwas gibt“, sagt Maier.
Berater unterstützt bei der Ausschreibung
Bei der Raiffeisenbank Deggendorf-Plattling-Sonnenwald hieß der Berater Carsten Behaghel. Dieser habe hauptsächlich bei der Strukturierung des Projekts und bei der Analyse der Digitalisierungsvarianten geholfen. „Außerdem hat er uns maßgeblich bei der Ausschreibung der Scandienstleistungen unterstützt und uns Anbieter genannt, die wir nicht auf dem Schirm hatten“, berichtet Maier. SAGA sei einer dieser Anbieter gewesen. Der Scandienstleister habe am Ende nicht nur das günstigste Angebot abgegeben, sondern auch mit seinen Leistungen überzeugt.
Dokumentenverwaltung mit „Bechtle Docs“
Um die digitalen Dokumente zu verwalten und zu bearbeiten, wählte die Raiffeisenbank Deggendorf-Plattling-Sonnenwald das Tool „Bechtle Docs“ des IT-Unternehmens Bechtle aus Neckarsulm. „Hauptgrund hierfür war für uns, dass mit diesem Tool die Verarbeitung und Verteilung digitaler Dokumente für das Gesamthaus möglich ist“, sagt Maier. Andere Software-Lösungen seien zwar mitunter anwenderfreundlicher, aber die Nutzungsmöglichkeiten deutlich beschränkter.
Stellt der Kunde heute bei der Raiffeisenbank Deggendorf-Plattling-Sonnenwald einen Kreditantrag, schickt er die dafür benötigten Dokumente am einfachsten per E-Mail an seine Beraterin oder seinen Berater. Diese ziehen die Dokumente dann per Drag & Drop in Bechtle Docs. Dort gibt es im Kreditbereich eine Mappe mit einer Ablage, die ähnlich wie die frühere Kreditakte strukturiert ist. Laut Maier arbeitet die Firma Bechtle gerade an einem Upload-Link, mit dem der Kunde seine Dokumente direkt in seine Mappe hochladen kann. Der Berater erhält dann eine Nachricht, dass neue Dokumente eingestellt wurden. Nach Abschluss der Kreditbearbeitung werden diese dann per Mausklick in das Dokumentenmanagementsystem übertragen.
Kurier muss viel seltener fahren
Darlehens- und Sicherheitenverträge, die weiterhin handschriftlich signiert werden müssen, bekommt der Berater im Vorgang als Formularbündel zur Verfügung gestellt. Diese druckt er dann in der Geschäftsstelle aus und legt sie dem Kunden zur Unterschrift vor. Anschließend werden die Vertragsunterlagen vom Berater wieder eingescannt und in Bechtle Docs hochgeladen. Über das Tool gehen die Verträge dann auch an die Kreditmarktfolge zur Prüfung. Unterlagen, die von der Bank im Original aufbewahrt werden müssen, werden weiterhin vom Kurier der Bank zur Ablage im Archiv abgeholt. „Das ist aber zeitunkritisch, wodurch wir die Frequenz der Kurierfahrten deutlich reduzieren konnten“, sagt Maier.
„Chaotische Ablage“ im Archiv
Zur Aufbewahrung der verbleibenden Originaldokumente entschied sich die Bank für eine „chaotische Ablage“. Diese Form der Aufbewahrung folgt nicht mehr dem Prinzip, dass jeder Kunde eine Akte hat, sondern sie orientiert sich an dem Prinzip eines Lagerplatzes pro Dokument, wie man dies beispielsweise aus der industriellen Lagerhaltung kennt. So lässt sich der Platz im Archiv optimal ausnutzen. Dabei ist unabdingbar, dass Dokument und Ablageort zweifelsfrei festgehalten und der richtigen Kreditakte zugeordnet sind, sonst wird es mit dem Wiederfinden schwierig. Um zu verhindern, dass Akten falsch abgelegt werden oder der Ablageort eines Dokuments zum Beispiel wegen eines Tippfehlers falsch notiert wird, werden diese mit einem Handscanner eingelesen.
