Nachhaltigkeits-Portal: Ein neues Angebot soll die Volksbanken und Raiffeisenbanken bei der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen. Welchen Nutzen hat das Portal?
Fortschritte und Erfolge beim nachhaltigen Engagement kommunizieren – die HVG Hopfenverwertungsgenossenschaft mit Sitz in Wolnzach hat das auf 68 Seiten in ihrem Nachhaltigkeitsbericht getan. 2021 erschien der erste Bericht, in Zukunft soll dieser alle zwei Jahre veröffentlicht werden, berichtet Carlos Ruiz, Prokurist und Koordinator Nachhaltigkeit bei der HVG. Lohnt sich der Aufwand? Ruiz sieht das pragmatisch. „Der Nachhaltigkeitsbericht ist eine Anforderung unserer Kunden. Er hilft uns dabei, bürokratischen Aufwand zu reduzieren, weil wir sonst stattdessen lange Fragebögen zur Nachhaltigkeit ausfüllen müssten“, sagt der Manager.
Das Streben nach Nachhaltigkeit sei eine „Arbeit am offenen Herzen“ der HVG, die viele Ressourcen binde. „Bier zu brauen ist sehr energieintensiv. Die 40 größten Brauereien der Welt, die für 95 Prozent der globalen Bierproduktion stehen, haben alle klare Nachhaltigkeitsvorgaben. Ihr Ziel ist es, klimaneutral Bier zu produzieren“, berichtet Ruiz. Dafür nehmen sie auch die Zulieferer in die Pflicht. Bei den Brauereien kümmerten sich oftmals ganze Abteilungen mit einer Heerschar von Mitarbeitern ausschließlich um das Thema Nachhaltigkeit. „Der Hopfen macht beim Bier nur 0,3 Prozent des CO2-Fußabdrucks aus. Unser Beitrag zur Klimaneutralität des Bieres ist also nicht sehr groß, aber wir tun alles, unseren Anteil zu leisten“, sagt Ruiz.
Unter anderem hat die HVG zahlreiche Forschungsprojekte finanziert, um den Energieverbrauch im Hopfenanbau zu reduzieren. Die Ergebnisse wurden in ein Förderprogramm zur Umsetzung von Energiesparmaßnahmen überführt. So trug die Genossenschaft dazu bei, den Heizölverbrauch zur Trocknung der Hopfendolden von 44 auf 35 Liter pro 100 Kilogramm Trockenhopfen zu reduzieren. „Allein im Anbaugebiet Hallertau werden so jährlich über 10.000 Tonnen CO2 eingespart“, berichtet Ruiz.
Aus Hopfenresten wird Biogas
Seit 2012 betreibt die HVG außerdem in Kooperation mit E.ON die weltweit erste Anlage zur Erzeugung von Biogas aus Hopfenresten. Bei der Hopfenernte fallen pro Hektar etwa 14 Tonnen Pflanzenreste an. Die HVG kauft den Pflanzern die Rebenhäcksel ab und liefert diese an die Bioerdgas Hallertau GmbH. „So wird aus den Pflanzenresten von rund 4.500 Hektar Fläche – immerhin fast ein Viertel der 20.000 Hektar Hopfenanbaufläche in der Hallertau – Biogas für rund 5.000 Haushalte. Zusätzlich werden die Gärreste als Düngung zurück auf die Felder geführt“, sagt Ruiz. Bei einem Musterbetrieb testet die HVG außerdem Möglichkeiten, die Hopfenproduktion CO2-neutral zu stellen. Dazu wird zum Beispiel in den Vorstufen der Trocknung das Heizöl durch Hackschnitzel ersetzt. „So konnten wir bei diesem Betrieb den Heizölbedarf um 50 Prozent reduzieren“, berichtet der Nachhaltigkeitsmanager der HVG.
Der nachhaltige Umgang mit natürlichen Ressourcen sei bei den Landwirten selbstverständlich, betont der HVG-Manager. „Nachhaltigkeit liegt in der DNA des Hopfens. Der Hopfenanbau in Deutschland geht bis ins 9. Jahrhundert zurück. Viele unserer 1.160 Mitglieder bauen Hopfen seit acht bis zwölf Generationen an. Wenn sie nicht über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg nachhaltig gewirtschaftet hätten, gäbe es in der Hallertau schon lange keinen Hopfenanbau mehr“, sagt Ruiz. Die Hopfenverwertungsgenossenschaft sei Teil dieser DNA. „Wenn man will, dass die Mitglieder auch in 100 Jahren noch auskömmlich wirtschaften können, hat man einen anderen Blick auf die Zukunft als Unternehmen, die kurzfristig Gewinne erwirtschaften wollen“, sagt Ruiz.
