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Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts ändert ab 1. Januar 2023 unzählige Bestimmungen etwa des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Es handelt sich um die größte Paragraphenwanderung seit der Schuldrechtsreform, die materiellrechtlich und verfahrensrechtlich die Rechtsgebiete des Betreuungsrechts, des Vormundschaftsrechts und der Pflegschaft umfassend neu ordnen soll. Die Rechtsnormen werden dabei nicht nur modernisiert, sondern auch neu strukturiert.

Bisher stammten die meisten Regelungen für das bankrechtlich entscheidende Betreuungsrecht aus dem Vormundschaftsrecht, das wiederum teilweise die soziale Struktur von vor über 100 Jahren abbildete. Dementsprechend war es auch für einen Juristen nicht immer einfach, anhand der langen Paragraphenkette an Verweisungen die relevante Regelung zu finden. Zu den weiteren Defiziten der bisherigen Rechtslage zählt, dass die Betreuung zu schnell und für zu viele Wirkungskreise angeordnet wird, das Selbstbestimmungsrecht und die Wünsche des Betreuten zu wenig berücksichtigt werden, vorgelagerte Schnittstellen zum Sozialrecht zu wenig genutzt werden und die Betreuungsgerichte zu langsam und ungenügend kontrollieren.

Selbstbestimmung als Leitmotiv

Die Reform will die Autonomie und Selbstbestimmung des Betreuten stärken. Die Beachtung seiner Wünsche wird zum alleinigen Leitmotiv für alle Beteiligten – für Betreuer genauso wie für Richter oder Rechtspfleger. Zurückzuführen ist diese an sich nicht neue Prämisse auf das „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung“. Dieses Übereinkommen wurde schon im Jahr 2006 von der Generalversammlung der UNO verabschiedet und von Deutschland 2009 ratifiziert. Jetzt wird es weiterentwickelt. Die rechtliche Betreuung macht es sich also zur Aufgabe, die Betreuten bei der Besorgung eigener Angelegenheiten durch selbstbestimmtes Handeln zu unterstützen. Das neue Recht gilt für neu angeordnete wie auch für die laufenden Betreuungen, es gibt nur wenige Übergangsregelungen.

Das neue Recht

Alles, was Bankmitarbeiter für die Bearbeitung der betreuungsrechtlichen Fälle wissen müssen, wird im Bürgerlichen Gesetzbuch im Titel 3 „Rechtliche Betreuung“ in den Paragrafen 1814 bis 1870 geregelt. Umständliche Verweisungsketten fallen weg. Das Vormundschaftsrecht, Elternrecht und das Pflegschaftsrecht verweisen jetzt auf die Vorschriften des Betreuungsrechts. „Profil“ gibt einen Überblick über die wichtigsten Änderungen.

Betreuer

Das Amt eines Gegenbetreuers fällt weg. Der Kontrollbetreuer, der Rechte des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten geltend machen soll, bekommt neue Befugnisse – er kann jetzt Auskunftsrechte auch gegenüber einem Dritten, zum Beispiel einer Bank, geltend machen. Der bisherige Ergänzungsbetreuer, der zwar eine Bestellungsurkunde erhalten hat, aber den Verhinderungsfall nachweisen musste, wird jetzt zum Verhinderungsbetreuer. Er kann gleichzeitig mit dem eigentlichen Betreuer bestellt werden, damit keine Vertretungslücken entstehen, wenn der Hauptbetreuer wegen Urlaub, Krankheit oder Ähnlichem verhindert ist. Der Ergänzungsbetreuer wird jetzt nur noch bei einer rechtlichen Verhinderung bestellt.

Der Kreis der sogenannten befreiten Betreuer wird erweitert. Zusätzlich zu Eltern und Kindern gehören nunmehr weitere Verwandte in gerader Linie, also auch Großeltern und Enkel sowie auch Geschwister – leibliche Vollgeschwister, Halbgeschwister, Adoptionsgeschwister – zu den befreiten Betreuern.

Vermögensverwaltung

Das Trennungsgebot, wonach der Betreuer das Vermögen des Betreuten von seinem eigenen Vermögen getrennt zu halten hat, wird aufgelockert – die gelebte Praxis wird verrechtlicht. Das Trennungsgebot gilt jetzt nicht mehr für das bei Bestellung des Betreuers bestehende und das während der Betreuung hinzukommende gemeinschaftliche Vermögen des Betreuers und des Betreuten.

Geldanlagen

Geld des Betreuten, das der Betreuer für dessen Ausgaben benötigt (Verfügungsgeld), hat er auf einem Girokonto des Betreuten bei einem Kreditinstitut bereitzuhalten. Der Zahlungsverkehr ist grundsätzlich bargeldlos durchzuführen. Verfügungsgeld kann vorübergehend unversperrt auch zusätzlich auf einem gesonderten zur verzinslichen Anlage geeigneten Konto geparkt werden.

Geld, das nicht für Ausgaben benötigt wird (Anlagegeld), sowie andere Anlagen wie insbesondere Wertpapiere, sind wie bisher versperrt anzulegen. Versperrt bedeutet: Der Betreuer muss mit dem Kreditinstitut vereinbaren, dass er über die Anlage nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts verfügen kann. Befreite Betreuer sind von dieser Verpflichtung ausgenommen.

Die gravierendste Änderung im Rahmen der Vermögenssorge ist die verschärfte Rechtswirkung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung. Es handelt sich nunmehr um eine Außengenehmigung. Wird die Genehmigung vom Betreuungsgericht verweigert, ist das Rechtsgeschäft, insbesondere die Auszahlung von Anlagegeld an einen nicht befreiten Betreuer oder der Erwerb eines Wertpapiers, unwirksam.