Auch interne Bereiche verarbeiten Dokumente digital
Bechtle Docs soll nun auch in internen Bereichen der Raiffeisenbank Deggendorf-Plattling-Sonnenwald eingeführt werden. „Aktuell erhalten einige Abteilungen der Bank die Eingangspost bereits digital über dieses Tool“, berichtet Sebastian Venus, Leiter Organisation und EDV-Technik. So werde die digitale Bearbeitung verschiedener Mappen für Personalangelegenheiten, zur Wiedervorlage oder für Projekte gerade pilotiert. Aber auch Arbeitsabläufe wie Kontoumlagerungen oder Genehmigungen würden bereits über das neue Tool umgesetzt. „Außerdem arbeiten wir an der Möglichkeit, Unterlagen in das Dokumentenmanagementsystem zu übertragen, um sie dort weiter zu bearbeiten, zum Beispiel im Rechnungseingang“, sagt Venus. Zudem sollen Dokumente zukünftig über ihre Formularnummer indiziert werden. „Wir erwarten uns davon eine schnellere, effizientere Bearbeitung der internen Prozesse. Diese sollten so weit wie möglich automatisiert und standardisiert sein“, betont Venus.
Scandienstleistungen in jedem Fall ausschreiben
Anderen Banken, die ebenfalls ihre Kreditakten und die dazugehörigen Prozesse digitalisieren wollen, rät der Leiter der Kredit-Marktfolge, die Scandienstleistungen auf jeden Fall auszuschreiben, da die Angebote der einzelnen Anbieter preislich sehr stark auseinandergingen. „Außerdem ist es bei solchen Veränderungsprozessen mehr als wichtig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer ausführlich und frühzeitig zu informieren, um sie mitzunehmen“, betont Maier. Zudem sei es unabdingbar, die Mitarbeitenden mit entsprechenden Möglichkeiten auszustatten, damit sie die digitale Arbeitswelt akzeptieren. „Oberste Maxime muss sein, dass die Kolleginnen und Kollegen ihre tägliche Arbeit auch mit digitalen Dokumenten gut und schnell erledigen zu können. Früher hat auch niemand infrage gestellt, dass für eine sorgfältige Dokumentenverwaltung Öszange, Tacker und Hefter benötigt werden. In der digitalen Welt braucht es ebenfalls passende Werkzeuge, um die Dokumente zu bearbeiten. Wenn das gewährleistet ist, ist die Digitalisierung kein Hindernis, auch nicht für ältere Mitarbeitende.“
Bank gewinnt bei Kunden mit schneller Reaktionszeit
In Summe spart sich die Raiffeisenbank Deggendorf-Plattling-Sonnenwald durch die Digitalisierung der Kreditakten und des Kreditprozesses viel Zeit und Aufwand, weil die Dokumente nicht mehr per Kurier transportiert werden müssen oder die Sachbearbeiter gezwungen sind, einen Kreditakt aus dem Archiv zu holen. Auf der anderen Seite geht auch durch die Aufbereitung der digitalen Dokumente Zeit verloren, etwa durch das Entfernen von Leerseiten oder das Zusammenfügen von Dokumenten. „Der entscheidende Punkt für uns ist jedoch die gefühlte Reaktionszeit gegenüber den Kunden. Hier können wir mit Schnelligkeit punkten, weil wir die Unterlagen sofort per Mausklick aufrufen können und nicht erst warten müssen, bis diese per Kurier aus dem Archiv in die Geschäftsstelle geliefert werden“, sagt Maier.
Kostenrahmen deutlich unterschritten
Für das Gesamtprojekt hatte sich die Raiffeisenbank Deggendorf-Plattling-Sonnenwald einen Zeitrahmen von zwei Jahren gesetzt, den sie eingehalten hat. Bei den Kosten ging die Bank in einer ersten Schätzung davon aus, dass sie die komplette Digitalisierung der Kreditakten etwa 200.000 Euro kosten würde. „Am Ende sind wir auch dank der Ausschreibung deutlich darunter gelandet“, betont Maier.