Mehrwert dort schaffen, wo schwer gearbeitet wird
Deshalb sei das nachhaltige Engagement der Genossenschaft nicht darauf beschränkt, den CO2-Fußabdruck zu reduzieren, sondern es nehme auch soziale Themen in den Blick. „Durch unsere Geschäftstätigkeit wollen wir möglichst viel Mehrwert dort schaffen, wo schwer gearbeitet wird, und das ist bei unseren Mitgliedern“, sagt Ruiz. Die Maßnahmen der HVG zielten dabei auf die Unterstützung der Mitglieder bei allem, was wichtig ist, um die Betriebe fit für die nächste Generation zu machen. So richten sich eine ganze Reihe von Angeboten gezielt an die Frauen in den Betrieben. „Wir bieten Sprachkurse an, damit sich die Familien besser mit den Saisonarbeitskräften verständigen können, außerdem gibt es Kurse zur besseren Büroorganisation oder wir informieren, was bei einer Hofübergabe alles zu beachten ist“, gibt Ruiz ein paar Beispiele.
Neue Sorten für den nachhaltigen Hopfenanbau
Die Verbesserung der Produktionstechnik gehört aber nach wie vor zu den Forschungsschwerpunkten der HVG. Auch das sei nachhaltig, sagt Ruiz. „Ein wichtiger Ansatz, um Hopfen erfolgreich anzubauen, ist die Züchtung neuer Sorten. Pflanzen, die mehr Ertrag pro Hektar liefern oder klimatoleranter sind, leisten einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Umwelt, weil weniger Ressourcen zur Bewirtschaftung benötigt werden“, sagt Ruiz. Die HVG züchtet zudem eigene Hopfenpflanzen. „Wir kreuzen verschiedene Sorten. Da ist viel Versuch und Irrtum dabei, aber nun wurde erstmals eine widerstandsfähige Sorte der HVG zugelassen“, sagt Ruiz. 2022 habe das trockene Wetter die Pflanzen sehr gestresst, die Ernte sei schwierig gewesen. Das Jahr sei aber auch ein Testlauf gewesen, mit welchen Klimabedingungen der Hopfen in Zukunft zurechtkommen muss. „Welche Sorten halten den Klimawandel aus, wenn es hart auf hart kommt? Darauf müssen wir eine Antwort finden“, sagt Ruiz.
Die Nachhaltigkeitsstrategie der HVG
„Wir glauben an die Idee, dass ökologische, ökonomische und soziale Ziele gleichrangig angestrebt werden müssen, um in der Welt und für kommende Generationen mehr Gerechtigkeit zu erreichen. Nachhaltigkeit bedeutet für uns, auf die Zukunft ausgerichtet und langfristig zu agieren und dabei im Sinne unserer Mitglieder erfolgreich zu sein. Als Genossenschaft haben wir per se eine nachhaltige Sichtweise. Alle unsere Teilhaber sind in die Entscheidungsprozesse eingebunden. Durch zielgerichtete Nutzung der finanziellen Mittel und enge Kooperation mit den öffentlichen Stellen kann die Sonderkultur Hopfen in einem mit vielen Auflagen belegten Arbeitsumfeld in Deutschland bestehen.“ (Quelle: Nachhaltigkeitsbericht der HVG)
Als schwierig empfindet Ruiz die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Der Hopfenanbau in Deutschland sei im Vergleich zu anderen Ländern stark überreguliert. „Deutschland produziert 40 Prozent des weltweiten Hopfens, unsere Wettbewerber sitzen in den USA, China oder Tschechien. Dort gelten teilweise ganz andere Standards. Das schwächt unsere Wettbewerbsfähigkeit. Trotz deutlich strengerer gesetzlicher Rahmenbedingungen müssen wir in einem internationalen Umfeld bestehen und ein Produkt herstellen, das Brauer in über 100 Ländern der Welt glücklich macht“, sagt der Nachhaltigkeitsmanager der HVG. Ausschließlich negativ will Ruiz die strengen Auflagen aber auch nicht sehen, etwa bei der Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe. „Die Systematisierung zwingt uns zur Nabelschau, das haben wir anderen Ländern voraus“, sagt er.
Schlagkräftige Mannschaft für nachhaltigen Erfolg
Außerdem sei die HVG durch die strengen Auflagen gezwungen, noch nachhaltiger zu wirtschaften, um im Wettbewerb zu bestehen. Dazu gehöre auch, die Mitglieder sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Erfolg der Genossenschaft teilhaben zu lassen. „Vor 30 Jahren hatten wir in Deutschland einen Marktanteil von acht Prozent, jetzt vermarkten wir rund ein Drittel der deutschen Hopfenernte. Das könnten wir nicht leisten, wenn wir nicht so eine schlagkräftige Mannschaft hätten“, sagt Ruiz. Mit 40 festangestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern setzt die HVG Hopfenverwertungsgenossenschaft jährlich rund 100 Millionen Euro um. Das sei beachtlich. „Unser Bestreben ist es, durch Kooperationen einen Humus zu schaffen, auf dem nicht nur der Hopfen, sondern auch die Betriebe unserer Mitglieder nachhaltig gedeihen können. Das ist nicht einfach, aber der Erfolg gibt uns recht“, sagt Ruiz.