Bei der Außengenehmigung handelt es sich um einen Beschluss des Betreuungsgerichts. Dieser kann mit einer Beschwerde innerhalb einer 14-tägigen Beschwerdefrist angefochten werden. Erst mit einem fruchtlosen Ablauf der Frist wird der Beschluss wirksam, die Rechtskraft tritt erst dann ein. Die Anlagestrategien, die auf kurzfristige Kursgewinne und hohe Rendite setzen, werden somit in den Hintergrund treten.

Vorsorgevollmacht

Das Betreuungsgericht kann in noch nicht bestätigten Verdachtsfällen auf Missbrauch die Vorsorgevollmacht außer Kraft setzten. Die Vollmachtsurkunde wird suspendiert und ist herauszugeben. Damit ein Kontrollbetreuer eine Vorsorgevollmacht widerrufen darf (eine Kontovollmacht kann ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge stets widerrufen), musste bis jetzt vom Gericht ein neuer Aufgabenkreis „Widerruf der Vorsorgevollmacht“ angeordnet werden. Ab dem 1. Januar 2023 kann ein Kontrollbetreuer eine Vorsorgevollmacht widerrufen, wenn das Festhalten an der Vollmacht nicht mehr möglich ist. Hierzu bedarf er jedoch der (Außen-)Genehmigung des Betreuungsgerichts. Der Beschluss hierzu wird erst mit dem fruchtlosen Ablauf der Beschwerdefrist rechtskräftig.

Verfahrensrecht

Verfahrensrechtlich wird eine verpflichtende und adressatengerechte Unterrichtung des Betroffenen über die Einleitung des Verfahrens eingeführt. Bei der Bestellung eines Kontrollbetreuers kann nicht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet werden. Der Kontrollbetreuer hat neue Befugnisse und seine Bestellung greift massiv in das verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht des Betreuten ein, weil er eine Vorsorgevollmacht widerrufen kann, die zur Vermeidung einer Betreuerbestellung erteilt wurde. Neu ist, dass in die Bestellungsurkunde auch alle Befreiungen, die sich bis jetzt nur mühsam aus einer Verweisungsparagraphenkette ergaben, direkt aufgenommen werden sollen. Die Betreuungsgerichte müssen jetzt immer vor der Bestellung eines Betreuers das Zentrale Vermögensregister nach Bestand einer Vollmacht abfragen, dies war bis jetzt nicht verpflichtend.

Ehegattenvertretungsrecht

Die Reform bringt auch eine neue Regelung der zeitlich begrenzten gesetzlichen Ehegattennotvertretung bei der Gesundheitssorge. Sie hat zwar keinen unmittelbaren Einfluss auf Bankgeschäfte, ist aber dennoch von hoher Bedeutung. Bis jetzt können Ehegatten und Lebenspartner weder Entscheidungen über medizinische Behandlungen für ihren nicht mehr selbst handlungsfähigen Partner treffen noch diesen im Rechtsverkehr vertreten, solange sie nicht als rechtliche Betreuer ihres Partners bestellt werden oder von diesem im Rahmen einer Vorsorgevollmacht hierzu wirksam bevollmächtigt worden sind.

Kann demnach ein Ehegatte auf Grund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht besorgen, ist der andere Ehegatte berechtigt, für den vertretenen Ehegatten in Untersuchungen, Behandlungen oder ärztliche Eingriffe einzuwilligen oder sie zu untersagen und Verträge in diesem Zusammenhang zu schließen. Dies gilt nicht, wenn ein Widerspruch in das Zentrale Vorsorgeregister eingetragen wurde, wenn Ehegatten getrennt leben oder bekannt ist, dass der Ehegatte der Vertretung nicht zustimmt. Dies alles soll der behandelnde Arzt prüfen. Wie eine solche Prüfung der Ausschlussgründe konkret aussehen soll, dürfte noch viele Rechtsgelehrte beschäftigen, denn die neue Regelung räumt dem Ehepartner zwangsläufig ein Vertretungsrecht ein. Damit steht sie im Widerspruch zur gesetzgeberischen Intention der Stärkung des Selbstbestimmungsrechts.

Fazit

Im Ergebnis kann für das Bankgeschäft festgestellt werden, dass das neue Betreuungsrecht zwar sicher einige Dinge erleichtern wird, es wird aber insbesondere im Bereich des Außengenehmigungsverfahrens und der Vorsorgevollmachten viele noch nicht absehbare Fragen aufwerfen.


Zdenka Mischke ist Rechtsanwältin beim Genossenschaftsverband Bayern.

Seminare der GVB-Rechtsberatung

Die Rechtsberatung des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) unterstützt die Verbandsmitglieder gerne in allen Rechtsfragen, so auch bei Fragen zum neuen Betreuungsrecht. Kontakt: recht(at)gv-bayern.de oder 089 / 2868-3730. Im Januar 2023 bietet die Rechtsberatung des GVB zwei Webinare zum neuen Betreuungsrecht an. Weitere Informationen und Anmeldung auf der Webseite der Akademie Bayerischer Genossenschaften (ABG). Am 9./10. März 2023 wird das neue Betreuungsrecht im zweitägigen Seminar „Kontoführung bei Verhinderung des Kunden“ behandelt. Das Seminar findet im ABG Tagungszentrum in Beilngries statt. Weitere Informationen und Anmeldung auf der Webseite der ABG. Alle Informationen und Dienstleistungen der GVB-Rechtsberatung finden Verbandsmitglieder im GVB-Mitgliederportal.

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